Mikosh auf Spurensuche

Im Unterschied zu einem normalen Krimi, wo ja Motiv und Täterin oder Täter letztendlich zu erlesen sind, sind diese beiden Dinge das, was der Leser selbst herausfinden soll. Dazu habe ich drei Möglichkeiten eingearbeitet, um den Mordfelidae zu überführen.

  • Die leichte Lösung.

Intuitiv. Allerdings wäre dies dann nicht beweisbar, weil quasi ja nur geraten wird.

  • Die mittlere Lösung.

Man folgt einer ausgelegten textlichen Spur zum Mordfelidae.

  • Die schwere Lösung.

Man füllt eine Matrix aus, wie man sie in Seminaren eventuell mal mitgemacht hat.

Der Förster wohnt im grünen Haus neben dem Bäcker und fährt einen grünen Audi. Wer wohnt im gelben Haus nebenan und welche Farbe hat dessen Auto?

Wobei meine Matrix über alle vier Seiten geht, wobei zwei benachbarte, demselben Thema folgen. Folglich drei Themen am Rande und in die Mitte darin eingeordnet, die restlichen Informationen.

Das Motiv zum Mord, sollte rein textlich herauszubekommen sein.

Jetzt, wo der Text geschrieben ist, plagt mich natürlich die Frage, lässt sich der Rätselkrimi denn auch so lösen, wie ich es gedacht habe?

Wer mag, kann sich ja mal daran versuchen. Und mir eventuell mitteilen, wo es hakt.

Gesucht werden der Name des Mordfelidae und das Motiv.

Frohe Weihnachtstage allen Lesern.

Mikosh auf Spurensuche

  1. Ein toter Kater im Feld

Kater Mikosh genoss die Wärme der mittäglichen Sonne über sich. Sie schien nicht direkt auf sein Fell, sondern wurde durch die Blätter des Kirschbaumes, auf dem er sich befand, teilweise abgeschirmt. Er hatte sich darin, weit oben in eine gerade noch ausreichend tragende Astgabel gelegt und döste. Wobei er die Augen offen hielt und dem Leben auf dem Bauernhof zusah. Allerdings gab es nicht viel zu sehen. Die letzte Bewegung, die Mikosh heute wahrgenommen hatte, war der Sprung von Kater Morle vormittags, vom Baum hinunter auf den Boden. Morle hatte auf einen der untersten Äste gelegen, als Mikosh den Kirschbaum erklommen hatte. Mikosh hatte ihm hörend nachverfolgt, als er in Richtung der Scheune lief und dabei seinen kraftvollen Gang bewundert. Wie der Vater, dachte Mikosh und streckte sich Stolz ein wenig in die Länge.

Morle gehörte zu seinem ersten eigenen Wurf. Er war der Mittlere der drei Kater gewesen und schon früh hatte Mikosh erkannt, dass der dunkelgefärbte Morle keinerlei Ängstlichkeit in seinem Verhalten aufwies. Aber auch der ältere und jüngere Kater dieses Wurfes, hatten sich zu guten Katern entwickelt. So wie es auch die Katzen und Kater aus seinen nächsten zwei Würfen getan hatten. Mikosh war stolz auf seinen Nachwuchs. Auch seine Schwester, die Katze Miu hatte in den vergangenen Jahren zwei Würfe gehabt. Inzwischen gehörte Mikosh mit seinen acht Jahren zu den Führern der Gemeinschaft auf dem Bauernhof. Er hatte die älteren Felidae Kater Maunz, Katze Schnurlie, Kater Justus und Kater Felix abgelöst, die in den letzten zwei Jahren verstorben waren. So war der Lebenslauf. Die Älteren wichen den Jüngeren. Ein immerwährender Kreislauf.

«Mikosh», ertönte es aus weiter Ferne an sein immer aufmerksames Ohr. «Mikosh. Wo bist du? Es ist etwas Schreckliches passiert.»

Mikosh hob sofort seinen Kopf und drehte ihn in die Richtung, aus der die noch ferne Stimme erklang. Kater Brauni stob über den Hof, am Bauernhaus und dem dösenden Kater Weissfell vorbei, in seine Richtung. Brauni schien völlig aus dem Häuschen zu sein, denn dadurch, das er genau auf den Kirschbaum zu lief, wusste Brauni doch, wo er zu finden war. Warum fragte er dann, wo er sei? Mikosh kletterte schnell vom Kirschbaum herunter, was immer etwas schwierig war, da er dazu seine Krallen benötigte, aber diese nur für einen rückwärtsgängigen Abstieg geeignet waren. Mikosh kletterte daher weniger, als das er von Ast zu Ast sprang und wie Morle heute Vormittag, vom untersten Ast direkt auf den Erdboden. Brauni verhielt dicht vor ihm und war völlig aus der Puste. Er musste eine weite Strecke gerannt sein.

«Du musst mitkommen, Mikosh», schnaufte Brauni vor Atemnot. «Der neue Hund vom Nachbarhof hat Kater Tinker getötet.»

Mikosh trauerte kurz dem verstorbenen Hund Muffel nach, als er dies hörte. Muffel hatte Felidae gemocht und besonders Mikosh. Der Hund, auf dem benachbarten Bauernhof, mochte Felidae überhaupt nicht. Er war gefährlich und alle Felidae mieden sein Revier, das am Bach zwischen den beiden Bauerhöfen begann. Mikosh bezweifelte aber, dass der Hund so weit gegangen war, dass er einen Kater aus ihrer Gemeinschaft getötet hatte. Dies passte nicht in das Bild, das sich Mikosh von dem Hund gemacht hatte. Er war gefährlich, aber das auch nur, wenn man sein Revier betrat. Es musste also mehr passiert sein, als es den Anschein hatte. Ein Rätsel tat sich auf.

«Führ mich hin», sagte Mikosh zu Brauni. «Und nicht rennen, wir haben Zeit. Ein toter Kater läuft nicht weg.»

Es fiel Brauni sichtlich schwer, nicht zu rennen. Mikosh half ein wenig, indem er mit schnellen Schritten folgte und so den Anschein des nicht Rennens wahrte, aber doch schnell unterwegs war. Brauni führte Mikosh quer über den Hof hinweg zum Bach hinüber und sprang hinüber. Mikosh verharrte nur kurz im schmalen feuchten Erdboden direkt neben dem Bachlauf und überlegte während des Sprunges, ob seine Annahme über den Hund noch richtig war. Denn, wenn Tinker sich in das Revier des Hundes begeben hatte, sah alles wieder anders aus. Die andere Seite des Baches gehörte zum Revier des Hundes.

«Hier ist es geschehen», maunzte Brauni leise. «Hier ist Tinker vom Hund getötet worden.»

Tinker, ein recht alter Kater, lag leblos am Boden. Dicht neben dem Beginn des noch hochstehenden Maisfeldes. Die Erntezeit würde aber in den nächsten Tagen beginnen, wusste Mikosh. Er sah auch sofort die tiefen Wunden in der Kehle von Tinker. Der Boden war nicht aufgewühlt und es gab nur die gut sichtbaren Pfotenabdrücke, die Tinker, auf seinem Weg vom Maisfeld kommend, bis hierher hinterlassen hatte. Es waren diese Pfotenabdrücke, die in Mikosh einen Zweifel weckte. Sie waren tief in den Boden eingedrückt. Felidae liefen aber eher leichtfüßig. Und Tinker wog auch nicht so viel, als das er solch tiefe Pfotenabdrücke hinterlassen konnte. In Richtung zum Bach gab es ebenfalls Auffälligkeiten. Das Gras lag nicht so, wie überall um sie herum.

«Tinker ist unzweifelhaft getötet worden», stellte Mikosh fest. «Nur nicht an diesem Ort und auch nicht vom Hund.»

  1. Mikosh am Tatort

Während Brauni, verwundert zusah, wie Mikosh um den getöteten Tinker herumstreifte, erklärte er, wie er zu der Ansicht gelangt war, das Tinker nicht an diesem Ort und auch nicht vom Hund getötet worden sein konnte.

«Es sind drei Dinge, die nicht Passen», erklärte Mikosh. «Ein Hund beißt sein Opfer in die Kehle, er reißt sie aber nicht mit seinen Krallen auf. Zudem liegt kaum Blut unter Tinker. Wo ist es hin? Und ich glaube nicht, dass Tinker sich nicht gewehrt hat. Es fehlen aber Spuren eines Kampfes.»

«Womöglich lief Tinker noch schwerverletzt durch das Maisfeld und versuchte unseren Bauernhof zu erreichen», dachte Brauni laut nach.

«Ja», sinnierte Mikosh leise, wobei er seinen Blick immer wieder woanders hinwandte. «Tinker kam vom Maisfeld und wollte zum Bach. Die Spuren zeigen es deutlich. Es fehlen aber Blutspuren!»

«Er war in Eile und trat daher auch fester auf, Mikosh», mutmaßte Brauni und begann zu schnuppern. «Ich kann keine Geruchsspuren wahrnehmen. Zu viele duftende Blumen hier.»

Auch Mikosh hatte schon geschnuppert, aber kaum einen Geruch wahrnehmen können. Jetzt im Herbst blühten noch viele Blumen an den Feldrändern herum und überdeckten die geruchlichen Spuren vorbeilaufender Felidae. Mikosh folgte der Spur des falsch liegenden Grases bis zum Bach. Der war an dieser Stelle nicht breit. Mikosh sprang leichtfüßig hinüber und fand den Tatort nur wenige Meter entfernt. Auf ihrer Seite des Baches. Damit stand eindeutig fest, dass es der Nachbarhund nicht gewesen sein konnte, denn der achtete auf sein Revier. Was bedeutete, dass er dessen Grenzen nicht überschritt.

«Hier wurde Tinker von einen von uns getötet», sprach Mikosh das Offensichtliche aus.

«Es war einer von uns?», miaute Brauni laut auf.

«Die Hinweise sind eindeutig», entgegnete Mikosh. «Der Mordfelidae, ich nenne ich einfach mal geschlechtsneutral, hat Tinker an diesem Ort aufgelauert und ihm die Kehle aufgeschlitzt. Sieh dir die dunkle Stelle auf dem Boden an, Brauni. Dort ist das fehlende Blut, das Tinker verlor, im Erdboden versickert.»

«Und von hier aus sprang Tinker über den Bach und lief schwerverletzt, noch in das Revier des Hundes hinein?», fragte Brauni zweifelnd. «Das erscheint mir unsinnig. Dafür zeigen die Spuren auch in die gegensätzliche Richtung.»

«Es sei denn, er spürte seinen Tod nahen und hatte die Absicht, einen einsamen Ort, wie zum Beispiel inmitten des Maisfeldes dort drüben, aufsuchen», antwortete Mikosh. «Aber dafür weisen die Spuren in die falsche Richtung.»

Mikosh spielte damit auf die Eigenheit der Felidae an, sich im Fall ihres nahen Todes an einen ruhigen und einsamen Ort zurückzuziehen. Brauni hatte aber recht, wenn auch auf andere Weise. Warum sollte Tinker auch schwerverwundet in das Revier des Hundes laufen? Er war von einen Felidae ihrer Gemeinschaft angegriffen worden und würde daher eher alle anderen Felidae der Gemeinschaft warnen wollen. Wieso lag er nun dort drüben - im Revier des Hundes?

«Warum warst du auf der anderen Seite des Bachs?», fragte Mikosh und ging zum Bachlauf zurück.

«Ich bin mit Morle mittags an der Straßenbrücke verabredet», berichtete Brauni. «Ich wählte den Weg auf der anderen Bachseite. Ich fürchte den Hund nicht.»

«Das ist merkwürdig!», murmelte Mikosh leise.

«Ich kann an meinem Weg auf der anderen Bachseite, nichts Merkwürdiges finden», entgegnete Brauni.

«Ich auch nicht», antwortete Mikosh. «Meine Äußerung hängt mit diesen zwei Pfotenabdrücken hier, auf unserer Seite des Baches, zusammen. Wo kommen sie her? Unsere sind es nicht, denn wir sprangen dort hinten über den Bach. Es sind auch tiefere Abdrücke als normal für einen Sprungabdruck der Hinterpfoten.»

Mikosh sprang über den Bach und versuchte mit seiner feinen Nase, den Geruch, der dem Gras anhaften musste, aufzunehmen. Aber der Blumenduft überdeckte jeglichen Geruch. Er fand hier keinerlei Pfotenabdrücke, aber wieder anders liegendes Gras. Als ob etwas Schweres durch das Gras geschleppt worden war.

«Etwas Schweres, wie einen toten Kater. Der auf unserer Seite getötet und dann ohne Spuren zu hinterlassen, über den Bach getragen wurde.», murmelte Mikosh leise vor sich hin. «Dabei sollte der Anschein erweckt werden, als ob der Hund, einen der Unsrigen getötet hätte.»

«All dies kannst du aus den Spuren erkennen?», fragte Brauni erstaunt.

«Das ist gar nicht mal so schwer», antwortete Mikosh. «Aber warum?»

«Damit wir keinen Artgenossen verdächtigen?», erwiderte Brauni.

Mikosh sah Brauni überrascht an. Natürlich, dachte er. Genau deswegen!

  1. Katze Summi

Brauni wirkte verwirrt, als sich Mikosh, nach seiner intensiven Spurensuche, der Straße zuwandte.

«Aber Mikosh, die Spuren weisen doch zu unserem Bauernhof! Wieso gehst du nun in Richtung der Straße?»

Mikosh hielt in seinem Schritt inne und wandte sich Brauni zu.

«Tinker war unterwegs in Richtung der Straße», überlegte Mikosh laut, «und dort sollten wir uns zuerst umsehen. Denn vermutlich kam von dort der Mordfelidae.»

Brauni schüttelte verwirrt seinen Kopf, folgte Mikosh aber. Der Weg am Bach entlang, war nicht lang und Mikosh musste sich auch nicht um den Hund vom Nachbarshof sorgen. Dessen Annäherung würden sie rechtzeitig hören und dann schnell über den Bach zurück auf ihre Seite springen. Nein, der Hund war keine Gefahr für sie. Und er war es auch nicht für Tinker gewesen. Es gab ein Mordfelidae unter ihnen, dessen war sich Mikosh sicher.

Als Mikosh, gefolgt von Brauni, die Straßenbrücke erreichte, stromerte die Katze Summi auf der anderen Straßenseite, dicht an dem Dornenfeld herum. Nur schwer wahrzunehmen mit ihrem dunklen Fell, vor den ebenfalls dunklen Dornenstängeln. Mit schnellen Blicken schätzten Mikosh und Brauni die Gefahr von sich bewegenden Autos ab und huschten, auf einer feuchten Erdkrumenspur die zeigte, das seine Artgenossen immer an dieser Stelle die Straße überquerten, zu ihr hinüber.

«Hallo Summi», begrüßte Mikosh sie. «Es gab einen Mord unter Unsresgleichen, den ich versuche aufzuklären. Würdest du mir einige Fragen beantworten?»

Summi sah ihn überrascht an, während sie sich auf ihre Hinterbeine setzte. Ihr Blick wanderte von Mikosh hinüber zu Brauni und wieder zurück. Sie begann sich zu putzen, was Mikosh als Aufforderung verstand, seine Fragen zu stellen.

«Welche unserer Art hast du heute, wann und wo, gesehen.»

«Heute Vormittag war ich zusammen mit Kater Rotauge am umgestürzten Baum. Ich stromerte dann alleine hierher und sah mittags Morle auf der anderen Straßenseite auftauchen. Ich sprach kurz mit ihm. Einige Zeit später, verschwand er.»

«Mit Morle war ich hier verabredet, Mikosh», warf Brauni ein.

Mikosh wusste dies schon, nickte daher auch nur kurz mit dem Kopf.

«Mittags tauchte dann Rotauge, inmitten der wilden Müllhalte auf.»

«Wirkten beide anders als sonst?», fragte Mikosh.

«Nein», antwortete Summi.

«Was tat Rotauge auf der wilden Müllhalde?», fragte Brauni dazwischen.

«Da Rotauge zu den schwächeren Katern der Gemeinschaft gehörte, jagt er oft auf der wilden Müllhalde, da er dort am leichtesten, an vorwitzige Mäuse und Ratten kommt.»

«Ja», bestätigte Mikosh. «Dies war mein erster gemeinschaftlicher Beschluss und ich habe noch keinen Felidae getroffen, der dagegen verstieß.»

«Nicht alle Felidae sind erfolgreiche Jäger», bestätigte Summi. «Es ist gut, das unsere Gemeinschaft sie unterstützt. Du bist ein guter Führer unserer Gemeinschaft.»

Mikosh nickte nur, während er Summis putzen beobachtete. Sie gehörte mit zu den erfolgreicheren Jägern. Rotauge mit seinem gemischtfarbigen Fell hatte dagegen das Privileg der Gemeinschaft erhalten, ungestört auf der wilden Müllhalde zu jagen. Er gehörte mit zu schwächeren Felidae, der nicht mehr mit den Jüngeren mithalten konnte, was das Jagen anging. Nur so bekam er die Möglichkeit, sich noch selbst mit Nahrung versorgen zu können und nicht mehr, wie früher, von den Jüngeren damit versorgt zu werden. Mikosh hatte dies bei seiner ersten geführten Versammlung vorgeschlagen und fast alle Felidae der Gemeinschaft hatten ihm zugestimmt.

Während Brauni sich leicht am Boden schnuppernd zur Straße hin entfernte, putzte Mikosh sich und beobachtete Summi genau. Sie war eine normalgebaute Katze und schlief, wie auch Tinker, in der Scheune zwischen den Heuballen. Dies war auch ein weiteres Anliegen Mikoshs, das er auf der nächsten Versammlung ansprechen wollte. Einen warmen Schlafplatz für alle älteren Felidae. Momentan hatten einige der älteren Felidae im Winter immer Schwierigkeiten, ihre Muskeln für die tägliche Jagd nach einer kalten Nacht wieder aufzuwärmen.

«Als du heute Morgen die Straße zur Wiese hin überquertest, gab es da Felidae, die du dort gesehen hast?», fragte Mikosh.

