Wie komme ich nach Unterbrechung wieder in mein angefangenes Projekt rein?

Hallo Zusammen

Ich habe ein kleines Problem und hoffe sehr, dass mir jemand hier mit Tipps, oder eigenen Erfahrungen weiterhelfen kann…

An meinem momentanen Roman-Projekt bin ich schon länger dran und habe geschätzte 2/3 davon auf Papier gebracht, den Rest habe ich in Handlungssträngen aufgeteilt festgelegt und weiss recht genau, was vor mir liegt.

Normalerweise - für mich - ideale Bedingungen zum Schreiben. Ich hatte bisher auch nie ernsthafte Zweifel, ob ich den Roman zu Ende schreiben kann. (Es ist auch nicht der erste, obwohl die vorherigen nur für die Schublade waren… :slight_smile: ) Ich liebe das Schreiben, es macht mich glücklich und auch wenn es manchmal anstrengend war, so ist es üblicherweise eher so, dass ich daraus Energie gewinne, als Energie aufwenden musste.

Allerdings hat sich mein Leben vor einigen Monaten abruppt verändert, und ich bin aus einer schwierigen privaten Situation heraus nicht mehr zum Schreiben gekommen. Jetzt bin ich durch den längeren Unterbruch völlig aus dem Geschehen raus und weiss nicht mehr, wie ich wieder rein kommen kann.

Wenn ich zuvor jeweils eine leichtere Schreibblockade hatte, dann lag es normalerweise daran, dass etwas mit den Figuren meiner Geschichte nicht gestimmt hat. Und mein Bauchgefühl hat mich dann so lange nicht in Ruhe gelassen, bis ich die richtige Anpassung gefunden habe, dann ging es wieder wie geschmiert weiter. Meistens hat das der Handlung dann auch unvermittelt neuen Schwung gegeben und ich war wieder im Schreibfluss drin.

Aber diesmal bin ich völlig festgefahren.

Ich setze mich hin, starte den Laptop auf, oder lege mir Papier und Lieblingsstift bereit und dann…

Nichts.

Gähnende Leere im Kopf.

Irgendwie komme ich einfach nicht weiter.

Zwar ist mir die Handlung, der weitere Ablauf klar, aber meine übliche Verbindung zu den Figuren und dem Geschehen fehlt. Ansonsten habe ich immer mit meinen Charakteren mitgefiebert und mitgezittert, manchmal während des Schreibens auch unvermittelt selbst grinsen müssen, oder atemlos weiter geschrieben, weil sich der Protagonist in etwas rein geritten hatte, in dem ich ihn unmöglich für die nächsten Tage schmoren lassen konnte…

Jedenfalls war ich irgendwie immer mit den Figuren und der Geschichte verbunden, habe stets gewusst, wie diese in einer Situation reagieren, was sie sagen/tun würden - oder eben auch nicht, und mein Problem war lediglich die begrenzte Schreibzeit. (Neben Arbeit und zwei kleinen Kindern…)

Jetzt ist es völlig anders.

Mir fehlt die gefühlsmässige Verbindung zu den Figuren irgendwie und ich komme überhaupt nicht mehr in den Schreibfluss hinein. Ich habe plötzlich eine Distanz zu allem, an die ich mich nicht gewöhnt bin und von der ich nicht weiss, wie ich sie wieder überwinden kann.

Vielleicht hat jemand hier ja schon einmal ein ähnliches Problem gehabt und kann mir mit einem Tipp weiterhelfen?

Ich wäre sehr froh, denn ich möche den Roman sehr sehr gerne zu Ende schreiben, wäre wirklich schade um die tolle Story und die Charaktere, die mir unterdessen auch sehr ans Herz gewachsen sind :slight_smile:

Herzlichen Dank schon mal im Voraus!

Beatrice :slight_smile:

Aw: Wie komme ich nach Unterbrechung wieder in mein angefangenes Projekt rein?

Hallo Beatrice,

ich leide an dem Problem sogar öfter, als mir lieb ist. Ich schreibe sehr gern, aber manchmal habe ich 6 Monate Unterbrechung. Wenn mir so etwas passiert, dann gibt es für mich zwei Lösungsansätze (naja, eigentlich drei, aber der dritte findet selten Anwendung):

  1. Alles komplett durchlesen - auch wenn ich glaube, schon alles zu wissen, was ich geschrieben habe und es vor Augen habe, hilft mir das ungemein. Weil es mich richtig zwingt, mich mit dem bereits Niedergeschriebenen zu befassen und wieder reinzukommen.

