Zum Zweiten Advent und Dritten Advent

Pünktlich zum Zweiten Advent wieder eine kleine Weihnachtsgeschichte. Diesmal aus dem Regenwald von Papua-Neuguinea.
Ich wünsche Euch allen einen frohen Zweiten Advent. - Max

Weihnachten im Regenwald

Ich verbrachte den Abend des 24. Dezember allein und zufrieden im Schein mehrerer Kerzen und bei einem Glas Rotwein in meinem Haus am Rande des Dorfes. Hinter der Siedlung begann der Regenwald. Auf der anderen Seite zogen sich Gärten und Buschland ein paar Kilometer den Berg hinunter bis zum Meer.
Ich war hier, um diese und weitere Gemeinden entlang der Küste zu beraten, was man mit dem „Big Bush“ noch anfangen konnte, anstatt ihn an eine der beiden allmächtigen Abholzungsfirmen zu verkaufen. Wir hatten erste Erfolge mit Wanderungen für Touristen, auf denen ich gemeinsam mit den Dorfleuten die Pflanzenwelt des Regenwaldes erklärte, ebenso mit einem kleinen Gästehaus und woanders mit einer Schmetterlingsfarm. Ich arbeitete an einem Herbarium über Heilpflanzen und schrieb nebenbei Sagen und Legenden auf, die mir die Alten in den Dörfern erzählten. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ich möchte von diesem Weihnachtsabend erzählen, den ich hier für mich allein in meinem Haus verbrachte. Es hatte sich so ergeben. Die Heimat lag auf der nördlichen Seite des Erdballs. Warum sollte ich von hier wegfahren? Aus Europa kamen die Leute zum Urlaub her. Also einfach noch einmal “Merry Christmas” von John Lennon hören und mit den Gedanken bei mir selbst sein. Keine Feiertagskleidung, sondern wie immer, wenn ich zu Hause war, nur eine dünne Sporthose. Bei Dreißig Grad Lufttemperatur und Regenzeit klebte einem jeder Faden auf der Haut. Ich hatte mich im letzten Jahr auch daran gewöhnt und genoss den sanften Windhauch, der mit dem Abend vom Meer ein klein wenig Kühle brachte.
Und wie ich so für mich allein saß und an frühere Weihnachten dachte und völlig mit mir in Frieden war, begann es vor dem Fenster sacht zu regnen. Mir kam in den Sinn: Wenn das jetzt in Deutschland wäre, würden still und langsam die Schneeflocken fallen, so wie wir uns den Weihnachtsabend immer wünschten.
Es hat den ganzen Abend geregnet, kein Sturm, kein Wolkenbruch, nur ein ruhiger, langanhaltender Regen, in dessen leichtem Rauschen, bis auf das Tschilpen der Baumfrösche hinter dem Haus, sämtliche anderen Geräusche untergingen. Am Morgen dachte ich: In Deutschland wäre nach so einer Winternacht der Niederschläge alles tief verschneit. Ich erinnerte mich meiner Kindheit. Wenn es nachts geschneit hatte und Mutter früh die Haustür öffnete, so rief sie immer uns Kinder und zeigte uns den frischen Schnee wie eine besondere Überraschung. Die weiße Pracht bedeckte die Treppe und den Weg bis zum Gartentor flauschig und unberührt. Mit Begeisterung bin ich dann mit dem Schneeschieber auf dem Hof herum gefahren und schob ein Labyrinth von Pfaden und hatte es stets bedauert, wenn sich Vater an die Arbeit machte, um den Hof schlicht und einfallslos freizuschaufeln.
Weihnachtsmorgen in Papua-Neuguinea. Die Sonne blitzt schon durch die Äste des riesigen Brotfruchtbaums jenseits des Weges. Ich habe mir gestern Rosinenbrötchen gebacken und die Hälfte an die Nachbarkinder im Dorf verschenkt. Dafür brachten sie mir eine Ananas und ein paar frische Eier. Davon koche ich mir jetzt zwei, stelle Wasser für Kaffee auf den Gaskocher und decke den Tisch auf der Terrasse. Von hier hat man einen wundervollen Blick über die unzähligen Nuancen des Grüns von Palmen und Gärten hinunter zum weiten Blau des Meeres mit der kleinen Vulkaninsel am Horizont und dem etwas helleren Himmel.
Zum Weihnachtsessen treffe ich mich mit ein paar Kollegen, die wie ich hiergeblieben sind, unten im Strandhotel. Am Nachmittag fahren wir mit meinem Boot hinaus zum Außenriff für einen weihnachtlichen Tauchgang in der angenehm-warmen Südsee. Und abends werden wir uns einen „Sun-Downer“ an der Beach-Bar genehmigen.