«Am Toreingang zu unserem Bauernhof döste Kater Stromer, Katze Grummelchen und Kater Peterle», erwiderte Summi. «Rotauge kam dann wenig später, zu mir an den umgestürzten Baum.»

«Danke Summi», wobei Mikosh mit dem Putzen aufhörte. «Richte es bitte ein, dass du heute Abend auf dem Hof bist. Ich hoffe bis dahin, den Mordfelidae ausfindig gemacht zu haben. Brauni wird dich erwarten.»

Summi nickte zustimmend und Mikosh folgte der Straße zum Zugang der wilden Müllhalde.

  1. Kater Rotauge

Mikosh und Brauni trafen auf Rotauge, gleich nachdem sie den tiefen Spalt im Boden über ein dreckiges Brett überquert hatten, der auf die Wiese und sich gleich neben der wilden Müllhalde befand. Rotauge wurde seines Namens gerecht. Ein schwarzer Kater mit rötlichen Augen.

«Hallo Mikosh, hallo Brauni», begrüßte Rotauge sie.

Wobei er flehmte, indem er viel Luft, in kurzer Zeit, über seine empfindliche Zunge streichen ließ.

«Mit Tinker stimmt etwas nicht», sprach Rotauge anschließend aus, «mit ihm ist etwas passiert.»

Auch Mikosh flehmte kurz und schmeckte die feinen Duftpartikel von Tinker. Sie schmeckten nicht wie sonst.

«Tinker ist getötet worden», bestätigte Mikosh. «Welche Felidae kannst du noch Flehmen?»

«Summi, Morle, Weissfell, Stromer, Brauni und Dich», gab Rotauge stolz zurück.

Mikosh erinnerte sich, dass er Weissfell auf dem Hof gesehen hatte, als er von Brauni zum Tatort geführt worden war. Der Wind wehte schon den Tag über von ihrem Bauernhof herüber. Und anhand der Namen erschloss sich Mikosh auch, das Stromer sich nicht weit von Weissfell aufhielt. Und gleichzeitig wurde ihm noch etwas bewusst. Zwar hatte Rotauge das feinste Flehmgespür in ihrer Gemeinschaft, aber der Mord an Tinker würde schneller die Runde machen, als es Mikosh recht war.

«Ich habe eine Aufgabe für dich, Brauni», wandte Mikosh sich daher seinem Begleiter zu. «Informiere bitte alle Felidae unserer Gemeinschaft, dass Tinker getötet wurde, und sorge dafür, dass jeder von ihnen an dem Ort bleiben soll, an dem du sie angetroffen hast. Ich werde sie alle heute Nachmittag noch aufsuchen. Bleib dann bitte auf dem Hof. Wir kommen dann alle zu dir.»

Brauni rannte sofort los. In Richtung des Felsens auf der Wiese. Mikosh sah ihm nur kurz hinterher.

«Wie wurde Tinker getötet?», fragte Rotauge, «und vor allem, warum? Er war alt und ist als Konkurrenz, um eine Katze, keine Gefahr mehr für einen jüngeren Kater.»

«Letzteres ist eine Frage, die ich klären will», antwortete Mikosh. «Ersteres ist geklärt. Tinker starb, weil ihm die Kehle aufgeschlitzt wurde. Was mich zu meiner ersten Frage führt. Wo warst du vormittags und mittags?»

«Von meinem Schlafplatz aus lief ich zu Katze Lichthell im Hühnerstall. Sie hat meist eine Maus für mich. Von dort aus machte ich mich vormittags dann zum umgestürzten Baum auf», berichtete Rotauge. «Dann mittags hierher, zur wilden Müllhalde.»

Mikosh wusste, das Rotauge seinen Schlafplatz in einem Buschwerk nahe der Straße hatte. Ein zwar windgeschützter Ort, aber im Winter recht kühl. Mikosh kannte ihn, weil Morle ebenfalls in dem Buschwerk seinen Schlafplatz gefunden hatte. Lichthell dagegen hatte ihren Schlafplatz im warmen Hühnerstall gefunden. Geduldet von den Hühnern, die dadurch vor ihren nächtlichen Feinden geschützt wurden. Von den Mäusen, die sie fing, hielt des Öfteren eine für Rotauge zurück.

«An der Straße stromert Summi mit ihrem schönen dunklen Fell herum», berichtete Rotauge weiterhin. «Ich mag sie, habe aber kaum eine Chance bei ihr.»

«Du flehmtest Morle, Weissfell und Stromer», begann Mikosh seine zweite Frage zu stellen. «Hast du einen von ihnen gesehen?»

«Ich sah Morle vor kurzem hier vorbeistromern», antwortete Rotauge. «Er verschwand auf der Wiese. Er ist ein guter Wächter. Mit seinem dunklen Fell kann er sich gut in der Nacht verbergen. Schon zweimal konnte er den Luchs vertreiben.»

Mikosh erinnerte sich dabei an sein erstes Zusammentreffen mit einem Luchs. Damals war er noch jung gewesen und wusste nichts über die Gefährlichkeit dieses Räubers.

«Weissfell sah ich heute noch nicht», berichtete Rotauge weiter. «Er wird aber die Nähe zu Morle meiden, da sie sie sich beide nicht mögen. Sie gehören ja beide auch zu den kräftigsten Katern unter uns und messen daher oft ihre Kräfte. Stromer sah ich heute noch nicht.»

«Danke Rotauge», und begann selbst damit, sein Fell zu putzen.

Mikosh brauchte ein wenig Zeit, um nachzudenken. Und eine Fellpflege war dazu immer ein gutes Mittel. Sein Ziel musste es sein, alle Felidae des Bauernhofes nach ihrem Aufenthaltsort und nach Sichtungen von Artgenossen zu fragen. Mit etwas Glück und einer genauen Analyse musste es ihm möglich sein, anschließend den Mordfelidae in ihrer Gemeinschaft, ausfindig zu machen. Der Mord an Tinker war am Vormittag geschehen. Nun war es Mittag geworden. Mikosh sah in Richtung der Wiese und flehmte nach der Duftspur von Brauni. Als er sie fand, folgte er ihr.

«Sei bitte heute Abend auf dem Hof», rief Mikosh noch zu Rotauge zurück. «Brauni wird dich erwarten.»

Dann folgte er Braunis hinterlassener Duftspur. Sie führte ihn in Richtung des Felsens auf der Wiese, die sich hinter der wilden Müllhalde befand.

  1. Katze Grummelchen

«Hallo Mikosh,» wurde Mikosh begrüßt, kaum das er die wilde Müllhalde verlassen hatte. «Brauni informierte mich eben aufgeregt über das gewaltsame Ableben von Tinker.»

Grummelchen war nur ein Jahr jünger als er und gefiel Mikosh. Sie hatte ein vollständig weißes Fell, während bei ihm nur die Brust weiss gefärbt war. Sie pflegte es allerdings derzeit nicht besonders gut. Es war teilweise schon verfilzt. Was mit an ihrem Schlaflager gleich neben dem Hühnerstall lag.

«Hallo Grummelchen», begrüßte Mikosh sie mit einem gefühlvollen Stups an den Kopf. «Diesem ‘Gewaltsam’ bin ich derzeit auf der Spur. Dazu benötige ich allerdings einige Beobachtungen von dir und allen anderen Felidae aus unserer Gemeinschaft.»

«Du möchtest erfahren, wo jeder von uns morgens und mittags war und wen wir gesehen haben», stellte Grummelchen klar, «Brauni hatte es zwar eilig, war aber auch informativ.»

Mikosh sah kurz über die Wiese, konnte aber Brauni nicht entdecken. Dafür Peterle auf dem Felsen inmitten der Wiese. Kaum sichtbar mit seinem hellen Fell auf dem ebensogefärbten Felsen. Grummelchen folgte seinem Blick.

«Peterle lag auf dem Felsen, als ich dort vorbeiging», informierte sie ihn. «Vormittags döste ich mit Peterle am Eingang unseres Bauernhofes. Mittags machte er sich dann auf zur Wiese. Lichthell tauchte dann, kurz nach Peterles verschwinden bei mir auf. Gegen Mittag machte ich mich dann selbst auf den Weg zur wilden Müllhalde. Peterle folgte mir, folgte aber nach Überquerung des umgestürzten Baumes, einer anderen Spur.»

Mikosh sah Grummelchen erstaunt an. Alle benötigten Beobachtungen, lieferte sie in einer Aussage. Sie blickte selbstbewusst, aufgerichtet in ihrer normalen Statur, zurück.

«Ist denn etwas in meinen Beobachtungen dabei, dass dir bei der Suche nach dem Täter helfen wird?», fragte sie anschließend.

«Ich nutze die Bezeichnung Mordfelidae, da ich noch nicht herausgefunden habe, ob es ein Kater oder eine Katze war, die Tinker die Kehle aufgeschlitzt hat», erwiderte Mikosh ihr. «Es steht für mich fest, das der Mordfelidae sehr kräftig sein muss, denn er schleppte Tinker über den Bach hinweg. Das konnte er nur springend. Und er legte eine falsche Spur. Ist also intelligenter als die meisten von uns. Momentan ist das aber auch schon alles, was ich herausfand.»

«Und wie willst du den Mordfelidae finden?», fragte sie weiter.

«Indem ich mir ein zeitliches Bild aller Felidae auf unserem Bauernhof mache», erläuterte Mikosh seine Vorgehensweise.

«Um so Festellen zu können, wer zu welcher Zeit, an welchem Ort war», brachte Grummelchen es auf einen Nenner.

«Richtig», bestätigte Mikosh, «und gleichzeitig kann ich so auch Lügen aufdecken, weil Gesehenes von Anderen, diese aufdecken können.»

«Seit wann lügen Felidae?», fragte Grummelchen erstaunt.

Mikosh stimmte ihr zu, indem er kurz mit dem Kopf nickte. Felidae logen nicht, weil sie es nicht konnten. Aus welchem Grund auch sollte ein Artgenosse einen anderen anlügen?

«Das unbewusste Auslassen von Informationen kann durchaus als unbewusstes Lügen gehört werden», entgegnete Mikosh.

«Und das bewusste weglassen von Informationen wäre dann ein bewusstes Lügen?», gab Grummelchen Mikosh erneut zum Überdenken.

Mikosh sah Grummelchen direkt an. Etwas das Felidae untereinander nur selten taten. Aber Mikosh und Grummelchen kannten sich gut. Sie hatten zusammen Nachwuchs gehabt. Mikosh sah die Intelligenz von Grummelchen in ihren Augen. Sie strahlte ihm entgegen, denn sie hatte nicht unrecht mit ihrer Aussage. Felidae konnten durchaus lügen. Nur nicht direkt.

«Für solche nicht ausgesagten Lügen gehört viel Intelligenz», antwortete Mikosh ihr. «Und soweit ich der Spur des Mordfelidae bisher folgen konnte, ist er intelligent.»

«Mordfelidae. Er», Grummelchen maunzte dabei leise, «du bist in deiner Wortwahl nicht konsequent, wenn es dir darum geht, anzuzeigen, dass du nicht weist, ob der Mordfelidae eine Katze oder ein Kater ist. Aber wie ich gerade höre, bin ich ebenso inkonsequent damit.»

Grummelchen schüttelte ihren Kopf und wandte sich dann in Richtung der wilden Müllhalde ab. Mikosh blickte ihr verzaubert nach und flehmte ihrem Geruch nach. Ihre Intelligenz faszinierte ihn jedes Mal aufs Neue. Zum Herbst hin wollte er, aber wieder einmal, um sie werben. Seine erste Nachkommenschaft hatte sie ihm geschenkt. Drei junge Kater. Wobei aber zwei von ihnen, letztes Jahr in Richtung des ehemaligen Sees der Wildkatzen fortgewandert waren. Sie hatten die immense Neugierde von Ihm geerbt und waren ihr gefolgt. Möglicherweise würden sie eines Tages wieder auftauchen, denn den See der Wildkatzen gab es ja nicht mehr. Mikosh war jedenfalls stolz auf sie.

  1. Kater Peterle

Mikosh betrachtete den großen Felsen auf der Wiese einige Augenblicke lang. Er kam ihm kleiner vor als bei seinem ersten Besuch vor acht Sommern. Damals war er allerdings selbst auch nur halb so groß gewesen, wie heute. Die Perspektive hatte sich nur gewandelt, denn der Felsen hatte seine Größe beibehalten. Oben auf ihm gab es eine kleine Kuhle, in der sich nach einem Regenschauer immer etwas Wasser sammelte. Da Felidae Wasser und Nässe nicht so mochten, aber Peterle gerade auf dem Felsen döste, musste der Felsen oben trocken sein. Eine konsequente Gedankenkette.

«Beobachtest du, wie der Felsen langsam kleiner wird?», vernahm Mikosh von oben herab. «Könnte mehr als deine neun Leben lang dauern.»

«Und wenn ich bedenke, dass ich am See der Wildkatzen eines davon schon verloren habe…», erwiderte Mikosh und sah nach oben.

Peterle hatte sich auf seine Vorderpfoten erhoben und sah zu ihm hinab.

«Brauni kündigte dein Kommen an», sprach er und sprang elegant auf den Boden, zu Mikosh hinab. «Du suchst einen Mordfelidae, berichtete er recht hastig, als er hier vorbeirannte. Ich solle auf dein Eintreffen warten. Nun, ich hatte eh nicht vor wegzugehen. So wie dieser Felsen.»

«Brauni ist jung und ungestüm. Und er brauchte eine Aufgabe.»

«Die er mit Bravour meistert.»

Mikosh musterte Peterle. Er war schlank, was ein Hinweis auf einen Mangel an ausreichender Ernährung war. Zudem hatte er schon seit letzten Winter kein warmes Schlaflager mehr. Im Sommer nichts Schlimmes, denn da war es nachts auch recht warm. Aber den letzten Winter hatte er nur schwer durchgestanden. Wegen ihm und einiger anderer Felidae, die keinen warmen Schlafplatz hatten, wollte Mikosh den nächsten gemeinschaftlichen Beschluss erreichen. Allerdings fehlte ihm noch der entscheidende Gedanke für dessen Umsetzung. Warme Schlafplätze gab es nicht in ausreichender Menge auf dem Bauernhof. Dazu war ihre Gemeinschaft inzwischen zu groß geworden. Ein Stups holte Mikosh aus seinen Gedankengängen.

«Willst du nicht wissen, wo ich war und was ich gesehen habe?», fragte Peterle dabei. «Das macht man doch, wenn man auf der Suche nach einem Mordfelidae ist. Man könnte allerdings auch jeden Felidae aus unserer Gemeinschaft fragen, ob er Brauni getötet hat.»

Mikosh stimmte Peterle gedanklich zu. Einfach fragen, wäre die einfachste Möglichkeit. Mikosh kannte keinen Felidae, der ihm nicht wahrheitsgemäß antworten würde. Zweikämpfe kamen immer wieder vor und hin und wieder starb dabei ein beteiligter Felidae.

«Ich habe aber das Gefühl, das unser Mordfelidae diese Frage anders beantworten würde. Ich sprach eben mit Grummelchen darüber», informierte Mikosh Peterle. «Tinker starb nicht in einem Zweikampf. Sein Tod war geplant gewesen und wurde effizient umgesetzt.»

«Was auf ein Motiv hinweist, das unsere Gemeinschaft erschüttern wird», sprach Peterle den Gedanken aus, den Mikosh bisher nicht zu denken wagte. «Womöglich ist es besser, den Mordfelidae nicht zu finden?»

«Probleme innerhalb einer Gemeinschaft löst man nicht, indem man sie ignoriert», widersprach Mikosh. «Man stellt sich ihnen und löst sie. Daher meine Frage an dich nun, wie verlief deine Spur seit heute Morgen und wen hast du wo angetroffen oder gesehen?»

«Ich döste heute Morgen, zusammen mit Stromer und Grummelchen am Toreingang. Mittags tauchte dann Lichthell auf und ich suchte die Wiese, gleich hinter dem umgestürzten Baum, auf. Da Kater Flecki und Stromer dort schon jagten, wandte ich mich dem Waldrand zu und versuchte mein Jagdglück nahe des Zaunes zum Wald. Nachmittags fand ich mich dann hier, auf dem Felsen, ein. Von dort oben aus kann ich weit blicken.»

Mikosh dankte ihm für seine Informationen, indem er kurz mit dem Kopf nickte. Peterle jagte bevorzugt vom Felsen auf der Wiese aus. Durch die etwas größere Beobachtungsweite konnte er dadurch, trotz seiner schwachen Statur, ausreichend Beute machen.

«Wirst du wieder um Grummelchen werben?», fragte Peterle ihn.

«Ich habe es vor.»

«Ich werde dir dieses mal nicht im Wege stehen. Mir gefällt an ihr nicht, dass sie ihr schönes helles Fell so verfilzen lässt. Sie pflegt sich nicht mehr, seitdem eurer erster Wurf uns teilweise verlassen hat. Es scheint ihr nahegegangen zu sein.»

«Ein Grund mit, warum ich um sie werben will. Ein neuer Wurf mit mir, könnte ihr helfen sich wieder zu finden.»

«Dann wist du nächstes Jahr in mir, wahrscheinlich einen Konkurrenten haben», womit Peterle wieder auf den Felsen hinaufsprang. «Es ist noch früh am Nachmittag, um einige Mäuse zu jagen. Brauni teilte mir noch mit, dass du uns alle heute Abend auf dem Bauernhof zu sehen wünscht. Ich werde da sein.»

  1. Katze Flecki

Mikosh kannte den umgestürzten Baum schon so lange, wie er zurückdenken konnte. Im ersten Jahr hatte er allerdings noch grüne Blätter im Sommer getragen. Inzwischen nicht mehr. Auch viele der kleineren Äste waren herabgefallen. Nur die großen Äste besaß der Baum noch. Aber, er lag noch immer über den Bach und schuf so eine Verbindung zwischen dem Bauernhof und der Wiese. Alle Felidae des Bauernhofes nutzen ihn, um auf die Wiese zu gelangen.