  2. Ich nehme mir einen oder mehrere Charaktere und schreibe eine Kurzgeschichte. Sie dreht sich entweder darum, wie sich zwei Chars kennengelernt haben oder was sie auseinandergebracht hat oder welches Schlüsselereignis in der Vergangenheit sie zu dem gemacht hat, was sie heute sind. Diese Kurzgeschichte ist absolut nicht immer Teil des eigentlichen Romans. Oft spielt sie lange davor oder auch manchmal danach. Es geht nur darum, wieder einen Draht zu den Charakteren zu bekommen.

  3. Das berühmte Interview mit einem Hauptchar. Berühmt deshalb, weil viele Schreibratgeber das zur Charaktererstellung empfehlen. Mache ich aber nicht. Ich nehme dieses Werkzeug zum Wiederreinkommen. Wichtig dabei ist mir persönlich, dass ich als Frager gnadenlos nachbohre und auf wunde Punkte drücke. Und zwar so lange, bis eine klare Antwort vor mir liegt und kein Herumgedruckse. Dabei bin ich nicht darauf aus, die perfekte Frage zu formulieren, die eine perfekte Antwort nach sich zieht. Ich hake manchmal konkret mehrfach nach, suche als Kritiker Widersprüche und präzisiere durch neue Fragen. Wie bei einem Kreuzverhör. Das ist viiiiiiieeeel leichter, als gleich eine Frage zu stellen, die genau den wunden Punkt trifft. Scham oder Taktlosigkeit gibt es da nicht, da es ja fiktiv ist.

1 „Gefällt mir“

Aw: Wie komme ich nach Unterbrechung wieder in mein angefangenes Projekt rein?

Hallo Rabenvogel

Danke für die schnelle Antwort und die guten Tipps. Werde sie genau in der Reihenfolge ausprobieren! : )

Es ist auch irgendwie eine Erleichterung, dass es anderen ähnlich geht. Da wiegt das Problem schon etwas weniger schwer.

Ich hoffe, dass ich dann bald wieder munter schreibend anzutreffen bin dumdidum : )

Danke und Grüsse

Beatrice

Aw: Wie komme ich nach Unterbrechung wieder in mein angefangenes Projekt rein?

Ich wünsche dir ganz, ganz viel Erfolg dabei. :slight_smile:

Ich kann dem Rabenvogel nur zustimmen. Am Besten ist es, das bisherige Werk noch einmal komplett zu lesen. Dabei gibt es noch einen interessanten Nebeneffekt. Dadurch, dass man die Unterbrechung hatte, hinterfragt man seine Geschichte bzw. die Figuren. Ich habe jedesmal erlebt, dass ich viele kleine Ungereimtheiten entdeckt habe, die mich im tiefsten Innern immer gestört haben.
Alles wurde besser.
Also…viel Spaß auf der Entdeckungsreise.

Laut vorlesen ist auch nicht schlecht, selbst dann, wenn man allein ist. Fehler fallen auf, man denkt darüber nach, Inhalte kommen einem strubbelig vor. “Aber ich habe mir doch was dabei gedacht!” – Dieser Gedankengang kommt von ganz allein und schon ist man wieder drin - zumindest in den Überlegungen.

Ich selbst habe ein ganz anderes Problem. Seit Februar arbeite ich an einem Liebesroman, der nun auch brach liegt. Ich möchte mich von anderen Liebesromanen abheben, weil ich nicht “pilchern” möchte. Also habe ich mir etwas Besonderes ausgedacht. Nun ist es so besonders, dass ich nicht weiß, was ich davon halten soll.
Meiner Ansicht nach ist es unumgänglich, Position zu beziehen - negativ oder positiv ist egal. Platt ausgedrückt (als Beispiel: Ich schreibe einen Gruselroman über Zombies, dann muss ich mir darüber im Klaren sein, ob ich daran glaube oder alles für Humbug halte). Wenn ich mir darüber im Klaren bin, kann ich entsprechend als Beobachter auftauchen, meine Protagonisten positiv darstellen oder deren Untergang herbeiführen. Aber wie finde ich zu meiner eigenen Meinung bei einem Thema, das im Endprodukt nicht abgegriffen wirken soll?