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Schön geschrieben, aber ein sehr abrupter Schluss, hast Du Dir eine Maximallänge vorgegeben und wolltest diese nicht überschreiten? Mich hätte der Tauchgang noch sehr interessiert :slight_smile:

Aber Danke fürs teilen!

Das mit dem abrupten Schluss ist mir auch aufgefallen. Mir fehlt da irgendwas. Nicht unbedingt der Tauchgang, eher ein letzter (sentimentaler) Vergleich / Erinnerung.
Das mit dem Regen/Schnee fand ich wundervoll :slight_smile:

Danke für die Kommentare. Da muss ich etwas über den Schluss nachdenken, wenn er zu kurz daherkommt.
Zum Tauchen aber nicht. Das wäre ein Extrathema, bei dem ich zudem in Gefahr laufe, ins Schwatzen zu kommen. Ich kann auch aber gern etwas Vorschwärmen über das Tauchen in der 28 Grad-warmen Südsee. Das allein fühlt sich angenehm an. Dann das Hinabschweben in die blaue Tiefe am Außenriff. Das ist wie Fliegen. Über dir die hellere Wasseroberfläche wie der Himmel. Die unzählingen Fische in den Korallenriffen. Ein Hai unter dir. Vielleicht ein Rochen, der angesegelt kommt wie ein Flugzeug…

Mir fehlt da nichts am Schluss.
Was daher kommen mag, dass ich mich fürs Tauchen nicht interessiere.

Ich finde den Schluss schlüssig :kissing:, sorry für die Plattitüde.
Erinnerungen hören (bei mir) öfter mal etwas unvermittelt auf.
Manchmal kommt dann später noch eine Kleinigkeit dazu, aber meistens nicht.

Was haltet ihr denn von dem folgenden Schluss? Zum Glück kann man ja Texte nach Herzenslust ändern, vergleichen und es wieder verwerfen.

Zum Weihnachtsessen treffe ich mich mit ein paar Kollegen, die wie ich hiergeblieben sind, unten im Beach-Hotel. Am Nachmittag leihen wir uns im Tauchzentrum die Ausrüstung und fahren mit meinem Boot hinaus zum Außenriff für einen weihnachtlichen Tauchgang in der angenehm-warmen Südsee. Wichtelfische gibt es nicht, dafür aber viele Clownfische in den Anemonen. Wenn wir Glück haben, sehen wir in der Tiefe ein paar Haie, vielleicht einen der drei Meter großen, gefleckten Adlerrochen, die wie Flugzeuge durch das Wasser segeln. Abends werden wir uns einen „Sun-Downer“ an der Bridge-Bar genehmigen.
Was ist Weihnachten? Der kleine Plastikbaum mit Lämpchen und Glitzer hinter dem Bartresen? Oder ein verschneiter Fichtenwald? Die ewig-gleiche Musik auf den Weihnachtsmärkten mit dem billigen Glühwein? Weihnacht ist vor allem ein Gefühl tief in uns. Wir können es mitnehmen an jeden Ort der Welt, sogar an den Palmenstrand.

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Ein wunderschönes Ende! Klasse!

schönes Ende

Auf sowas hatte ich gehofft :slight_smile:

Danke, meine lieben Kritikerinnen und Kritiker. Ich freue mich, dass es sich gelohnt hat, den Text hier vorzustellen. Ich stelle fest, dass mir Papyrus zwei Mal geholfen hat: Einmal durch Vorschläge der Stilprüfung im Programm, zum Zweiten durch eure Kritik hier im Forum.
Dann werfe ich euch auch zum dritten Advent etwas zum Kritisieren vor! Dann geht es ins gegenteilige Klima.

Auch ein schönes Ende!

Hier mein Fensterchen zum Sonntag, diesmal aus der Mongolei.
Ich wünsche Euch allen einen frohen Dritten Advent!