Aus einem mitgehörten Gespräch mit dem Bauern ihres Bauernhofes wusste Mikosh, das der Jäger sich für den Baum nicht zuständig fühlte, da er ja nicht im Wald umgefallen war. Es war Sache des Bauern, den umgestürzten Baum zu entfernen. Zum Glück für einige aus der Gemeinschaft, tat er dies jedoch bisher nicht. Katze Flecki gehörte zu den mehr Schwächlichen, denn sie war kaum in der Lage, den Bach an einer schmalen Stelle zu überspringen. Ihr rechtes Hinterbein hatte sie sich bei einem Sprung vor vielen Sommern verletzt. Seitdem humpelte sie.

Der umgestürzte Baum war die einfachste Möglichkeit für sie, die Wiese zu erreichen. Ansonsten müsste sie, der Straße folgend, über die Brücke, hin zur wilden Müllhalde. Dort lag ein Brett über den Spalt, der die wilde Müllhalde von der Straße trennte. Allerdings lag dort auch das Revier des Hundes, vom benachbarten Bauernhof. Und eine humpelnde Katze war nicht schnell genug, um dem Hund zu entkommen, wenn der sie in seinem Revier sehen würde. Somit blieb Flecki nur der umgestürzte Baum, um über den Bach, die Wiese oder die wilde Müllhalde zu erreichen und damit letztendlich zu eigenständiger Beute zu kommen. Und am Baum traf Mikosh sie an.

«Hallo Flecki», begrüßte Mikosh sie.

«Hallo Mikosh», erwiderte Flecki. «Unsere Gemeinschaft weis inzwischen schon, was passiert ist. Brauni verweilte nur kurz bei mir, war aber informativ. Tinker hat es also ergriffen.»

«Unfreiwillig», bestätigte Mikosh korrigierend und lieferte Flecki die Begründung nach. «Es war kein Kampf, sondern eine Tötung.»

Flecki bewegte sich zum ersten Mal, nachdem Mikosh sie angetroffen hatte. Etwa dreißig Körperlängen hinter dem umgestürzten Baum hatte sie im Gras gelegen und auf Mäuse gelauert. Sie schritt nun humpelnd einige Schritte auf ihn zu und setzte sich vor ihm auf den Boden. Wobei sie ihr rechtes Hinterbein anders legte, als er es tun würde.

«Ich fühle es nicht, Mikosh», maunzte sie ihm leise zu.

«Ich weis. Aber es sieht komisch aus.»

Mikosh wusste, das Flecki sich ihr rechtes Hinterbein bei einem zu hohen Sprung gebrochen hatte. Seitdem fühlte sie es nicht mehr. Trotz, dass er es wusste, irritierte es ihn immer wieder.

«Ich muss wissen, wo du dich seit heute Morgen aufgehalten hast.»

«Ich habe auf dem Felsen dort drüben die Nacht verbracht. Du weist ja, dass ich kein warmes Schlaflager habe. Der Felsen strahlt aber auch nachts noch die Sonnenwärme vom Tag ab», berichtete Flecki und nickte kurz mit ihren Kopf auf die Wiese hinaus. «Kurz vor der Mittagszeit jagte ich dann in der Nähe des Waldrandes. Stromer jagte da gerade, fast unsichtbar mit seinem gemischtfarbigen Fell, am umgestürzten Baum ein Eichhörnchen, als ich eintraf. Womöglich sollte ich es auch einmal mit Eichhörnchen versuchen. Ich habe ja auch ein gemischtfarbiges Fell.»

«Eichhörnchen sind aber schneller als Mäuse», erwiderte Mikosh. «Bei deiner schwachen Statur, solltest du von dem jagen auf Eichhörnchen absehen. Sie zehrt einen nur noch schneller aus.»

«Und auf meinen drei Beinen bin ich kaum schneller als eine Maus. Eichhörnchen ade», gab Flecki zu. «Stromer ergriff seines aber auch nicht. Dabei ist er mit seinem gemischtfarbigen Fell fast unsichtbar beim Jagen. Mir gefällt aber das helle Fell von Kater Weissfell viel mehr.»

«Du hast Weissfell als möglichen Vater für deinen Nachwuchs in Betracht genommen?», fragte Mikosh interessiert. «Bist du denn der Meinung, dass er dasselbe bei dir im Sinn hat? Immerhin ist er neun Sommer jünger als du.»

«Da wir Katzen jedes Jahr weniger werden, fällt das Auge eines jungen Katers auch schon mal auf eine ältere dreibeinige Katze», antwortete Flecki. «Womöglich ist dies ja der Hintergrund für die Tötung von Tinker. Ein Nebenbuhler weniger in diesem Jahr um unsere Gunst.»

Mikosh musste ihr zustimmen. Es wäre ein möglicher Grund für die Tötung von Tinker. Ein älterer Kater war leichter zu töten, als ein Junger. Und so wäre auch ein möglicher Nebenbuhler um die wenigen Katzen vorhanden. Mikosh zählte gedanklich die Anzahl der Katzen und Kater auf dem Bauernhof durch. Tinker, Brauni, Weissfell, Morle, Stromer, Peterle, Rotauge und er selbst. Dem gegenüber standen Grummelchen, Lichthell, Summi, Flecki und Miu. Wobei Miu schon seit einigen Tagen, krank auf ihrem Schlaflager lag und sich kaum bewegen wollte. Als Mordkatze kam sie daher nicht in Frage. Aus seiner Spurensuche hatte Mikosh sie daher ausgenommen. Sieben Kater, Tinker ausgenommen, zu fünf Katzen. Ja es wäre ein Grund zum Töten.

«Sei heute Abend bitte auf dem Bauernhof», bat er Flecki und sprang auf den umgestürzten Baum, wobei seine Vorderpfoten Erdkrumen unter sich spürten.

  1. Kater Stromer

«Sie überraschen einen eine immer wieder, durch ihre Fähigkeit, kopfüber unter einen dicken Ast entlang zu rennen», begrüßte Mikosh Stromer. «Mäuse sind da viel einfacher zu fangen und wie ich sehe, warst du bei ihnen erfolgreicher.»

Stromer saß neben der Wurzel des umgestürzten Baumes und hielt mit der linken Vorderkralle eine noch lebende Maus fest. Durch sein gemischtfarbiges Fell und seiner normalen Statur, war er in der Tat fast unsichtbar vor dem umgestürzten Baum. Mikosh sah ihn erst, als er sich leicht bewegte. Mikosh sah auch sofort, dass er zu wenig Speck unter dem Fell hatte. Stromers Statur erinnerte ihn an die Maus, die dieser zappelnd in seiner Kralle hielt. Auch sie war mager. Was darauf hindeutete, dass Stromer bei der Jagd nicht mehr so schnell wie bisher war. Er ergriff nur noch die langsamen Mäuse.

Das Spielen mit der gefangenen Nahrung war eine Eigenart der Felidae. Es schulte den Blick für die Geschwindigkeit der Beute, hatte seine Pflegemutter ihm beigebracht. Der verstorbene Muffel, hatte es immer als grausam angesehen. Aber es bot der gefangenen Maus auch die Chance ihrem Schicksal noch zu Entkommen.

«Hallo Mikosh», grüßte Stromer und tötete dabei mit einem schnellen Biss die Maus. «Du hast gute Augen, wenn du meiner Jagd auf das Eichhörnchen vorhin folgen konntest.»

«Flecki berichtete mir davon», korrigierte Mikosh. «Sie zeigt Interesse an dir.»

Stromer putzte sich das Maul sauber und sah Mikosh dabei an.

«Ich habe ihr Interesse an mir schon bemerkt», erwiderte Stromer. «So wie ich auch um dein Interesse an der Aufklärung um Tod von Tinker weiß. Wie kann ich dir dabei helfen?»

Mikosh beglückwünschte sich zu seinem Einfall, Brauni als Boten vorangeschickt zu haben. Zum einen brauchte er nicht mehr erklären, warum er Fragen zum Tagesablauf stellte, sondern würde damit den Mordfelidae auch nervös machen. Obwohl Letzteres bei Felidae nur schwer möglich war.

«Indem du mir deinen Tagesablauf schilderst», beantwortete Mikosh, Stromers Frage.

«Nachdem ich die Nacht in einem Hauballen auf dem Feld verbracht hatte, begab ich mich zum Hofeingang. Dort blieb ich bis zum Nachmittag. Dann spürte ich aufkommenden Hunger und begab mich hierher», berichtete Stromer. «Von dem gewaltsamen Tod Tinkers habe ich nichts mitbekommen, außer das Brauni mir davon berichtete und dein Kommen ankündigte.»

«Nur der Mordfelidae hat etwas vom Tod Tinkers mitbekommen», erwiderte Mikosh. «Mir geht es eher darum, zu erfahren, wo du dich den Tag über aufgehalten hast und wen du gesehen hast. Wobei ich Ersteres ja nun erfahren habe.»

«Auf dem Weg zur Einfahrt des Bauernhofes sah ich nahe der Scheune, Morle hinter dieser verschwinden. Am Bauernhauseingang lag Weissfell und Grummelchen. Peterle traf ich dann an der Einfahrt. Später sah ich Morle und Summi nahe der Straßenbrücke umherlaufen.»

«Ich danke dir», bedankte sich Mikosh und putzte sich dabei Erdkrumen aus der rechten Pfote.

«Ich mag den Anblick von Summi. Ihre normale Statur spricht mich mehr an, als wenn sie zu viel unter dem Fell hat», erzählte Stromer weiter. «Im Gegensatz dazu wirkt Morle, als wäre er viel zu dick. Aber wenn ich daran denke, dass er, wie ich selbst, keinen warmen Schlafplatz hat, ist seine Speckschicht im kommenden Winter von Nutzen. Was mich dazu treibt, noch mehr an vorwitzigen Mäusen und kopfüber laufenden Eichhörnchen zu jagen. Denn mir fehlt noch viel an Speck unter dem Fell. Gute Spurensuche Mikosh.»

«Sei bitte heute Abend auf dem Bauernhof, Stromer», verabschiedete Mikosh Stromer. «Brauni wird dich erwarten.»

Mikosh warf einen letzten Blick auf Stromer. Nun erinnerte ihn dessen Statur an die von Miu. Seiner verlorengeglaubten und wiedergefundenen Schwester. Durch ihre Krankheit hatte sie viel von ihrer Speckschicht verloren und wirkte hagerer als Stromer. Ihr Fell hing ihr wie eine dünne Decke über ihren schmalen Körper. Sie hustete derzeit viel zu viel. Ihre Augen waren verklebt und sie ließ die Schnurrhaare hängen. Sie bot ein Bild der Traurigkeit.

Tinker hatte vor Jahren mal dieselbe Krankheit bekommen. Aber nur kurz einen Husten gehabt und das auch im Frühling. Im Sommer lies sein Husten nach und zum herbst hin, war er wieder der Alte gewesen. Daher wusste Mikosh um den Verlauf der Krankheit. Sie war nicht tödlich, wenn man sie in den warmen Zeiträumen eines Jahres bekam. Miu hatte sie leider zum Ende der Herbstzeit bekommen. In einer Zeit, in der es wichtig war, sich einen dicken Speckmantel anzufressen. Zudem war sie nun in ihrer fruchtbaren Phase, was ebenfalls an ihren Energiereserven knabberte.

Mikosh hatte ihr ihren gemeinsamen warmen Schlafplatz überlassen und sie zudem noch mit den ersten herabfallenden Blätter des Kirschbaumes zugedeckt. Wärme schien die Krankheit zurückzudrängen. Aber es ging ihr nicht besser. Er ahnte, dass sie die kommenden Winterzeit nicht überleben würde. Es machte ihn traurig.

  1. Katze Lichthell

Mikosh saß an der Straße vor seinem Bauernhof und blickte hinüber. Hinter ihm lag der umgestürzte Baum, der einen leichten Übergang über den Bach gewährleistete. Nur kurz dachte Mikosh darüber nach, dass der umgestürzte Baum schon seit einigen Jahren über den Bach lag und weder der Bauer noch der Förster etwas unternommen hatten, um ihn zu entfernen. Bei diesem Gedanken tauchten auch die anderen Hinweise auf den beginnenden Zerfall seines Bauernhofes auf. Die Scheune, in deren Außenwände immer mehr Bretter fehlten. Als er noch jung gewesen war, gab es noch reichlich warme Schlafplätze in ihr. Heute waren sie selten geworden.

Eine leichte Bewegung auf der anderen Seite der Straße zeigte ihm den Platz, an dem Lichthell döste. Gleich neben dem Toreingang im hohen Gras. Eine kaum wahrnehmbare Erdkrumenspur führte über die Straße. Ihr gemischtfarbiges Fell verbarg sie dort gut. Mikosh hatte sie nur erkennen können, als sie sich leicht bewegte. Er erinnerte sich an die Lektion, die ihm einst Maunz erteilt hatte. Felidae sahen hauptsächlich bewegliche Wesen, kaum stillhaltende. Maunz hatte es ihm demonstriert, indem er sich im Inneren der Scheune gleich neben die Tür setzte, während Mikosh aus der Scheune heraus, nur die helle Türöffnung sah, aber nicht den stillsitzenden Maunz. Mikosh huschte zu Lichthell hinüber.

«Hallo Mikosh», wurde er begrüßt. «Brauni teilte mir vorhin mit, dass du kommen würdest und das der Grund wichtig sein, sodass ich hierbleiben sollte. Was ich auch so getan hätte, denn der Platz hier gehört ja zu meinen Lieblingsplätzen. Aber das weist du ja sicher. Es hängt mit dem zusammen, was Brauni dir heute Mittag zurief, als er an mir vorbeirannte.»

«Tinker wurde heute Vormittag getötet und alle Spuren weisen auf einen von uns, als Mordfelidae, hin», unterbrach Mikosh den Redefluss von Lichthell. «Ich würde gerne von dir erfahren, wo du heute warst und wen du gesehen hast.»

«Das ist schnell erzählt», begann Lichthell und setzte sich auf, wobei ihre kräftigen Muskeln gut unter ihrem Fell zu erkennen waren. «Von meinem Schlafplatz im Hühnerstall aus, machte ich mich heute früh, zusammen mit Rotauge auf an diesen Ort. Rotauge überquerte die Straße und lief auf die Wiese, wo er sich mit Flecki treffen wollte. Da sie beide von schwacher Statur sind, jagen sie gemeinsam, um ihre Chancen zu erhöhen. Eine gute Strategie von beiden, meine ich. Ich betrachtete derweilen, zusammen mit Grummelchen, die vorbeifahrenden Autos. Und das sind eine ganze Menge, über den Vormittag betrachtet. Wusstest du schon, dass vormittags und nachmittags am häufigsten, Autos die Straße entlangfahren?»

«Grummelchen war schon hier, als du und Rotauge kamt?», unterbrach Mikosh erneut ihren Redefluss ohne auf ihr Thema einzugehen.

«Ja. Sie war schon hier, als wir hier ankamen. Sie machte die Bemerkung, dass Flecki und ich, zum Verwechseln ähnlich sind. Es sei denn Flecki beginnt zu laufen. Ich humple ja selbst nicht. Schon eine schlimme Sache, wenn man sich ein Bein bei einem Sprung so verletzt, das man es anschließend nicht mehr richtig nutzen kann. Ich frage mich, ob sie Schmerzen beim Laufen hat. Habe sie allerdings auch noch nicht danach gefragt.»

«Sie spürt dabei keinerlei Schmerzen», warf Mikosh ein. «Ihr würden die Schnurrhaare vibrieren, sobald sie schmerzvoll zu laufen beginnen würde. Hast du sonst noch einen von uns gesehen?»

«Nur Morle, der nachmittags von der Wiese herüberkam», antwortete Lichthell, nachdem sie sich einige Zeit die linke Pfote geputzt hatte. «Er hatte Schwierigkeiten, die Straße zu überqueren. Zu viele schnelle Autos. Ich versuchte, ihn in ein Gespräch über die vorbeifahrenden Autos zu verwickeln, aber er ignorierte mich. Er ist zwar kräftig aber seine Augen sehen sind nicht gut.»

«Ich danke dir für deine Informationen und möchte, dass du heute Abend auf dem Hof bist.»

Als Mikosh Anstalten machte, sich zu entfernen, hielt ihn Lichthell zurück.

«Ahnst du, das womöglich drei von uns das kommende Frühjahr nicht erleben werden? Derzeit gibt es noch genügend Mäuse, um sich einen dicken Speckmantel anzufuttern, aber der uns bevorstehende Winter, wird lange andauern. Ich kann es im Wind riechen. Er kommt früher als sonst. Ein Zeichen, das er lange andauern wird. Und Mäuse gibt es im Winter kaum zu erjagen.»

«Wir alle riechen und ahnen es. Deswegen will ich demnächst etwas vorschlagen, das den Dreien unter uns, die du ansprichst, ein Überleben gewährleisten könnte.»

Mikosh kam bei diesem Satz der Gedanke, dass dies womöglich mit der Auslöser war, warum der Mordfelidae aktiv geworden war. Der Winter war immer auch eine lebensgefährliche Zeitspanne für alle Felidae des Bauernhofes. Es gab selten einen Winter, den alle Felidae überstanden. Der Bauer hatte zwar nichts gegen ihre Anwesenheit auf dem Bauernhof, aber dazu gehörte nicht das warme Innere des Haupthauses. Und die eiskalten Nächte waren im Winter viel länger.

«Wir sehen uns heute Abend auf dem Bauernhof», sagte Mikosh zum Abschied und trollte sich zum Tor. «Brauni ist der Treffpunkt.»

  1. Kater Weissfell

Weissfell lag direkt neben dem Eingang zum Wohnhaus des Bauern. Da dieser Eingang nach Süden ausgerichtet war, schien dort den Tag über die Sonne. Es war der Lieblingsplatz von Weissfell. Wenn er nicht gerade auf der Jagd war, konnte man ihn immer an diesem Platz finden. Es war eher ein Verhalten, dass man von älteren Felidae erwarten würde. Weissfell war jedoch erst vier Sommer alt. Mit halb geöffneten Augen verfolgte Weissfell seinen Weg, als er den steinernen Hof betrat.

«Brauni teilte schon mit, dass du kommen und mir Fragen stellen willst», begrüßte Weissfell ihn. «Tinker soll getötet worden sein?»