Das ist eine interessante Frage. Ich denke, es bleibt nicht aus, irgendwann Position zu beziehen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass man sich verzettelt. In dem “Zombi”-Beispiel sollte man nicht an “Humbug” denken sondern den Umstand als gegeben hinnehmen, der da heißt: Ja, es gibt Zombies! Nur so erfährt man auch selbst die “Gänsehaut”, die einen in der Story weitertreibt.
In dem Liebesroman ist es sicherlich genauso. Ich selbst versetze mich nach einigen Abschnitten immer in die jeweilige Person und überprüfe, wie ich selbst auf die jeweilige Situation reagieren würde. Und da habe ich diesen wunderbaren Moment, dass ich ja nicht zwingend so reagieren MUSS. Das ist jedesmal spannend.

MartyFridz - Herzlichen Dank. Meine beiden Hauptpersonen sind allerdings Lichtjahre von mir entfernt. Trotzdem ist Deine Anregung hilfreich, weil ich mich ja zunächst in meine Nebenfiguren hineinversetzen könnte und auf diesem Weg vielleicht einen persönlicheren Bezug zu den komplizierten Hauptfiguren finden kann.

Nun, jetzt hab ich es auch gefunden!
Ich muss aber zugeben, dass ich noch nicht ganz genau verstehe, was du meinst. Hast du Schwierigkeiten, dich in deine Protagonisten hineinzuversetzen?
Ich verstehe, dass du eine so besondere Idee nicht preisgeben möchtest (würde ich wohl auch nicht wollen), aber das erschwert es mir ein wenig, dir einen konkreten Tipp geben zu können. Ich könnte dir lediglich sagen, was ich tue, wenn ich mich besonders in meine Charaktere hineinversetzen möchte (falls das überhaupt dein Problem ist).

Nun, die Hauptfiguren sind speziell. Wenn es eiskalte Mörder wären, fiele es leicht, Position zu beziehen. Man könnte “positive” Aspekte darstellen, um die Tat erklärbar zu machen, um danach zu dem Schluss zu kommen: ok. Die Tat ist zwar nachvollziehbar, aber dennoch darf man niemanden töten.
Aber in meinem konkreten “Liebesfall” weiß ich eben nicht, was ich davon halten soll.

Hey Suse,
ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der Reiz beim Lesen (und beim Schreiben) auch darin liegen kann, dass Dinge nicht positiv belegt sind.
Bei einem Thriller zum Beispiel die Sicht eines Mörders, der seine Tat nicht aus “gutem Grund” sondern zum Spaß begeht.
Beim Film ist es ja inzwischen in Bereichen normal “zu verstören”. Warum sollte das für Bücher nicht gelten?

Ich würde mit Mut weitermachen und schauen wohin der Weg führt.

Hi sebastianM,
klar. Das stimmt. Mein Problem ist, dass ich nicht weiß, ob die Dinge positiv oder negativ belegt sind. Ich habe einen Sachverhalt, von dem ich nicht für mich sagen kann, dass dieser Sachverhalt gut oder schlecht ist. Und diese Entscheidung versuche ich zu finden, damit ich meinem Roman eine Richtung geben kann, die den Leser nicht wie auf einer Autobahn von A nach B führen sollte, sondern über Landstraßen, Sackgassen, Hügel und Täler führt - damit es interessant wird. Emotional soll es ebenfalls sein, doch nicht schleimig, gefühlvoll, aber nicht kitschig.
Es gibt für mich drei Dinge, wie ein Roman enden kann. a) Happy End, b) kein Happy End, c) offenes Ende mit Denkanstößen für den Leser, damit er selbst eine Entscheidung fällen kann, ob das Ende zufriedenstellend ist oder nicht. Dabei komme ich nicht herum, mich selbst irgendwo zu positionieren. Leider schaffe ich das mit meinem Liebesroman derzeit nicht. Ich denke, ich werde wirklich über die Nebenpersonen gehen, mich mit ihnen anfreunden oder sie hassen, um dann zu einem persönlichen Ergebnis zu kommen.
Möglicherweise denke ich auch einfach zu kompliziert.

Ich glaube, dass die Beurteilung, ob etwas gut oder schlecht ist, durch den gesellschaftlichen Konsens geprägt wird.
Lass es doch den Leser entscheiden.

:thinking:

Wenn du selbst nicht weißt, ob das, was du erzählst deinen eigenen Maßstäben entspricht oder nicht - warum begibst du dich nicht einfach mit deinem Roman auf die Suche nach deiner Meinung. Vielleicht ist es ja für deine Leser ebenfalls interessant, sich eine Meinung dazu zu bilden.

Vermutlich wird das die einzige Lösung sein. Danke an alle für die Anregungen.