Weihnachten in der Steppe

Heute bekam ich unseren Weihnachtsbraten. Wir konnten in dieser staubigen mongolischen Kleinstadt zwischen Altai-Gebirge und Gobi-Wüste, wo es im Sommer heiß und sonnig und im Winter kalt und windig ist, jemanden ausfindig machen, der ein paar Hühner hatte und bereit war, eins zu verkaufen. Auf dem Land ist das Leben in der Mongolei noch immer vom traditionellen Nomadentum geprägt. Geflügel jedoch hielten sich die sesshaften Getreidebauern und nicht die Nomaden. Die hatten Schafe und Ziegen und Pferde, einige Kühe, in den Hochgebirgen Yaks und in den Wüsten Kamele.
Das Hühnchen war jung aber ausgefedert, ein bisschen mager und natürlich kein Hormon-Schnellmasthuhn, sondern ein normales, gesundes Dorfhuhn. Ich schlachtete es eigenhändig. Es war sehr friedlich, selbst im Tode. Es ist schon traurig, so ein Tier umzubringen, seufzte ich. Doch so vergisst man wenigstens nicht, dass jeder Braten, den wir uns dampfend auf den Tisch stellen, zuvor ein Leben gekostet hat.
Das Rupfen bereitete Schwierigkeiten, obwohl ich die Federn sofort nach dem Töten aus der noch warmen Haut zog. Ich wollte es gleich erledigen, da mir bei minus Dreißig Grad schnell die Finger steif wurden und schmerzten. Vielleicht hätte ich das Huhn doch kurz abbrühen sollen. An den Flügeln ließen sich die großen Schwungfedern nur schwer herausziehen, so dass ich schließlich eine Zange zu Hilfe nahm. Die letzten Fusselchen sengte ich über dem Feuer ab. Nach dem Ausnehmen und Waschen war es dann ein ordentlich vorbereiteter Braten, fast wie aus dem Supermarkt.
Heiligabend war voller Weihnachtslieder und Kerzenschein. Wir haben gemeinsam eine Flasche Sekt getrunken. Die Kinder bekamen selbstgemixte Apfelschorle. Zuvor gab es Kartoffelbrei und Bratwurst, die ein Kollege extra aus Deutschland für uns mitgebracht hatte. Leider war hier kein Sauerkraut aufzutreiben, doch zauberten wir aus eingelegtem Gemüse etwas ähnlich Schmeckendes. So waren alle zufrieden.
Echte Weihnachtsbäume gab es hier in der Halbwüste nicht. In der Stadt wuchsen durch Bewässerung mühsam einige Pappeln. Am Flussufer standen einzelne Weiden und in einer Felsschlucht wilder Sanddorn. Die nächsten Nadelbäume gab es etwa Fünfhundert Kilometer entfernt in den Bergen im Norden. Nicht einmal Tannenzweige waren hier zu beschaffen. So musste es ein leidlicher Plastikbaum tun, der aber mit der elektrischen Lichterkette und den Kerzen auf dem Adventsteller für eine so stimmungsvolle Beleuchtung sorgte, dass die Kinder uns den gesamten Abend verboten, das Deckenlicht anzuschalten.
Am ersten Feiertag füllte ich das Hühnchen mit Apfelstücken und ein paar Stängeln Beifuß, der hier in der Steppe wächst. Im Backofen wurde ein köstlicher Braten daraus. Das Fleisch war etwas fest aber nicht zäh. Die Haut wurde schön knusprig. Die Familie war begeistert. Selbst das Rotkraut und die Kartoffelklöße gelangen.
Am nächsten Tag luden wir die Verwandtschaft meiner Frau ein. Es kamen die Eltern, drei Brüder, die Schwester, ein Schwager und vier Söhne. Unsere Töchter begrüßten die Gäste mit Freude und beobachteten genau, wie jeder, der mongolischen Sitte entsprechend, einen Geldschein zwischen die Zweige des Weihnachtsbaumes steckte. Beim Abputzen des Baumes bekommen das die Kinder.
Wir hatten, wie hier üblich, einen Riesentopf voll Hammelfleisch vorbereitet, dazu selbstgebackenes Brot und gedünstete Teigtaschen, mehrere Salate und Wurstteller, es gab Wodka und Sekt. Kaum waren diese Gäste gegangen, erschienen zwei alte Freundinnen meiner Frau, der jüngste Bruder und ein Cousin. Wieder aßen und tranken wir und sangen schließlich bis in die Nacht hinein.
Noch nie hatte ich so viele Glückwünsche zu einem Weihnachtsfest erhalten, nie die Kinder so viel Schokolade und Bonbons. Und der Weihnachtsbaum steckte voller Geldscheine. Ein gutes Jahr lag vor uns.

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Das sollte jeder einmal erlebt haben. Vielleicht gäbe es dann keine Massentierhaltung.:frowning:

Der Schluss ist m.E. auch rund. Der erste war für mich irgendwie kein Schluss, das erschien mir einfach nur abgerissen.

Glückwünsche zu Weihnachten, ich weiß nicht, ob das so richtig zusammenpasst. Glückwünsche haben für mich eher etwas mit Geburt- und Namenstag zu tun oder zum Neujahr.