Mikosh setzte sich vor Weissfell auf den Boden, und begann sich zu putzen. Weissfell tat es ihm gleich und Mikosh bewunderte beim Putzen dessen kräftige Muskeln unter dem hellen Fell. Hatte auch ein Auge auf das Geschehen rechts von ihm unter dem Kirschbaum.

«Tinker wurde von einen der Unsrigen getötet», bestätigte Mikosh.

«Ich war es nicht, was deine Suche vereinfachen wird», teilte Weissfell ihm mit. «Zudem sind wir derzeit nur wenige auf dem Bauernhof.»

«Dreizehn Felidae waren wir heute Morgen. Elf sind es jetzt», konkretisierte Mikosh.

«Brauni, Summi, Rotauge, Grummelchen, Peterle, Flecki, Stromer, Lichthell, Morle, Miu, du Mikosh und der verschiedene Tinker sowie ich selbst», zählte Weissfell die Felidae namentlich auf.

«Ein Opfer, ein Täter, ein Spurensucher, ein Helfer, eine krank niederliegende Katze. Elf mögliche Täter», stellte Mikosh unmissverständlich klar.

«Du betrachtest dich selbst als möglichen Täter?», fragte Weissfell erstaunt.

«Ich schließe bei meiner Spurensuche nichts aus», bestätigte Mikosh. «Im übrigen ist es noch unklar, ob es ein Kater oder eine Katze war, der oder die Tinker getötet hat.»

«Du schließt Miu aus», korrigierte Weissfell. «Aber da sie krank auf ihrem Schlafplatz liegt, kommt sie als Mordkatze nicht in Frage.»

«Du hast recht, Weissfell. Miu schloss ich, aufgrund der Art ihrer Erkrankung, aus. Sie kommt als Mordkatze nicht in Frage. Vermute ich richtig, dass du heute den Tag über, hier, an diesem Platz lagst?»

«Ja», antwortete Weissfell. «Die Steine wärmen sich schnell auf, wenn die Sonne auf sie scheint. Nach einer kühlen Nacht wärme ich so meine Muskeln für die Jagd auf.»

«Der du abends in der Dämmerung dann nachgehst. Wen von uns hast du heute gesehen, Weissfell?»

«Brauni und dich heute Vormittag. Erst Brauni zum Kirschbaum eilend, dann ihr beide zurückrennend. Ich vermute mal, Brauni fand Tinker und informierte dich?»

«Ja. Brauni fand Tinker nahe des Baches. Ich fand Spuren am Tatort, die auf ein Mordfelidae innerhalb unserer Gemeinschaft hinweisen. Daher nun meine Spurensuche. Das heißt, ich suche jeden Felidae der Gemeinschaft auf und befrage ihn, wen er wann und wo sah.»

«Hinter dem Tor, am Rand der Straße, hielten sich Lichthell, Peterle und Grummelchen auf. Grummelchen und Peterle tauchten vormittags auf. Lichthell mittags. Peterle verschwand mittags. Grummelchen nachmittags. Peterle mag ich nicht besonders, aber Lichthell bewundere ich. Er hat genauso kräftige Muskeln wie Morle und ich. Um Grummelchen werde ich werben, auch wenn sie ihr Fell nicht gut pflegt. Mit etwas mehr an Pflege, würde sie wie eine normal gebaute Katze aussehen. Momentan sehe ich es eher als verfilzt und für ihre Figur nicht von Vorteil an.»

«Möglich das sie diesen Herbst nicht möchte, dass wir um sie werben», mutmaßte Mikosh. «Ich selbst habe es ja auch wieder vor. Wir beide werden uns demnächst also als Gegner gegenüberstehen.»

«Ich denke, das kann ich oder jeder andere Kater sich ersparen, denn Grummelchen wird dich wieder erwählen, wenn sie denn Nachwuchs haben will. Wobei ich dann natürlich auch um sie werben werde, aber ein Kampf zwischen uns beiden wird es nicht geben. Wir wissen ja, wie Grummelchen sich entscheiden wird.»

Ein dunkler Schatten nahe des Kirschbaumes zu seiner rechten, ließ ihre Aufmerksamkeit umschwenken. Morle huschte dort den Kirschbaum hinauf. Brauni saß unten am Stamm und sah Morle nach. Wenn Mikosh es während seines Gespräches mit Weissfell richtig beobachtet hatte, hatten sich beide unterhalten.

«Morle will auch um Grummelchen werben, hörte ich», sagte Weissfell. «Und im Werbungskampf ist er auch für uns beide inzwischen ein ernsthafter Gegner. Er ist kräftig.»

Mikosh bewunderte seinen eigenen Nachwuchs. Er war der Mittlere der drei Kater aus seinem Wurf. Und der Einzige, der auf dem Bauernhof geblieben war.

«Bleib bitte hier», teilte Mikosh Weissfell mit, als er sich erhob. «Morle ist der Letzte aus unserer Gemeinschaft, den ich befragen muss. Anschließend treffen wir uns alle hier auf dem Hof.»

  1. Kater Morle

Brauni sah Mikosh neugierig entgegen, als er sich dem Kirschbaum näherte. Ebenso Morle, der auf einem der unteren Äste lag, Mikosh beobachtend, sich aber nicht rührte. Wobei er auf dem dunklen Holz des Astes, mit seinem dunklen Fell, kaum zu erkennen war.

«Ich habe ihn gerade über den Mord informiert», sprach Brauni Mikosh an. «Aber noch keine deiner Fragen gestellt.»

«Gut gemacht, Brauni», antwortete Mikosh. «Eine letzte Aufgabe hätte ich noch für dich. Ich habe allen mitgeteilt, dass sie sich auf dem Hof um dich herum versammeln sollen. Bitte begib dich auf den Innenhof, so das alle dich sehen können. Morle und ich kommen dann ebenfalls zu dir.»

«Und dann klärst du den Mord auf?», fragte Brauni mit aufgeregter Stimmlage.

«Ich denke, ja», entgegnete Mikosh.

Dann sprang Mikosh kraftvoll zum untersten Ast hinauf, auf dem sein Sohn lag. Morle lag entspannt auf einem unteren Ast. Die Augen halb geschlossen aber die Ohren aufgestellt. Mikosh ging langsam über den mit Erdkrumen bedeckten Ast auf Morle zu und setzte sich ihm gegenüber.

«Als du heute Vormittag vom Kirschbaum verschwandest, wo liefst du hin?», fragte Mikosh ihn.

«Zur Scheune hinüber», teilte Morle ihm mit und öffnete seine Augen dabei. «Ich kenne einen Ort hinter ihr, wo es leicht Mäuse zu fangen gibt.»

Mikosh kannte diesen Ort. In seinen ersten Jahren auf dem Bauernhof hatte er dort die Mäusejagd geübt. Hinter der Scheune gab es ein wild wachsendes Grasfeld, auf dem sich im Sommer die beiden Pferde des Bauern aufhielten, das den den Mäusen gute Verstecke bot. Zumindest in den Augen der Mäuse. Für die Augen der Felidae waren sie jedoch leicht zu erkennen.

«Ich hörte von Brauni, das du dich mit ihm treffen wolltest», warf Mikosh ein.

«Stimmt», antwortete Morle. «Ich sprach eben mit Brauni darüber, warum er nicht am Treffpunkt auftauchte. Wir wissen nun beide, dass ihn der Mord an Tinker daran hinderte.»

«Das Auffinden von Tinker», korrigierte Mikosh. «Brauni hat Tinker nicht getötet.»

Wobei Mikosh dabei eine leichte Unsicherheit spürte. Aber Brauni war erst zwei Sommer alt und in vielen noch unerfahren. Auch bei einem überraschenden Angriff auf Tinker hätte er kaum eine Chance gehabt.

«Ich traf Summi an der Straßenbrücke», sprach Morle unbeeindruckt weiter. «Wir unterhielten uns kurz. Als Brauni nicht auftauchte, suchte ich die wilde Müllhalde auf. Folgte dem Pfad über die Wiese zum umgestürzten Baum. Dort traf ich auf Stromer, der versuchte ein Eichhörnchen zu jagen. Aber er ist nicht kräftig genug, um die Äste beiseitezuschieben. So muss er drumherum laufen, was Zeit kostet. Ich störte ihn bei seiner vergeblichen Jagd nicht.»

«Er hatte es auch noch nicht gegriffen, als ich ihn später dort traf», teilte Mikosh ihm mit.

«Am Tor zum Bauernhof traf ich auf Lichthell mit ihrem schönen gemischtfarbigen Fellmuster», berichtete Morle weiter von seinem Tagesablauf. «Sie wollte mich in ein Gespräch über ihr Lieblingsthema einbinden.»

«Autos auf der Straße», warf Mikosh ein.

«Ich ignorierte dies aber», ließ sich Morle nicht unterbrechen. «Neben der Tür zum Wohnhaus des Bauern lag dösend Weissfell. Ich glaube nicht, dass er mich sah, wie ich hierher zum Kirschbaum lief. Seine Augen waren geschlossen.»

Mikosh wusste aus eigener Erfahrung, dass dies bei seiner Art nicht viel aussagte. Felidae konnten ihre Augen so schließen, dass ein winziger Spalt offenblieb. So konnten sie ihre Umgebung immer im Auge behalten.

«Begib dich bitte zu den anderen, die sich um Brauni versammeln», sagte Mikosh. «Ich folge dir gleich.»

Während Morle wortlos vom Kirschbaum sprang und sich zu Brauni auf den Hof begab, begann Mikosh nachzudenken. Er ging dabei gedanklich zu der Tageszeit zurück, in der Tinker getötet wurde und ordnete den Orten des Bauernhofes die Felidae zu, die er befragt hatte. Dann begann er ihre täglichen Pfade durch den Tag zu folgen. Alles was er fand, waren ihre Spuren über den Bauernhof und dessen nähere Umgebung. Aber keinen Bezug zum Tatort. Mikosh legte seinen Kopf auf die Vorderpfoten. Er konnte den Mordfelidae nicht über seine Spur finden. Es gab jedoch einen Grund für die Tötung von Tinker.

«Vielleicht zeigt Tinker selbst ein Hinweis auf den Mordfelidae», grummelte Mikosh vor sich hin.

Tinker gehörte zu den ältesten Katern auf dem Bauernhof. Zwölf Sommer hatte er gelebt. Trotz des hohen Alters war er bei der Jagd noch erfolgreich. Allerdings sah man ihm sein Alter an. Seine Statur war hager, sein Fell kurz und mit vielen Verdickungen verunreinigt. Zudem hatte er immer wieder Schmerzen, die er sich allerdings nie anmerken ließ. Tinker hatte keine Feinde, da er seit langen nicht mehr um die Gunst der Katzen stritt. Mikosh spitzte die Ohren, als ihm klar wurde, dass er das Rätsel um Tinkers Tötung über eine Matrix lösen konnte.

  1. Mordfelidae

Mikosh baute seine gedankliche Matrix mit den ermittelten Informationen auf. An zwei der vier Randfelder setzte er die in Frage kommenden Örtlichkeiten, der Umgebung des Tatortes betreffend ihrer Zugehörigkeit. Über der dritten und vierten Randseite, die Statur sowie die Fellfarbe. In der Mitte dieser Matrix setzte er anschließend die Namen der beteiligten Felidae hinein, sowie das Motiv, das den Mordfelidae zu dem Mord veranlasst hatte.

Dabei ließ Mikosh den Mord nochmals in seinen Gedanken ablaufen. Begonnen hatte er in dem Augenblick, als das Opfer seinen Schlafplatz in der Scheune verlassen hatte. Der Mordfelidae kannte den Tagesablauf des Opfers. War ihm vorausgeeilt und hatte ihn am Bach aufgelauert und getötet. Das Opfer dann auf seinem Rücken, rückwärtsgehend, über den Bach hinweg, in das Revier des benachbart lebenden Hundes gebracht. Damit es so aussah, als ob der Hund den älteren Kater getötet hatte.

Mikosh staunte noch immer über die Vorgehensweise des Mordfelidae. Dieser war intelligent vorgegangen. Nur hatte der Mordfelidae nicht bedacht, dass man nicht rückwärts über den Bach springen konnte. Womit dieser sich, über seine verkehrt herum abgebildeten Pfotenabdrücke auf dieser Bachseite, verraten hatte. Eine Unachtsamkeit, die Mikosh auf die richtige Spur gebracht hatte. Vom Fundort des Opfers aus, war der Mordfelidae dann ebenfalls rückwärts gehend, bis nahe der Straßenbrücke gelaufen, wo sich dessen Spur verlor. Ab hier hatte Mikosh nur anhand der Befragungen anderer Felidae die Tat wieder herstellen können.

Während Mikosh nachdachte, versammelten sich alle Katzen und Kater des Bauernhofes um Brauni herum. Er bekam es zwar mit, aber die Matrix in seinen Gedanken füllte sich mit immer mehr Informationen. Als sie gefüllt war, kannte Mikosh den Namen des Mordfelidae. Er reckte sich und sprang vom Kirschbaum zu Boden und lief zu Brauni, der inmitten all der Katzen und Kater des Bauernhofes saß und ihm angespannt entgegenblickte.

Mikosh blickte nacheinander alle Felidae des Bauernhofes an, als er inmitten der Gemeinschaft, sich neben Brauni setzte.

«Ich kenne nun den Mordfelidae, der Tinker tötete», begann er. «Und auch sein Motiv.»

«Ein Felidae unserer Gemeinschaft, der kräftig ist», begann Mikosh. «Der Mordfelidae versuchte, es so aussehen zu lassen, dass der Verdacht auf den Hund vom benachbarten Bauernhof fallen sollte. Der Mordfelidae trug dazu Tinker, rückwärtsgehend, über den Bach hinweg, Sodas von Tinker keine Pfotenspuren im Gras zurückbleiben konnten. Und die verbleibenden Spuren in die falsche Richtung zeigen. Was auf einen kräftigen, denn Tinker war zwar alt aber nicht dünn und leicht sowie auf einen intelligenten Felidae hinweist.»

«Wer ist es?», meldeten sich mehrere Stimmen.

Mikosh wandte seinen Blick leicht zur Seite und sah den Mordfelidae direkt in die Augen.

«Verraten haben dich letztendlich die Erdkrumen, die du auf deinem Pfad hinterließest», berichtete Mikosh. «Erdkrumen, die vom feuchten Boden am Bach stammen und sich in den Pfoten hielten. Du hast Tinker getötet.»

«Ja», bestätigte dieser seine Tat. «Und was willst du nun unternehmen?»

Mikosh hatte mit dieser Frage gerechnet und wollte es nicht auf einen Kampf ankommen lassen Er lies seinen Schweif, zweimal hart auf den Erdboden klopfen. So wie er es einst bei dem Muffel immer wieder beobachtet hatte. Bei Muffel war es Ausdruck von Freude gewesen. Mikosh nutzte dieses Klopfen, um auf alle Unbeteiligten auf etwas unerwartetes hinzuweisen. Freude verspürte er keine.

«Wir verbannen dich aus unserer Gemeinschaft und unserem Lebensraum», antwortete Mikosh, während sich hinter ihm alle Felidae des Bauernhofes sammelten. «Eine Verhaltensweise, wie die Deinige, können wir in unserer Gemeinschaft nicht zulassen. Innerhalb unserer Gemeinschaft sind wir füreinander da, nicht gegeneinander.»

Es mochte sein, dass der Mordfelidae ihn jetzt trotzdem angriff. Er tat es nicht, sondern blickte nur einmal alle Felidae des Bauernhofes an und wandte sich dann wortlos ab. Mikosh sah ihm solange nach, bis er im Wald hinter der Wiese verschwand.

«Er wird eines Tages den richtigen Weg wiederfinden», maunzte Brauni ihm von der Seite her zu.

Mikosh war so in Gedanken versunken gewesen, dass er dessen Annäherung nicht einmal bemerkt hatte.

«Was lief nur schief in seinem Lebensweg?», maunzte er leise und traurig zurück.

Dann wandte er sich den anderen Felidae des Bauerhofes und besonders der Mutter des Mordfelidae zu. Er stupste sie am Kopf und verschwand mit ihr in Richtung des Kirschbaumes.

Aw: Mikosh auf Spurensuche

Hallo Andreas.

Rot sind die Teile, die nach meiner Einschätzung (lieber) wegbleiben sollten,

blau meine eigenen „Hinzu-Vorschläge“,

grün Kommentierendes innerhalb Deines Textes.

Mikosh auf Spurensuche

  1. Ein toter Kater im Feld

Kater Mikosh genoss die Wärme der mittäglichen Sonne über sich. Sie schien nicht direkt auf sein Fell, sondern wurde durch die Blätter des Kirschbaumes, auf dem er sich befand, teilweise abgeschirmt. Er hatte sich darin, weit oben in eine gerade noch ausreichend sein Gewicht tragende Astgabel gelegt und döste. Wobei er die Augen offen hielt und dem Leben auf dem Bauernhof zusah. Allerdings gab es zu der Zeit nicht viel zu sehen. Die letzte Bewegung, die Mikosh heute wahrgenommen hatte, war der Sprung von Kater Morle vormittags, vom Baum hinunter auf den Boden. Morle hatte auf einen der untersten Äste gelegen, als Mikosh den Kirschbaum erklommen hatte. Mikosh hatte ihmn² lauschend¹ hörend nachverfolgt, als der in Richtung der Scheune gelaufen war lief und dabei seinen dessen kraftvollen Gang bewundert. Ganz wWie sein der Vater, dachte hatte Mikosh gedacht**,** und streckte sich Stolz (für Stolz gibt es für den Leser keinen Anlaß, es sei denn, M. ist der Vater, klar nun aber wird dies für den Leser zu wenig wahrnehmbar, und dies sollte nicht erst im späteren Satz folgen wenn übrigens das Wort bleiben könnte, wäre es dort „klein“ - nicht „groß“ - geschrieben ) als stolzer Erzeuger ein wenig in die Länge wohlig streckend.

Morle gehörte zu seinem ersten eigenen Wurf. Er war der (äh? ~~~) Mittlere (??!!) der drei Kater gewesen**,** und schon früh hatte Mikosh erkannt, dass der sein dunkelgefärbtes Morle Söhnlein keinerlei Ängstlichkeit in seinem Verhalten aufwies. Aber auch der dessen (~~~~) ältere und (~~~~) jüngere Kater dieses Wurfes, hatten sich zu fidelen Miezen (oder sonst was, nicht „Kater“ – das Wort geht ja sonst langsam dem Leser auf den Geist und „gut“ ist in dem Zusammenhang so was betulich) guten Katern entwickelt. So wie es auch die (Katze=Generikum femininum) Katzen Kätzinnen und Kater aus seinen nächsten zwei Würfen getan hatten. Mikosh war stolz auf seinen Nachwuchs. Auch seine Schwester**, ** die Katze (die Gefahr, daß der Leser meinen könnte, es handle sich um eine Giraffe oder Gazelle, dürfte gering sein…) Miu hatte in den vergangenen Jahren ihrerseits zweimal häufig geworfen. (Eine Kätzin auf einem Hof wirft jedes Jahr, es sei denn, sie ist kastriert worden oder krank) Würfe gehabt. Inzwischen gehörte Mikosh mit seinen acht Jahren zu den Führern der Gemeinschaft auf dem Bauernhof.

Hier habe ich mit großem Bedauern bei Deiner gewitzten Geschichte mit dem Durchgehen aufgehört, weil zu mühselig: Es fehlt Dir halt noch an Übung.

Freilich hast Du hervorragende Ideen, „Garn-Phantasie“ für eine ganze Seemann-Flotte, Mutterwitz und Beobachtungsgabe und das ist in meinen Augen die Hauptsache. Nach etwaigen Rätseln habe ich nicht Ausschau gehalten: Dafür bin ich zu alt. :slight_smile:


Die Kernfrage: Welche ist denn die Zielgruppe? Junge Leser? Kinder? Betuliche Erwachsene? Aufgeschlossene humorvolle?

Das nämlich ist der eigentliche „Casus cnactus“, bevor Du weiterübst.

Davon ab: Lies bitte viel, damit Du Vorbilder aufsaugst.

Wenn Du am Ball bleibst, wirst Du in der Tat ein wirklich erfolgreicher Autor werden, weil Talent in Mengen da ist. Wenn Du am Ball bleibst.

Herzlich
Abifiz

PS
Irgendwo las ich beim Überfliegen „Bauerhof“, statt „Bauernhof“. Solcherart Schnitzer dürften Dir eigentlich mit dem Papyrus nebbich unterkommen: Er zeigt sie nämlich zuverlässig an.

Aw: Mikosh auf Spurensuche

Hallo Abifiz

Danke für dein Feedback :slight_smile:

Meine Zielgruppe für diesen Rätselkrimi ist mein Dad. Also dem betulichen Erwachsenen. Für ihn habe ich diese Geschichte geschrieben. Er bat mich letztes Jahr, als ich meiner Mam fünf Bücher über Mikosh schenkte, um einen Krimi, mit Mikosh. Und da er zusätzlich auch gerne Rätsel löst, dachte ich mir, kombiniere doch beides. Einen Krimi habe ich jedoch noch nie geschrieben - schwierig. Aber Rätsel mag ich - leicht. Es sollte also etwas Mittelmäßiges herauskommen.

Das Viel-Lesen praktiziere ich bereits, seitdem ich das Lesen gelernt habe. Meine Bücheregale beherbergen über tausend gelesene Bücher. Und nebenbei bin ich einer Serie Groschenromane treu geblieben. Inzwischen auch schon fast dreitausend davon in den Regalen. Ich denke mal, im Lesen von Papierdruckerzeugnissen bin ich der heutigen Jugend weit voraus.

Werde einen Teil deiner Hinweise verarbeiten. Kätzinnen und Miezen kommen aber nicht in den Text. Ich möchte da durchweg bei Katzen und Katern bleiben. Ich habe da eine klare Struktur drin.

Zum Hintergrund des Rätselkrimis. Das reale Layout für das Buch, ist der ‘Casus knacksus’ beim Schreiben dieser Geschichte gewesen. Jedes Kapitel muss textlich auf eine Doppelseite passen. Schriftart und -größe sind ebenfalls fix. Zwölf Kapitel passen genau in die vierundzwanzig Seiten des Buches.

Problem bei dem Ganzen ist nun, wenn ich textlich etwas hinzufüge oder ändere, muss ich anderswo in demselben Kapitel, etwas löschen oder anpassen. Das wird noch mal Arbeit - aber bleibt doch Hobby.

PS.: Der ‘Bauerhof’ fand sich im vorletzten Satz, von meiner aktuellen Papyrusversion aber nicht angemahnt. Wurde aber trotzdem korrigiert.

Aw: Mikosh auf Spurensuche

Wunderbar, Andreas, dann ist das mir Zielgruppe geklärt!

Ein klein bißchen hatte ich es vermutet, war mir aber am Ende nicht sicher.

Das mit dem „Bauerhof“ statt "Bauernhof" ist merkwürdig. Vielleicht meldest Du das per PN oder Mail, was meinst Du?

Ich wünsche Dir allmähliches zunehmendes Gelingen, Andreas!

Herzlich
Abifiz

Aw: Mikosh auf Spurensuche

So merkwürdig ist gar nicht mal. ‚Bauerhof‘’ besteht aus den Wörtern, ‚Bauer‘ und ‚Hof‘. Beide richtig im Sinne des Duden Korrektors. Allerdings falsch für meine Geschichte. Ebenso das Wort ‚Bauernhof‘. Nur das es hier statt des 'Bauer’s nun um die ‚Bauern‘ handelt. Auch, getrennt betrachtet, wieder richtig im Sinne des Duden Korrektors.

Ich sehe da die Korrektur eher bei mir selbst, als in der Automatik.

Aber warum ich mich nun erst melde. Ich habe diese Geschichte nun final in der eigenen Buchumwandlung. Heißt, sie ist für mich nun fertig. Nach einer intensiven Korrektur mit Hilfe der Stilanalyse. Gar nicht so einfach, wenn die Textlänge der Kapitel nicht geändert werden darf.

Folgend die endgültige Fassung.

Drei Möglichkeiten wurden eingearbeitet, um den Mordfelidae zu überführen. Ich habe die Lösung des Rätselkrimis dahingehend nochmals etwas vereinfacht, indem ich im Buchtext, die Spur bildlich unterlegte. Lässt sich hier, rein textlich, nicht verwirklichen. Aber auch die Lösungsmatrix (Drei mal drei Felder) wurde etwas entspannt, indem ich die Feldbezeichnungen nun nenne.

Die leichte Lösung.

  • Intuitiv. Allerdings wäre dies dann nicht beweisbar, weil quasi ja nur geraten wird.

Die mittlere Lösung.

  • Man folgt einer ausgelegten textlichen Spur zum Mordfelidae.

Die schwere Lösung.

  • Man füllt eine Matrix aus, wie man sie in Seminaren eventuell mal mitgemacht hat.

Hier eine leere textliche Matrix.

Blaue Felder (Wagerecht oben) = Örtlichkeiten.

[RIGHT]Wohnhaus / Toreingang / Wiese.

Toreingang / umgestürzter Baum / Wiese.

Bach / Straßenbrücke / wilde Müllhalde.[/RIGHT]

Blaue Felder (Senkrecht links) = Orte.

[RIGHT]Bach, Straße, Wiese.[/RIGHT]

Grüne Felder (Wagerecht unten) = Fell.

[RIGHT]Hell, gemischt, dunkel.[/RIGHT]

Gelbe Felder (Senkrecht rechts) = Statur.

[RIGHT]Schwach, normal, kräftig.[/RIGHT]

Graue Felder (Inmitten) = Namen und Motiv.

[RIGHT]?, ?.[/RIGHT]

  1. Ein toter Kater im Feld

Kater Mikosh genoss die Wärme der mittäglichen Sonne. Sie schien nicht voll auf sein Fell, sondern wurde durch die Blätter des Kirschbaumes, auf dem er lag, teilweise abgeschirmt. Er hatte sich darin weit oben, in eine noch ausreichend sein Gewicht tragende, Astgabel gelegt und döste. Wobei er die Augen offen hielt und dem Leben auf dem Bauernhof zusah. Allerdings gab es nicht viel zu sehen. Die letzte Bewegung, die er heute wahrgenommen hatte, war der Sprung von Kater Morle vormittags, vom Baum hinunter auf den Boden. Morle hatte auf einen der untersten Äste gelegen, als er den Kirschbaum erklommen hatte. Er hatte ihn lauschend nachverfolgt, als er in Richtung der Scheune lief und dabei dessen kraftvollen Gang bewundert. Wie sein Vater hatte er gedacht und sich als stolzer Erzeuger wohlig ein wenig in die Länge gestreckt.

Morle gehörte zu seinem ersten eigenen Wurf. Er war der Mittlere der drei gewesen und schon früh hatte er erkannt, dass der dunkelgefärbte Morle keinerlei Ängstlichkeit im Verhalten aufwies. Aber auch dessen älterer und jüngerer Bruder, entwickelten sich zu guten Katern. So wie es auch seine weiteren Nachkommen taten. Er war stolz auf seinen Nachwuchs. Seine Schwester Miu hatte in der vergangenen Zeit ebenfalls häufig geworfen. Inzwischen gehörte er mit seinen acht Jahren zu den Führern der Gemeinschaft auf dem Bauernhof. Er hatte Kater Maunz, Katze Schnurlie, Kater Justus und Kater Felix abgelöst, die in den letzten Sommern verstarben. So ist der Lebenslauf. Die Älteren wichen den Jüngeren. Ein immerwährender Kreislauf.

«Mikosh», ertönte es aus weiter Ferne an sein immer aufmerksames Ohr. «Mikosh. Wo bist du? Es ist etwas Schreckliches passiert.»

Er hob sofort seinen Kopf und drehte ihn entsprechend, aus der die Stimme erklang. Kater Brauni stob über den Hof, am Bauernhaus und dem dösenden Kater Weißfell vorbei, in seine Richtung. Brauni schien völlig aus dem Häuschen zu sein, denn dadurch, das er genau auf den Kirschbaum zu lief, wusste Brauni doch, wo er sich befand. Warum fragte er dann, wo er sei? Er stieg schnell vom Baum herunter, was immer etwas schwierig war, da er dazu seine Krallen benötigte, aber diese nur für einen rückwärtsgängigen Abstieg geeignet waren. Er kletterte daher weniger, als das er von Ast zu Ast sprang und wie Morle heute Vormittag, vom untersten Ast direkt auf den Erdboden. Brauni verhielt dicht vor ihm und war völlig aus der Puste. Er war anscheinend eine weite Strecke gerannt sein.

«Du musst mitkommen, Mikosh», schnaufte Brauni vor Atemnot. «Der neue Hund vom Nachbarhof hat Kater Tinker getötet.»

Mikosh trauerte kurz dem verstorbenen Hund Muffel nach, als er dies hörte. Muffel hatte Felidae gemocht und besonders ihn. Der Hund, auf dem benachbarten Bauernhof, mochte sie überhaupt nicht. Er war bedrohlich und alle mieden sein Gebiet, das am Bach zwischen den beiden Bauerhöfen begann. Er bezweifelte aber, dass der Hund so weit gegangen war, dass er einen Kater aus ihrer Gemeinschaft getötet hatte. Dies passte nicht in das Bild, das sich er von dem Hund gemacht hatte. Er war gefährlich, aber das auch nur, wenn man sein Revier betrat. Es musste also mehr passiert sein, als es den Eindruck machte. Ein Rätsel tat sich auf.

«Führ mich hin. Und nicht rennen, wir haben Zeit. Ein toter Kater läuft nicht weg.»

Es fiel Brauni sichtlich schwer, langsam zu laufen. Er half ein wenig, indem er mit schnellen Schritten folgte und so den Anschein des ‚nicht Rennens‘ wahrte, aber doch rasch unterwegs war. Brauni führte ihn quer über den Hof hinweg zum Bach und sprang hinüber. Mikosh verharrte nur kurz im schmalen feuchten Erdboden direkt neben dem Bachlauf und überlegte während des Sprunges, ob seine Annahme über den Hund noch richtig war. Denn, wenn Tinker sich in dessen Revier begeben hatte, sah alles wieder anders aus.

«Hier ist es geschehen», maunzte Brauni leise. «Hier ist Tinker vom Hund getötet worden.»

Tinker, ein recht alter Kater, lag leblos am Boden. Dicht neben dem Rand des noch hochstehenden Maisfeldes. Die Erntezeit würde aber in den nächsten Tagen beginnen, wie er wusste. Er sah auch sofort die tödlichen Wunden in der Kehle von Tinker. Der Untergrund war nicht aufgewühlt und es gab nur die gut sichtbaren Pfotenabdrücke, die Tinker, auf seinem Weg vom Feld kommend, bis hierher hinterlassen hatte. Diese Abdrücke weckten einen Zweifel in ihn. Zu tief in den Boden hineingedrückt. Felidae liefen eher leichtfüßig. Und Tinker wog auch nicht so viel, als das er solch gut erkennbare Spuren verursachen konnte. In Richtung zum Bach gab es ebenfalls Auffälligkeiten. Das Gras lag nicht so, wie überall um sie herum.

«Tinker ist unzweifelhaft getötet worden», stellte er fest. «Nur nicht an diesem Ort und auch nicht vom Hund.»

  1. Mikosh am Tatort

Während Brauni verwundert Mikosh um Tinker herumstreifen sah, erklärte dieser, wie er zu der Ansicht gelangte, das Tinker nicht an diesem Ort und auch nicht vom Hund getötet worden sein konnte.

«Es sind drei Dinge, die nicht Passen. Ein Hund beißt sein Opfer in die Kehle, er reißt sie aber nicht mit seinen Krallen auf. Zudem liegt kaum Blut unter Tinker. Wo ist es hin? Und ich glaube nicht, dass Tinker sich nicht gewehrt hat. Es fehlen aber Spuren eines Kampfes.»

«Womöglich lief Tinker noch schwerverletzt durch das Maisfeld und versuchte unseren Bauernhof zu erreichen», dachte Brauni laut nach.

«Ja», sinnierte er leise, wobei er seinen Blick immer wieder woanders hinwandte. «Tinker kam vom Feld und wollte zum Bach. Die Spuren zeigen es deutlich. Es fehlen aber Blutspuren!»

«Er war in Eile und trat daher auch fester auf, Mikosh», mutmaßte Brauni und begann zu schnuppern. «Ich kann keine Geruchsspuren erschnüffeln. Zu viele duftende Pflanzen hier.»

Auch er hatte schon geschnuppert, aber kaum den Duft eines Artgenossen wahrnehmen können. Jetzt im Herbst blühten noch reichlich Blumen an den Feldrändern und überdeckten alle Gerüche vorbeilaufender Felidae. Er folgte der Spur des falsch herum liegenden Grases bis zum Bach. Der war an dieser Stelle nicht breit. Er sprang leichtfüßig hinüber und fand den Tatort nur wenige Meter entfernt. Auf ihrer Seite. Damit stand eindeutig fest, dass es der Nachbarhund nicht gewesen sein konnte, denn der achtete auf sein Revier. Was bedeutete, dass er dessen Grenzen nicht überschritt.

«Hier wurde Tinker von einen von uns getötet», sprach er das Offensichtliche aus.

«Es war einer von uns?», miaute Brauni laut auf.

«Die Hinweise sind eindeutig. Der Mordfelidae, ich nenne ich einfach mal geschlechtsneutral, hat Tinker an diesem Ort aufgelauert und ihm die Kehle aufgeschlitzt. Sieh dir die dunkle Stelle auf dem Boden an, Brauni. Dort ist das fehlende Blut, das Tinker verlor, im Erdboden versickert.»

«Und von hier aus sprang Tinker über den Bach und lief schwerverletzt, noch in das Revier des Hundes hinein?», fragte Brauni zweifelnd. «Das erscheint mir unsinnig. Zudem erscheinen die Pfotenabdrücke genau entgegengesetzt.»

«Es sei denn, er spürte seinen Tod kommen und hatte die Absicht, einen einsamen Ort, wie zum Beispiel inmitten des Maisfeldes dort drüben, aufsuchen. Aber hierfür weisen die Spuren in die falsche Richtung.»

Er spielte damit auf die Eigenheit der Felidae an, sich im Fall des nahenden Todeszeitpunktes an einen ruhigen und einsamen Ort zurückzuziehen. Brauni hatte aber recht, wenn auch auf andersartige Weise. Warum sollte Tinker auch schwerverwundet in das Revier des Hundes laufen? Er war von einen aus ihrer Gemeinschaft angegriffen worden und würde daher eher alle weiteren Artgenossen warnen wollen. Aber wieso lag er nun dort drüben - im Gebiet des benachbarten Bauernhofes?

«Warum warst du auf der anderen Seite des Baches?», fragte er, während er zum Bachlauf zurückkehrte.

«Ich war mit Morle mittags an der Straßenbrücke verabredet. Ich wählte den Weg aufgrund der bunten Blumen. Ich fürchte auch den Hund nicht.»

«Das ist merkwürdig!», murmelte er leise.

«Ich kann an meinem Weg nichts Merkwürdiges finden.»

«Ich auch nicht. Meine Äußerung hängt mit diesen zwei Pfotenabdrücken hier, auf unserer Seite des Baches, zusammen. Wo kommen sie her? Deine und meine sind es nicht, denn wir hüpften dort hinten über den Bach. Es sind auch tiefere Abdrücke als normal für einen Sprungabdruck der Hinterpfoten.»

Er sprang zurück über den Bach und versuchte mit seiner feinen Nase den Geruch, der dem Gras anhaftete, aufzunehmen. Aber der Blumenduft überdeckte alles. Er fand hier keinerlei Pfotenabdrücke, aber verkehrt herum liegendes Gras. Als ob Schweres durch das Gras geschleppt worden war und die Grashalme noch keine Zeit hatten sich wieder aufzurichten.

«Schweres, wie einen toten Kater. Der auf unserer Seite getötet und dann, ohne Pfotentapfen zu hinterlassen, über den Bach hinweg verbracht wurde», murmelte er leise vor sich hin. «Dabei sollte der Anschein erweckt werden, als ob der Hund, einen der Unsrigen tötete.»

«All dies kannst du aus den Spuren erkennen?»

«Das ist gar nicht mal so schwer. Aber warum geschah es?»

«Damit wir keinen Artgenossen verdächtigen?»

Er sah Brauni überrascht an. Natürlich, dachte er. Genau deswegen!

  1. Katze Summi

Brauni wirkte verwirrt, als sich er, nach intensiver Spurensuche, den Bachlauf abwärts wandte.

«Aber Mikosh, die Spuren weisen doch zu unserem Bauernhof! Wieso gehst du nun in Richtung der Straße?»

Er hielt in seinem Schritt inne und drehte sich Brauni zu.

«Tinker war dorthin unterwegs. Dort sollten wir uns also auch zuerst umsehen. Denn vermutlich kam von dort der Mordfelidae.»

Brauni schüttelte verwirrt seinen Kopf, folgte ihm aber. Der Weg am Bach entlang, war nicht lang und er musste sich auch nicht um den Hund vom Nachbarshof sorgen. Dessen Annäherung würden sie rechtzeitig hören und dann schnell über den Bach zurück auf ihre Seite springen. Nein, der Hund war keine Gefahr für sie. Und er war es auch nicht für Tinker gewesen. Es gab ein Mordfelidae unter ihnen, dessen war sich er sicher.

Als er, gefolgt von Brauni, die Straßenbrücke erreichte, stromerte Summi auf der anderen Straßenseite, dicht an dem Dornenfeld herum. Nur schwer wahrzunehmen mit ihrem dunkel gefärbten Fell, vor den ebenfalls dunklen Dornenstängeln. Mit schnellen Blicken schätzte er und Brauni die Gefahr von sich bewegenden Autos ab und huschten, auf einer feuchten Erdkrumenspur, die zeigte, dass seine Artgenossen immer an dieser Stelle die Straße überquerten, zu ihr hinüber.

«Hallo Summi», begrüßte er sie. «Es gab eine Tötung unter Unsresgleichen, den ich versuche aufzuklären. Würdest du mir einige Fragen beantworten?»

Summi sah ihn überrascht an, während sie sich auf ihre Hinterbeine setzte. Ihr Blick wanderte von ihm hinüber zu Brauni und wieder zurück. Sie begann sich zu putzen, was er als Aufforderung verstand, seine erste Frage zu stellen.

«Welche unserer Art hast du heute, wann und wo, gesehen.»

«Vormittags war ich zusammen mit Kater Rotauge am umgestürzten Baum. Ich stromerte dann alleine hierher und sah mittags Morle auf der anderen Straßenseite auftauchen. Ich sprach kurz mit ihm. Einige Zeit später, verschwand er.»

«Mit Morle war ich hier verabredet, Mikosh», warf Brauni ein.

Er wusste dies schon, nickte daher auch nur kurz mit dem Kopf.

«Mittags tauchte dann Rotauge, inmitten der wilden Müllhalte auf.»

«Wirkten beide anders als sonst?», fragte er.

«Nein», antwortete Summi.

«Was tat Rotauge dort?», warf Brauni dazwischen.

«Da Rotauge zu den schwächeren Katern der Gemeinschaft gehörte, jagt er oft auf der wilden Müllhalde, da er dort am leichtesten, an vorwitzige Mäuse und Ratten kommt.»

«Ja», bestätigte er. «Dies war mein erster Beschluss und ich habe noch keinen getroffen, der dagegen verstieß.»

«Nicht alle Felidae sind sieghaft bei der Jagd», stimmte Summi zu. «Es ist gut, das alle sie unterstützen. Du bist ein hervorragender Führer.»

Er nickte nur, während er Summis putzend beobachtete. Sie gehörte mit zu den erfolgreicheren Jägern. Rotauge mit seinem gemischtfarbigen Fell hatte dagegen das Privileg der Gemeinschaft erhalten, ungestört auf der wilden Müllhalde Beute machen zu können. Er zählte mit zu den schwächeren Felidae, der nicht mehr mit den Jüngeren mithalten konnte, was das Beutemachen anging. Nur so bekam er die Möglichkeit, sich noch selbst mit Nahrung zu versorgen und nicht mehr, wie früher, von den Erfolgreicheren damit versorgt zu werden. Er hatte dies bei seiner ersten geführten Versammlung vorgeschlagen und fast alle der Gemeinschaft stimmten ihm zu.

Während Brauni sich leicht am Boden schnuppernd zur Straße hin entfernte, putzte er sich weiterhin und beobachtete Summi genau. Sie war eine normalgebaute Katze und schlief, wie auch Tinker, in der Scheune zwischen den Heuballen. Dies war auch ein weiteres Anliegen von ihm, das er auf der nächsten Versammlung ansprechen wollte. Einen warmen Schlafplatz für alle Älteren. Momentan hatten einige von ihnen im Winter immer Schwierigkeiten, ihre Muskeln für die frühmorgendliche Jagd, nach einer kalten Nacht wieder aufzuwärmen.

«Als du heute Morgen die Straße zur Wiese hin überquertest, hast du einen von uns gesehen?»

«Am Toreingang zum Bauernhof döste Kater Stromer, Katze Grummelchen und Kater Peterle», erwiderte Summi. «Rotauge kam dann wenig später, zu mir an den umgestürzten Baum.»

«Danke Summi», wobei er mit dem Putzen aufhörte. «Richte es bitte ein, dass du am Abend auf dem Hof bist. Ich hoffe bis dahin, den Mordfelidae ausfindig gemacht zu haben. Brauni wird dich erwarten.»

Summi nickte zustimmend und er folgte der Straße zum Zugang der wilden Müllhalde.

  1. Kater Rotauge

Er und Brauni trafen auf Rotauge, nachdem sie den tiefen Spalt im Boden über ein dreckiges Brett überquert hatten, der auf die Wiese führte und sich direkt neben der wilden Müllhalde befand. Rotauge wurde seines Namens gerecht. In ein schwarzes Fell gehüllt, mit rötlichen Augen.

«Hallo Mikosh, Brauni», begrüßte Rotauge sie.

Wobei er flehmte, indem er viel Luft, in kurzer Zeit, über seine empfindliche Zunge streichen ließ.

«Mit Tinker stimmt was nicht», sprach Rotauge anschließend aus. «Ihm ist etwas Schreckliches passiert.»

Er tat es ihm nach und schmeckte die feinen Duftpartikel von Tinker. Sie behagten nicht mehr, wie sonst immer.

«Tinker wurde getötet», bestätigte er. «Welche Felidae kannst du noch Flehmen?»

«Summi, Morle, Weißfell, Stromer, Brauni und Dich», gab Rotauge stolz zurück.

Er erinnerte sich, dass er Weißfell auf dem Hof gesehen hatte, als er von Brauni zum Tatort geführt worden war. Der Wind wehte schon den Tag über von ihrem Bauernhof herüber. Und anhand der Namen erschloss sich ihm auch, das Stromer sich nicht weit von Weißfell aufhielt. Und gleichzeitig wurde ihm noch etwas bewusst. Zwar hatte Rotauge das feinste Flehmgespür, aber der Mord an Tinker machte schneller die Runde, als es ihm recht war.

«Ich habe eine Aufgabe für dich, Brauni», wandte er sich daher seinem Begleiter zu. «Informiere bitte alle Felidae unserer Gemeinschaft, dass Tinker getötet worden ist, und sorge dafür, dass jeder von ihnen an dem Ort verbleiben soll, an dem du sie angetroffen hast. Ich werde sie alle heute Nachmittag noch aufsuchen. Bleib dann auf dem Hof. Wir kommen alle zu dir.»

Brauni rannte sofort los. In Richtung des Felsens auf der Wiese. Er sah ihm nur kurz hinterher.

«Wie wurde Tinker getötet?», fragte Rotauge, «und vor allem, warum? Er war alt und als Konkurrent, um die Gunst einer Katze, keine Gefahr für jüngere Kater.»

«Letzteres ist das, die ich klären will. Ersteres ist geklärt. Tinker starb, weil jemand ihm die Kehle aufgeschlitzte. Was mich zu meiner Frage führt. Wo warst du heute überall?»

«Von meinem Übernachtungsplatz aus, lief ich zu Katze Lichthell im Hühnerstall. Sie hat meist eine Maus für mich. Von dort aus machte ich mich vormittags dann zum umgestürzten Baum auf. Dann mittags hierher, zur wilden Müllhalde.»

Er wusste, das Rotauge seinen Schlafplatz in einem Busch nahe der Straße hatte. Ein zwar windgeschützter Ort, aber im Winter recht kühl. Er kannte ihn, weil Morle ebenfalls in dem Buschwerk seine Schlafstelle gefunden hatte. Lichthell hatte ihren im warmen Hühnerstall. Geduldet von den Hühnern, die dadurch vor ihren nächtlichen Feinden geschützt wurden. Von den Mäusen, die sie fing, hielt des Öfteren eine für Rotauge zurück.

«An der Straße stromert Summi mit ihrem schönen dunklen Fell herum», berichtete Rotauge weiterhin. «Ich mag sie, habe aber kaum eine Chance bei ihr.»

«Du flehmtest Morle, Weißfell und Stromer. Hast du einen von ihnen gesehen?»

«Ich sah Morle vor kurzem hier vorbeistromern. Er verschwand auf der Wiese. Er ist ein aufmerksamer Wächter. Mit seinem dunklen Fell kann er sich gut in der Nacht verbergen. Schon zweimal konnte er den Luchs vertreiben.»

Er erinnerte sich dabei an sein erstes Zusammentreffen mit diesem Verwandten. Damals war er noch jung gewesen und hatte keine Kenntnis über die Gefährlichkeit dieses Räubers gehabt.

«Weißfell sah ich heute noch nicht», berichtete Rotauge weiter. «Er wird aber die Nähe zu Morle meiden, da sie sie sich beide nicht mögen. Sie gehören ja auch mit zu den kräftigsten Katern unter uns und messen daher oft ihre Kräfte. Stromer sah ich noch nicht.»

«Danke Rotauge», und begann selbst damit, sein Fell zu putzen.

Er brauchte ein wenig Zeit, um nachzudenken. Und eine Fellpflege war dazu immer ein gutes Mittel. Sein Ziel musste es sein, alle Felidae des Bauernhofes nach ihrem Aufenthaltsort und nach Sichtungen von Artgenossen zu fragen. Mit etwas Glück und einer genauen Analyse sollte es ihm möglich sein, anschließend den Mordfelidae in ihrer Gemeinschaft, ausfindig zu machen. Der Mord an Tinker war am Vormittag geschehen. Nun war es Mittag geworden. Er sah in Richtung der Wiese und flehmte nach der Duftspur von Brauni. Als er sie fand, folgte er ihr.

«Sei bitte heute Abend auf dem Hof», rief er noch zu Rotauge zurück. «Brauni wird dich erwarten.»

Braunis Spur führte ihn in Richtung des Felsens auf der Wiese, die sich hinter der wilden Müllhalde befand.

  1. Katze Grummelchen

«Hallo,» wurde er begrüßt, kaum das er die wilde Müllhalde verlassen hatte. «Brauni informierte mich eben aufgeregt über die geheimnisvolle Tötung von Tinker.»

Grummelchen war nur ein Jahr jünger als er und gefiel ihm. Sie hatte ein vollständig weißes Fell, während bei ihm nur die Brust so gefärbt war. Sie pflegte es aber momentan nicht besonders gut. Es war teilweise schon verfilzt. Was mit an ihrem Schlaflager, gleich neben dem Hühnerstall lag.

«Hallo Grummelchen», begrüßte er sie mit einem gefühlvollen Stups an den Kopf. «Diesem ‚Geheimnisvoll‘ bin ich derzeit auf der Spur. Dazu benötige ich allerdings einige Beobachtungen von dir und allen anderen Felidae aus unserer Gemeinschaft.»

«Du möchtest erfahren, wo jeder von uns, morgens und mittags, war und wen wir gesehen haben», stellte sie klar, «Brauni hatte es zwar eilig, war aber informativ.»

Er sah kurz über die Wiese, konnte aber Brauni nicht entdecken. Dafür Peterle auf dem Felsblock. Kaum sichtbar mit seinem hellen Fell auf dem ebensogefärbten Felsen. Grummelchen folgte seinem Blick.

«Er lag bereits dort, als ich an ihm vorbeiging», informierte sie ihn. «Vormittags döste ich mit ihm am Eingang unseres Bauernhofes. Mittags wanderte er dann auf zur Wiese hinüber. Lichthell tauchte dann, kurz nach Peterles verschwinden, bei mir auf. Kurz darauf machte ich mich dann selbst auf den Weg zur wilden Müllhalde. Peterle kam mir da nach, folgte aber nach Überquerung des umgestürzten Baumes, einer anderen Spur.»

Er sah sie erstaunt an. Alle benötigten Beobachtungen, lieferte sie in einer Aussage. Sie blickte, aufgerichtet mit ihrer normalen Statur, selbstbewusst zurück.

«Ist denn etwas dabei, dass dir bei der Suche nach dem Täter helfen wird?»

«Ich nutze die Bezeichnung Mordfelidae, da ich noch nicht herausgefunden habe, ob es ein Kater oder eine Katze war, die Tinker die Kehle aufgeschlitzt hat. Es steht für mich fest, dass der er sehr kräftig sein muss, denn er schleppte Tinker über den Bach hinweg. Das konnte er nur springend tun. Und er legte eine falsche Spur. Ist also intelligenter als die meisten von uns. Momentan ist es dies alles, was ich bisher herausfand.»

«Und wie willst du den Mordfelidae finden?»

«Indem ich mir ein zeitliches Bild der in Frage kommenden Felidae auf unserem Bauernhof mache», erläuterte er seine Vorgehensweise.

«Um so festzustellen, wer sich zu welchem Zeitpunkt, wo aufhielt», brachte sie es auf einen Nenner.

«Richtig. Gleichzeitig kann ich so auch Unwahrheiten entdecken, weil Gesehenes von Anderen, diese aufdecken.»

«Seit wann lügen wir?», fragte sie erstaunt.

Er stimmte ihr zu, indem er kurz mit dem Kopf nickte. Felidae logen nicht, weil sie es nicht konnten. Aus welchem Grund sollte auch ein Artgenosse angelogen werden?

«Unabsichtliches Auslassen von Informationen, kann man durchaus als unbewusstes Lügen ansehen.»

«Und das bewusste Weglassen von Informationen wäre dann ein bewusstes Lügen?», gab sie ihm erneut zum Nachdenken.

Er sah ihr in die Augen. Etwas das Felidae untereinander nur selten taten. Aber sie beide kannten sich gut. Sie hatten zusammen Nachwuchs gehabt. Er sah die Intelligenz in ihren Pupillen. Sie strahlte ihm entgegen, denn sie hatte nicht unrecht mit ihrer Aussage. Felidae konnten durchaus lügen. Nur nicht direkt.

«Für solche nicht ausgesagten Lügen gehört viel Intelligenz. Und soweit ich der Spur des Mordfelidae bisher folgte, ist er intelligent.»

«Mordfelidae. Er», sie maunzte dabei leise, «du bist in deiner Wortwahl nicht konsequent, wenn es dir darum geht, anzuzeigen, dass du nicht weist, ob der Mordfelidae eine Katze oder ein Kater ist. Aber wie ich gerade höre, bin ich ebenso inkonsequent damit.»

Sie schüttelte ihren Kopf und wandte sich dann zur wilden Müllhalde ab. Er blickte ihr verzaubert nach und flehmte ihrem Geruch nach. Ihre Intelligenz faszinierte ihn jedes Mal aufs Neue. Zum Herbst hin wollte er um sie werben. Seine erste Nachkommenschaft hatte sie ihm geschenkt. Drei junge Kater. Wobei zwei von ihnen im letzten Sommer, in Richtung des ehemaligen Sees der Wildkatzen fortgingen. Sie schienen die immense Neugierde von Ihm geerbt zu haben und folgten ihr. Möglicherweise würden sie eines Tages wieder auftauchen. Er war stolz auf sie.

  1. Kater Peterle

Er betrachtete den Felsen auf der Wiese einige Augenblicke lang. Dieser kam ihm nun kleiner vor, als bei seinem allerersten Anblick vor acht Sommern. Damals war er allerdings nur halb so groß gewesen, wie heute. Die Perspektive hatte sich nur gewandelt, denn der Felsen hatte seine Größe beibehalten. Oben auf ihm gab es eine Kuhle, in der sich nach einem Regenschauer immer etwas Wasser sammelte. Da Felidae Nässe nicht so mochten, aber Peterle gerade auf dem Felsen döste, musste der oben trocken sein. Eine konsequente Gedankenkette.

«Beobachtest du, wie dieser Felsen langsam kleiner wird?», vernahm er von oben herab. «Könnte mehr als deine neun Leben lang dauern.»

«Und wenn ich bedenke, dass ich am See der Wildkatzen, eines davon schon verloren habe…», erwiderte er und sah nach oben.

Peterle hatte sich auf seine Vorderpfoten erhoben und sah zu ihm herunter.

«Brauni kündigte dein Kommen an», sprach er und sprang elegant auf den Boden, zu ihm hinab. «Du suchst einen Mordfelidae, berichtete er recht hastig, als er hier vorbeirannte. Ich solle auf dein Eintreffen warten. Nun, ich hatte eh nicht vor wegzugehen. So wie dieser Felsen.»

«Brauni ist jung und ungestüm. Und er brauchte eine Aufgabe.»

«Die er mit Bravour meistert.»

Er musterte Peterle. Er war schlank, was ein Hinweis auf einen Mangel an ausreichender Ernährung war. Zudem hatte er schon seit dem letzten Winter kein warmes Schlaflager mehr. Im Sommer nichts Schlimmes, denn da war es auch in der Nacht noch recht warm. Aber die kalte Jahreszeit hatte er nur schwer durchgestanden. Wegen ihm und einiger anderer Felidae, die ebenfalls über keinen warmen Schlafplatz verfügten, wollte er den nächsten Beschluss erreichen. Allerdings fehlte ihm noch der entscheidende Gedanke für dessen Umsetzung. Wärmende Schlaflager gab es nicht in ausreichender Menge auf dem Bauernhof. Dazu war ihre Gemeinschaft inzwischen zu groß geworden. Ein Stups holte ihn aus seinen Gedankengängen.

«Willst du nicht wissen, wo ich war und was ich gesehen habe?», fragte Peterle dabei. «Das macht man doch, wenn man auf der Suche nach einem Mordfelidae ist. Man könnte allerdings auch jeden aus unserer Gemeinschaft fragen, ob er Tinker getötet hat.»

Er stimmte Peterle gedanklich zu. Das wäre die einfachste Möglichkeit. Er kannte keinen Artgenossen, der ihm nicht wahrheitsgemäß antworten würde. Zweikämpfe kamen immer vor und hin und wieder starb dabei ein beteiligter Felidae. Darüber sprach man offen.

«Ich habe aber das Gefühl, das der Mordfelidae diese Frage anders beantworten wird. Ich unterhielt mich vorhin mit Grummelchen über dieses Thema. Tinker wurde nicht in einem Zweikampf getötet. Seine Tötung war geplant und effizient umgesetzt worden.»

«Was auf ein Motiv hinweist, das unsere Gemeinschaft erschüttern wird», sprach Peterle den Gedanken aus, den er bisher nicht zu denken wagte. «Womöglich ist es besser, den Mordfelidae nicht zu finden?»

«Probleme innerhalb einer Gemeinschaft löst man nicht, indem man sie ignoriert», widersprach er. «Man stellt sich ihnen und löst sie. Daher meine Frage an dich nun, wie verlief deine Spur seit heute Morgen und wen hast du wo angetroffen oder gesehen?»

«Ich döste zusammen mit Stromer und Grummelchen am Toreingang. Mittags tauchte dann Lichthell auf und ich suchte die Wiese, gleich hinter dem umgestürzten Baum, auf. Da Kater Flecki und Stromer dort schon jagten, wandte ich mich dem Waldrand zu und versuchte mein Jagdglück nahe des Zaunes zum Wald. Nachmittags fand ich mich dann auf dem Felsen ein. Von hier oben aus kann ich weit blicken.»

Er dankte ihm für seine Informationen, indem er kurz mit dem Kopf nickte. Peterle jagte bevorzugt vom Felsen auf der Wiese aus. Durch die etwas größere Beobachtungsweite konnte er dadurch, trotz seiner schwachen Statur, ausreichend Beute machen.

«Wirst du wieder um Grummelchen werben?», fragte Peterle ihn.

«Ich habe es vor.»

«Ich werde dir dieses mal nicht im Wege stehen. Mir gefällt an ihr nicht, dass sie ihr schönes helles Fell so verfilzen lässt. Sie pflegt sich nicht mehr, seitdem eurer erster Wurf uns teilweise verlassen hat. Es scheint ihr nahegegangen zu sein.»

«Ein Grund mit, warum ich um sie werben will. Ein neuer Wurf mit mir, könnte ihr helfen sich wiederzufinden.»

«Dann wist du nächstes Jahr in mir, wahrscheinlich einen Konkurrenten haben», womit Peterle wieder auf den Felsen hinaufsprang. «Es ist noch früh am Nachmittag, um einige Mäuse zu jagen. Brauni teilte mir noch mit, dass du uns alle heute Abend auf dem Bauernhof zu sehen wünscht. Ich werde da sein.»

  1. Katze Flecki

Er kannte den umgestürzten Baum schon so lange, wie er zurückdenken konnte. Im ersten Jahr hatte er allerdings noch grüne Blätter im Sommer getragen. Inzwischen nicht mehr. Auch viele der kleineren Äste waren herabgefallen. Nur die großen Äste besaß der Baum noch. Aber, er lag noch immer über den Bach und schuf so eine Verbindung zwischen dem Bauernhof und der Wiese. Alle Felidae des Hofes nutzen ihn, um auf die Wiese zu gelangen.

Aus einem mitgehörten Gespräch mit dem Bauern wusste er, das der Jäger sich für den Baum nicht zuständig fühlte, da er ja nicht im Wald umgefallen war. Es war Sache des Bauern, den umgestürzten Baum zu entfernen. Zum Glück für einige aus der Gemeinschaft, tat er dies jedoch bisher nicht. Flecki gehörte zu den mehr Schwächlichen, denn sie war kaum in der Lage, den Bach an einer schmalen Stelle zu überspringen. Ihr rechtes Hinterbein hatte sie sich bei einem Sprung vor vielen Sommern verletzt. Seitdem humpelte sie.

Der umgestürzte Baum war die einfachste Möglichkeit für sie, die Wiese zu erreichen. Ansonsten müsste sie, der Straße folgend, über die Brücke, hin zur wilden Müllhalde. Dort lag ein Brett über den Spalt, der die wilde Müllhalde von der Straße trennte. Allerdings lag dort auch das Gebiet des Hundes, vom benachbarten Bauernhof. Und eine humpelnde Katze war nicht schnell genug, um dem Hund zu entkommen, wenn der sie in seinem Revier sehen würde. Somit blieb Flecki nur der umgestürzte Baum, um über den Bach, die Wiese oder die wilde Müllhalde zu erreichen und damit letztendlich zu eigenständiger Beute zu kommen. Und am Baum traf er sie an.

«Hallo Flecki.»

«Mikosh. Unsere Gemeinschaft weis inzwischen schon, was passiert ist. Brauni verweilte nur kurz bei mir, war aber informativ. Tinker hat es also der Tod ereilt.»

«Unfreiwillig», bestätigte er korrigierend und lieferte Flecki die Begründung nach. «Es war kein Kampf, sondern eine Tötung.»

Flecki bewegte sich zum ersten Mal, nachdem er sie angetroffen hatte. Etwa dreißig Körperlängen hinter dem umgestürzten Baum hatte sie im Gras gelegen und auf Mäuse gelauert. Sie ging nun humpelnd einige Schritte auf ihn zu und setzte sich vor ihm auf den Boden. Wobei sie ihr rechtes Hinterbein anders legte, als er es tun würde.

«Ich fühle es nicht, Mikosh», maunzte sie ihm leise zu.

«Ich weis. Aber es sieht komisch aus.»

Er wusste, das Flecki sich dieses Bein bei einem zu tiefen Sprung gebrochen hatte. Seitdem fühlte sie es nicht mehr. Trotz, dass er es wusste, irritierte es ihn immer wieder.

«Ich muss wissen, wo du dich seit heute Morgen aufgehalten hast.»

«Ich habe auf dem Felsen dort drüben die Nacht verbracht. Du weist ja, dass ich kein warmes Schlaflager habe. Der Stein hält aber auch nachts noch die Sonnenwärme vom Tag», berichtete Flecki und nickte kurz mit ihren Kopf auf die Wiese hinaus. «Kurz vor der Mittagszeit war ich in der Nähe des Waldrandes. Stromer jagte bereits, fast unsichtbar mit seinem gemischtfarbigen Fell, am umgestürzten Baum ein Eichhörnchen, als ich dort eintraf. Womöglich sollte ich es auch einmal mit Eichhörnchen versuchen. Ich habe ja auch ein gemischtfarbiges Fell.»

«Die Baumkletterer sind wendiger als Mäuse. Bei deiner schwachen Statur, wäre es besser, wenn du von der Jagd auf sie absehen würdest. Sie zehrt einen nur noch mehr aus.»

«Und auf meinen drei Beinen bin ich kaum beweglicher als eine Maus. Leckeres Eichhörnchen ade. Stromer ergriff seines aber auch nicht. Dabei ist er mit seinem gemischtfarbigen Fell fast unsichtbar beim Jagen. Mir gefällt aber das helle Fell von Kater Weißfell viel mehr.»

«Du hast Weißfell als möglichen Vater für deinen Nachwuchs in Betracht genommen?», fragte er interessiert. «Bist du denn der Meinung, dass er dasselbe bei dir im Sinn hat? Immerhin ist er neun Sommer jünger als du.»

«Da wir Katzen nur wenige sind, fällt das Auge eines jungen Katers auch mal auf eine ältere Dreibeinige. Womöglich ist dies ja der Hintergrund für die Tötung von Tinker. Ein Kontrahent weniger in diesem Jahr, um unsere Gunst.»

Er musste ihr zustimmen. Es wäre ein möglicher Grund für den Mordfelidae. Ein schon alter Kater war leichter zu töten, als ein noch junger. Und so gäbe es auch einen Nebenbuhler weniger. Mikosh zählte gedanklich die Anzahl der Felidae auf dem Bauernhof durch. Tinker, Brauni, Weißfell, Morle, Stromer, Peterle, Rotauge und er selbst. Dem gegenüber standen Grummelchen, Lichthell, Summi, Flecki und Miu. Wobei Miu schon seit einigen Tagen, krank auf ihrem Schlaflager lag und sich kaum bewegen wollte. Als Mordkatze kam sie nicht in Frage. In seiner Spurensuche hatte Mikosh sie daher nicht berücksichtigt. Sieben Kater, Tinker ausgenommen, zu fünf Katzen. Ja es wäre ein Grund zum Töten.

«Sei heute Abend bitte auf dem Bauernhof», bat er Flecki und sprang auf den umgestürzten Baum, wobei seine Vorderpfoten, Erdkrumen unter sich spürten.

  1. Kater Stromer

«Sie überraschen einen eine immer wieder, durch ihre Fähigkeit, kopfüber einen dicken Ast entlang zu rennen», begrüßte er Stromer. «Mäuse sind da viel einfacher zu fangen und wie ich sehe, warst du bei ihnen erfolgreicher.»

Stromer saß neben der Wurzel des umgestürzten Baumes und hielt mit der linken Vorderkralle eine noch lebende Maus fest. Durch sein gemischtfarbiges Fell und seiner normalen Statur, war er in der Tat fast unsichtbar vor dem umgestürzten Baum. Er sah ihn erst, als er sich leicht bewegte. Er sah auch sofort, dass er zu wenig Speck unter dem Fell hatte. Stromers Aussehen erinnerte ihn an die Maus, die dieser zappelnd in seiner Kralle hielt. Auch sie war mager. Was darauf hindeutete, dass Stromer bei der Jagd nicht mehr so schnell wie bisher war. Er erhaschte nur noch die Langsamen.

Das Spielen mit der erbeuteten Nahrung war eine Eigenart der Felidae. Es schulte den Blick für die Geschwindigkeit der Beute, hatte seine Pflegemutter ihm beigebracht. Der verstorbene Muffel, hatte es immer als grausam angesehen. Aber es bot der gefangenen Maus auch die Chance ihrem Schicksal noch zu Entkommen.

«Hallo Mikosh», grüßte Stromer und tötete mit einem schnellen Biss die Maus. «Du hast gute Augen, wenn du meiner Jagd auf das Eichhörnchen vorhin folgen konntest.»

«Flecki berichtete mir davon», korrigierte er. «Sie zeigt Interesse an dir.»

Stromer putzte sich das Maul sauber und sah ihn an.

«Ich habe es schon bemerkt. So wie ich auch um dein Interesse an der Aufklärung, um die Tötung von Tinker weiß. Wie kann ich dir dabei helfen?»

Er beglückwünschte sich zu seinem Einfall, Brauni als Boten vorangeschickt zu haben. Zum einen brauchte er nicht mehr erklären, warum er Fragen zum Tagesablauf stellte, sondern würde damit den Mordfelidae auch nervös machen. Obwohl Letzteres bei Felidae nur schwer möglich war.

«Indem du mir schilderst, wo du heute warst.»

«Nachdem ich die Nacht in einem Hauballen auf dem Feld verbracht hatte, suchte ich den Hofeingang auf. Dort blieb ich bis zum Nachmittag. Dann spürte ich aufkommenden Hunger und begab mich hierher. Von der gewaltsamen Tötung Tinkers habe ich nichts mitbekommen, außer das Brauni mir davon berichtete und dein Kommen ankündigte.»

«Nur der Mordfelidae hat etwas vom Tod Tinkers mitbekommen. Mir geht es eher darum, zu erfahren, wo du dich den Tag über aufgehalten hast und wen du gesehen hast. Wobei ich Ersteres ja nun weis.»

«Auf dem Weg zur Toreinfahrt des Bauernhofes sah ich nahe der Scheune, Morle hinter dieser verschwinden. Am Bauernhauseingang lag Weißfell und Grummelchen. Peterle traf ich dann an der Einfahrt. Später sah ich Morle und Summi nahe der Straßenbrücke umherlaufen.»

«Ich danke dir», bedankte er sich und putzte sich dabei Erdkrumen aus der rechten Pfote.

«Ich mag den Anblick von Summi. Ihre normale Statur spricht mich mehr an. Im Gegensatz dazu wirkt Morle, als wäre er viel zu dick. Aber wenn ich daran denke, dass er, wie ich selbst, keinen warmen Schlafplatz hat, ist seine Speckschicht im kommenden Winter von Nutzen. Was mich dazu treibt, noch mehr an vorwitzigen Mäusen und kopfüber laufenden Eichhörnchen zu jagen. Denn mir fehlt noch viel an Speck unter dem Fell. Gute Spurensuche Mikosh.»

«Sei bitte heute Abend auf dem Bauernhof, Stromer. Brauni wird dich erwarten.»

Er warf einen letzten Blick auf Stromer. Nun erinnerte ihn dessen Statur an die von Miu. Seiner verlorengeglaubten und wiedergefundenen Schwester. Durch ihre Krankheit hatte sie viel von ihrer Speckschicht verloren und wirkte hagerer als Stromer. Ihr Fell hing ihr wie eine dünne Decke über ihren schmalen Körper. Sie hustete derzeit viel zu viel. Ihre Augen waren verklebt und sie ließ die Schnurrhaare hängen. Sie bot ein Bild der Traurigkeit.

Tinker hatte vor einigen Sommern mal unter demselben gelitten. Aber nur kurz Hustenanfälle gehabt und das auch nur im Frühling. In der heißen Jahreszeit lies sein Husten nach und zum Herbst hin, war er wieder gesund gewesen. Daher wusste er, um den Verlauf der Krankheit. Sie war nicht tödlich, wenn man sie in den warmen Zeiträumen eines Jahres bekam. Miu hatte sie leider zum Ende der Herbstzeit bekommen. In einer Zeit, in der es wichtig war, sich einen dicken Speckmantel anzufressen. Zusätzlich war sie nun in ihrer fruchtbaren Phase, was ebenfalls an ihren Energiereserven knabberte.

Er hatte ihr, ihren gemeinsamen warmen Schlafplatz komplett überlassen und sie zudem noch mit den ersten herabfallenden Blätter des Kirschbaumes zugedeckt. Wärme schien die Krankheit zurückzudrängen. Aber es ging ihr nicht besser. Er ahnte, dass sie die kommenden Winterzeit nicht überleben würde. Es machte ihn traurig.

  1. Katze Lichthell

Er saß an der Straße vor seinem Bauernhof und blickte hinüber. Hinter ihm lag der umgestürzte Baum, der einen leichten Übergang über den Bach gewährleistete. Nur kurz dachte er darüber nach, dass der umgestürzte Baum schon seit einigen Jahren über den Bach lag und weder der Bauer noch der Förster etwas unternommen hatten, um ihn zu entfernen. Bei diesem Gedanken tauchten auch weitere Hinweise auf den beginnenden Zerfall seines Bauernhofes auf. Die Scheune, in deren Außenwände immer mehr Bretter fehlten. Als er noch jung gewesen war, gab es noch reichlich warme Schlafplätze in ihr. Heute waren sie selten geworden.

Eine minimale Bewegung auf der anderen Seite der Straße zeigte ihm den Platz, an dem Lichthell döste. Gleich neben dem Toreingang im hohen Gras. Eine kaum wahrnehmbare Erdkrumenspur führte über die Straße. Ihr gemischtfarbiges Fell verbarg sie dort gut. Er hatte sie nur erkennen können, als sie sich leicht bewegte. Er erinnerte sich an die Lektion, die ihm einst Maunz erteilt hatte. Felidae sahen hauptsächlich bewegliche Wesen, kaum stillhaltende. Maunz hatte es ihm demonstriert, indem er sich im Inneren der Scheune gleich neben die Tür setzte, während er aus ihr heraus, nur die helle Türöffnung sah, aber nicht den stillsitzenden Maunz. Er huschte zu Lichthell hinüber.

«Hallo Mikosh. Brauni teilte mir vorhin mit, dass du kommen würdest und das der Grund wichtig sein, sodass ich hierbleiben sollte. Was ich auch so getan hätte, denn der Platz hier gehört ja zu meinen Lieblingsplätzen. Aber das weist du ja sicher. Es hängt mit dem zusammen, was Brauni dir heute Mittag zurief, als er an mir vorbeirannte.»

«Tinker wurde am Vormittag getötet und alle Spuren weisen auf einen von uns, als Mordfelidae, hin», unterbrach er den Redefluss von Lichthell. «Ich möchte gerne von dir erfahren, wo du warst und wen du gesehen hast.»

«Das ist schnell erzählt», begann Lichthell und setzte sich auf, wobei ihre kräftigen Muskeln gut unter ihrem Fell zu erkennen waren. «Von meinem Schlafplatz im Hühnerstall aus, machte ich mich heute früh mit Rotauge auf, an diesen Ort. Rotauge überquerte die Straße und lief auf die Wiese, wo er sich mit Flecki treffen wollte. Da sie beide von schwacher Statur sind, jagen sie gemeinsam, um ihre Chancen zu erhöhen. Eine gute Strategie, meine ich. Ich betrachtete derweilen, zusammen mit Grummelchen, die vorbeifahrenden Autos. Und das sind eine ganze Menge, am morgen. Wusstest du, dass sie vormittags und nachmittags am häufigsten, die Straße entlangfahren?»

«Grummelchen war bereits hier, als du und Rotauge kamt?», unterbrach er erneut ihren Redefluss, ohne auf ihr Thema einzugehen.

«Ja. Sie war schon hier, als wir hier ankamen. Sie machte die Bemerkung, dass Flecki und ich, zum Verwechseln ähnlich sind. Es sei denn Flecki beginnt sich zu bewegen. Ich humple ja selbst nicht. Eine schlimme Sache, wenn man sich ein Bein bei einem Sprung so verletzt, das man es anschließend nicht mehr richtig nutzen kann. Ich frage mich, ob sie Schmerzen beim Laufen verspürt. Habe sie allerdings noch nicht danach gefragt.»

«Sie spürt dabei keine. Ihr würden die Schnurrhaare vibrieren, sobald es schmerzvoll ist. Hast du sonst noch einen von uns gesehen?»

«Nur Morle, der nachmittags von der Wiese herüberkam», antwortete Lichthell, nachdem sie sich einige Zeit die linke Pfote geputzt hatte. «Er hatte Schwierigkeiten, die Straße zu überqueren. Zu viele der schnellen Autos. Ich versuchte, ihn in ein Gespräch über die vorbeifahrenden Autos zu verwickeln, aber er ignorierte mich. Er ist zwar kräftig aber seine Augen sehen sind nicht gut.»

«Ich danke dir für deine Informationen und möchte, dass du heute Abend auf dem Hof bist.»

Als er Anstalten machte, sich zu entfernen, hielt ihn Lichthell zurück.

«Ahnst du, dass womöglich drei von uns das kommende Frühjahr nicht erleben werden? Derzeit gibt es noch genügend Nahrung, um sich einen dicken Speckmantel anzufuttern, aber die uns bevorstehende kalte Zeitspanne, wird länger andauern. Ich kann es im Wind erschnuppern. Er kommt früher als sonst. Ein untrügliches Zeichen, wie du weist. Und Mäuse gibt es im Winter kaum zu erbeuten.»

«Wir alle riechen und ahnen es. Deswegen will ich demnächst etwas vorschlagen, das den Dreien unter uns, die du ansprichst, ein Überleben gewährleisten könnte.»

Ihm kam bei diesem Satz der Gedanke, dass dies womöglich mit der Auslöser war, warum der Mordfelidae aktiv geworden war. Der Winter war immer auch eine lebensgefährliche Zeitspanne für alle auf dem Bauernhof. Es gab selten eine kalte Jahreszeit, den alle Felidae überstanden. Der Bauer hatte zwar nichts gegen ihre Anwesenheit, aber dazu gehörte leider nicht das warme Innere des Haupthauses. Und die eiskalten Nächte im Winter, waren die längsten des Jahres.

«Wir sehen uns heute Abend», sagte er zum Abschied und trollte sich zum Tor. «Brauni ist der Treffpunkt.»

  1. Kater Weißfell

Weißfell lag direkt neben der Tür zum Wohnhaus des Bauern. Da dieser Eingang nach Süden ausgerichtet war, schien dort den Tag über die Sonne. Es war sein Lieblingsplatz. Wenn er nicht gerade auf der Jagd war, konnte man ihn immer an diesem Platz finden. Es war eher ein Verhalten, dass man von älteren Felidae erwarten würde. Er war jedoch erst vier Sommer alt. Mit halb geöffneten Augen verfolgte Weißfell seinen Weg, als er den steinernen Hof betrat.

«Brauni teilte schon mit, dass du kommen und mir Fragen stellen willst», begrüßte Weißfell ihn. «Tinker soll getötet worden sein?»

Er setzte sich vor Weißfell auf den Boden, und begann sich zu putzen. Weißfell tat es ihm gleich und er bewunderte dabei dessen kräftige Muskeln unter dem hellen Fell. Hatte aber auch ein Auge auf das Geschehen rechts von ihm, neben dem Kirschbaum.

«Tinker wurde von einen der Unsrigen getötet», bestätigte er.

«Ich war es nicht, was deine Suche vereinfachen wird. Zudem sind wir derzeit nur wenige auf dem Bauernhof.»

«Dreizehn heute Morgen. Elf jetzt am Nachmittag», konkretisierte er.

«Brauni, Summi, Rotauge, Grummelchen, Peterle, Flecki, Stromer, Lichthell, Morle, Miu, du Mikosh und der getötete Tinker sowie ich», zählte Weißfell die Felidae namentlich auf.

«Ein Opfer, ein Mörder, ein Spurensucher, ein Helfer, eine krank niederliegende Katze. Elf in Frage kommende Mordfelidae», stellte er klar.

«Du betrachtest dich selbst als möglichen Täter?»

«Ich schließe bei meiner Suche niemanden aus. Im übrigen ist es noch unklar, ob es ein Kater oder eine Katze war, der oder die Tinker getötet hat.»

«Du schließt Miu aus», korrigierte Weißfell. «Aber da sie krank auf ihrem Schlafplatz liegt, kommt sie als Mordkatze nicht in Frage.»

«Du hast recht, Weißfell. Miu schloss ich, aufgrund der Art ihrer Erkrankung, aus. Vermute ich richtig, dass du den Tag über, hier, an diesem Platz lagst?»

«Ja. Die Steine erwärmen sich schnell auf, wenn die Sonne auf sie scheint. Nach einer kühlen Nacht wärme ich so meine Muskeln für die Jagd auf.»

«Der du abends in der Dämmerung dann nachgehst. Wen von uns hast du heute gesehen, Weißfell?»

«Brauni und dich am Vormittag. Erst Brauni zum Kirschbaum eilend, dann ihr beide zurückrennend. Ich vermute mal, Brauni fand Tinker und informierte dich?»

«Ja. Brauni fand Tinker nahe des Baches. Ich fand Spuren am Tatort, die auf ein Mordfelidae innerhalb unserer Gemeinschaft hinweisen. Daher nun meine Spurensuche. Das heißt, ich suche jeden auf und befrage ihn, wen er wann und wo sah.»

«Hinter dem Tor, am Rand der Straße, hielten sich Lichthell, Peterle und Grummelchen auf. Grummelchen und Peterle tauchten vormittags auf. Lichthell am Mittag. Peterle verschwand zur selben Zeit. Grummelchen nachmittags. Peterle mag ich nicht besonders, aber Lichthell bewundere ich. Er hat genauso kräftige Muskeln wie Morle und ich. Um Grummelchen werde ich werben, auch wenn sie ihr Fell nicht gut pflegt. Mit etwas mehr an Pflege, würde sie wie eine normal gebaute Katze aussehen. Momentan sehe ich es eher als verfilzt und für ihre Figur nicht von Vorteil an.»

«Möglich, dass sie diesen Herbst nicht möchte, dass wir um sie konkurrieren», mutmaßte er. «Ich selbst habe es ja auch vor. Wir beide werden uns demnächst also als Gegner gegenüberstehen.»

«Ich denke, das kann ich oder jeder andere Kater sich ersparen, denn Grummelchen wird dich wieder erwählen, wenn sie denn Nachwuchs haben will. Wobei ich dann natürlich auch um sie werben werde, aber ein Kampf zwischen uns beiden wird es nicht geben. Wir wissen ja, wie Grummelchen sich entscheiden wird.»

Ein dunkler Schatten nahe des Kirschbaumes zu seiner rechten, ließ ihre Aufmerksamkeit umschwenken. Morle huschte den Baum hinauf. Brauni saß unten am Stamm und sah Morle nach. Wenn er es während seines Gespräches mit Weißfell richtig beobachtet hatte, hatte Brauni seinen Sohn von der Tötung Tinkers informiert. Er lag gut in seiner Zeitplanung.

«Morle will auch um Grummelchen werben, hörte ich», sagte Weißfell. «Und im Werbungskampf ist er auch für uns beide inzwischen ein ernsthafter Gegner. Er ist kräftig.»

Er bewunderte seinen ersten eigenen Nachwuchs. Er war der Mittlere von drei Katern aus seinem allerersten Wurf. Und der Einzige, der auf dem Bauernhof geblieben war.

«Bleib bitte hier», teilte er Weißfell mit, als er sich erhob. «Morle ist der Letzte, den ich befragen werde. Anschließend treffen wir uns alle um Brauni herum.»

  1. Kater Morle

Brauni sah ihn neugierig entgegen, als er sich dem Kirschbaum näherte. Ebenso Morle, der auf einem der unteren Äste lag, ihn beobachtend, sich aber nicht rührte. Wobei er auf dem dunklen Holz, mit seinem ebensolchen Fell, kaum zu erkennen war.

«Ich habe ihn gerade über die Tötung informiert», sprach Brauni ihn an. «Aber noch keine deiner Fragen gestellt.»

«Gut gemacht, Brauni. Eine letzte Aufgabe hätte ich noch für dich. Ich habe allen mitgeteilt, dass sie sich auf dem Hof um dich herum versammeln sollen. Bitte begib dich auf den Innenhof, so das alle dich leicht finden. Morle und ich kommen dann ebenfalls zu dir.»

«Und dann klärst du den Mord auf?», fragte Brauni mit aufgeregter Stimmlage.

«Ich denke, ja».

Dann sprang er kraftvoll zum untersten Ast hinauf, auf dem sein Sohn lag. Morle lag entspannt auf einem unteren Ast. Die Lieder halb geschlossen aber die Ohren aufgestellt. Er ging langsam über den, mit Erdkrumen bedeckten, Ast auf Morle zu und setzte sich ihm gegenüber.

«Als du heute Vormittag vom Kirschbaum verschwandest, wo liefst du hin?»

«Zur Scheune hinüber», teilte Morle ihm mit und öffnete seine Augen dabei. «Ich kenne eine Stelle hinter ihr, wo es leicht Mäuse zu fangen gibt.»

Er kannte sie. In seinen ersten Jahren auf dem Bauernhof hatte er dort die Mäusejagd geübt. Es gab dort ein wild wachsendes Grasfeld, auf dem sich im Sommer die beiden Pferde des Bauern aufhielten, das den den kleinen leckeren Nagern gute Verstecke bot. Zumindest aus ihrer Sichtweise. Für die Augen der Felidae waren sie jedoch leicht zu erkennen.

«Ich hörte von Brauni, das du dich mit ihm treffen wolltest».

«Stimmt. Ich sprach eben mit Brauni darüber, warum er nicht am Treffpunkt auftauchte. Wir wissen nun beide, dass ihn die Tötung an Tinker daran hinderte.»

«Das Auffinden von Tinker», korrigierte er. «Brauni hat Tinker nicht getötet.»

Wobei er dabei eine leichte Unsicherheit spürte. Aber Brauni war erst zwei Sommer alt und in vielen noch unerfahren. Auch bei einem überraschenden Angriff auf Tinker hätte er kaum eine Chance gehabt.

«Ich traf Summi an der Straßenbrücke», sprach Morle unbeeindruckt weiter. «Wir unterhielten uns kurz. Als Brauni nicht auftauchte, suchte ich die wilde Müllhalde auf. Folgte dem Pfad über die Wiese zum umgestürzten Baum. Dort traf ich auf Stromer, der versuchte ein Eichhörnchen zu jagen. Aber er ist nicht kräftig genug, um die Äste beiseitezuschieben. So muss er drumherum laufen, was Zeit kostet. Ich störte ihn bei seiner vergeblichen Jagd nicht.»

«Er hatte es auch noch nicht erbeutet, als ich ihn später dort traf.»

«Am Tor zum Bauernhof traf ich auf Lichthell mit ihrem schönen gemischtfarbigen Fellmuster», berichtete Morle weiter von seinem Tagesablauf. «Sie wollte mich in ein Gespräch über ihr Lieblingsthema einbinden.»

«Über die verschiedenen Autos auf der Straße», warf er ein.

«Ich ignorierte dies aber», ließ sich Morle nicht unterbrechen. «Neben der Tür zum Wohnhaus des Bauern lag dösend Weißfell. Ich glaube nicht, dass er mich sah, wie ich hierher zum Kirschbaum lief. Seine Augen waren verschlossen.»

Er wusste aus eigener Erfahrung, dass dies bei seiner Art nicht viel aussagte. Felidae konnten ihre Lieder so schließen, dass ein winziger Spalt offenblieb. So behielten sie ihre Umgebung immer im Auge.

«Begib dich bitte zu den anderen, die sich um Brauni versammeln. Ich folge dir gleich.»

Während Morle wortlos vom Kirschbaum sprang und sich zu Brauni auf den Hof begab, begann er über den Fall nachzudenken. Er ging dabei gedanklich zu der Tageszeit zurück, in der Tinker getötet wurde und ordnete den Örtlichkeiten des Bauernhofes diejenigen Felidae zu, die er befragt hatte. Dann folgte er ihren täglichen Pfaden durch den Tag hindurch. Alles was er fand, waren ihre Spuren und dessen nähere Umgebung. Aber keinen Bezug zum Tatort. Er legte seinen Kopf auf die Vorderpfoten. Er konnte den Mordfelidae nicht über seine Spur finden. Aber möglicherweise über den Grund für die Tötung von Tinker.

«Vielleicht zeigt Tinker selbst ein Hinweis auf ihn», grummelte er vor sich hin.

Tinker gehörte zu den ältesten Katern auf dem Bauernhof. Zwölf Sommer hatte er gelebt. Trotz seines hohen Alters war er bei der Jagd noch erfolgreich. Man sah ihm dieses auch an. Seine Statur war Hager, sein Fell kurz und mit vielen Verdickungen verunreinigt. Zudem hatte er immer wieder Schmerzen, die er sich allerdings nie anmerken ließ. Tinker hatte keine Feinde, da er seit langen nicht mehr um die Gunst der Katzen stritt. Er spitzte die Ohren, als ihm klar wurde, dass er das Rätsel um Tinkers Tötung, auch über eine quadratische Struktur lösen konnte.

  1. Mordfelidae

Er baute seine gedankliche Matrix mit den ermittelten Informationen auf. An zwei der vier Randfelder setzte er die in Frage kommenden Örtlichkeiten, der Umgebung des Tatortes betreffend ihrer Zugehörigkeit. Über der dritten und vierten Randseite, die Statur sowie die Fellfarbe. In der Mitte dieser Struktur fügte er anschließend die Namen der beteiligten Felidae ein, und das Motiv, das den Mordfelidae zu der Tötung veranlasst hatte. Denn dieses war ihm inzwischen klar geworden, und bestätigte ihn in seinem Vorhaben für die nächste Versammlung.

Dabei ließ er den Mord nochmals in seinen Gedanken ablaufen. Begonnen hatte er in dem Augenblick, als Tinker seinen Schlafplatz in der Scheune verlassen hatte. Der Mordfelidae kannte dessen Tagesablauf. War ihm vorausgeeilt und hatte ihm am Bach aufgelauert und schnell getötet. Das Opfer dann auf seinem Rücken, rückwärtsgehend, über den Bach hinweg, in das Revier des benachbart lebenden Hundes gebracht. Damit es so aussah, als ob dieser es gewesen war.

Er staunte noch immer über die Vorgehensweise des Mordfelidae. Dieser war intelligent vorgegangen. Nur hatte er nicht bedacht, dass man nicht rückwärts über den Bach springen konnte. Womit dieser sich, über seine verkehrt herum abgebildeten Pfotenabdrücke auf dieser Bachseite, verraten hatte. Eine Unachtsamkeit, die ihn auf die richtige Spur gebracht hatte. Vom Fundort des Opfers aus, war der Mordfelidae dann, ebenfalls rückwärts gehend, bis nahe der Straßenbrücke gelaufen, wo sich dessen Spur verlor. Ab hier hatte er nur anhand seiner Befragungen die Tat wieder herstellen können.

Während er nachdachte, versammelten sich alle Felidae, um Brauni. Er bekam es zwar mit, aber die Struktur in seinen Gedanken füllte sich mit immer mehr Informationen. Als sie gefüllt war, bestätigte sich der Name des Mordfelidae. Er reckte sich und sprang vom Kirschbaum zu Boden und lief zu Brauni, um den herum all die Katzen und Kater des Bauernhofes saßen und ihm interessiert entgegenblickte.

Er blickte nacheinander alle an, als er sich neben Brauni setzte.

«Ich kenne nun den Mordfelidae, der Tinker tötete. Und auch sein Motiv. Ein Felidae unserer Gemeinschaft. Er versuchte, es so aussehen zu lassen, dass der Verdacht auf den Hund vom benachbarten Bauernhof fallen sollte. Dazu trug er Tinker, rückwärtsgehend, über den Bach hinweg. Sodas von Tinker keine Pfotenspuren im Gras zurückblieben. Und die verbliebenden Spuren in die falsche Richtung zeigen. Was auf einen kräftigen, denn Tinker war zwar alt, aber nicht dünn und leicht, sowie auf einen intelligenten Felidae, hinweist.»

«Wer ist es?», meldeten sich mehrere Stimmen.

Er wandte seinen Blick ein wenig zur Seite und sah den Mordfelidae direkt in die Augen.

«Verraten haben dich letztendlich die Erdkrumen, die du auf deinem Pfad hinterließest. Erdkrumen, die vom feuchten Boden am Bach stammen und sich deswegen lange zwischen den Pfoten hielten. Du hast Tinker getötet.»

«Ja», bestätigte dieser seine Tat. «Und was willst du nun unternehmen?»

Er hatte mit dieser Frage gerechnet, wollte es aber nicht auf einen Kampf ankommen lassen Er lies seinen Schweif, zweimal hart auf den Erdboden klopfen. So wie er es einst bei dem Muffel immer wieder beobachtet hatte. Bei Muffel war es Ausdruck von Freude gewesen. Er nutzte diese ungewöhnliche Geste, um alle Unbeteiligten auf seine Entscheidung vorzubereiten. Freude verspürte er dabei keine.

«Ich verbanne dich vom Bauernhof», antwortete er, während alle Felidae zustimmend nickten. «Eine Verhaltensweise, wie die Deinige, können wir nicht tolerieren. Innerhalb unserer Gemeinschaft sind wir füreinander da, nicht gegeneinander.»

Es mochte sein, dass der Mordfelidae ihn jetzt trotzdem angriff. Er tat es nicht, sondern blickte nur einmal alle Felidae des Bauernhofes an und wandte sich dann wortlos ab. Er sah ihm solange nach, bis er im Wald hinter der Wiese verschwand.

«Er wird eines Tages den richtigen Weg wiederfinden», maunzte Brauni ihm von der Seite her zu.

Er war so in Gedanken versunken gewesen, dass er dessen Annäherung nicht einmal bemerkt hatte.

«Was lief nur schief in seinem Lebensweg?», maunzte er leise und traurig zurück.

Dann wandte er sich den anderen Felidae des Bauernhofes und besonders der Mutter des Mordfelidae zu. Er stupste sie am Kopf und verschwand mit ihr in Richtung des Kirschbaumes.

Ende