Ghostwriter

Hallo zusammen :slight_smile:

Gerade lese ich in einem ROMAN über Schriftsteller, Mord und Liebe - also irgendwie ein interessantes Gesamtpaket - eine Szene, in der ein Verleger seinem Autor ziemlich Druck macht. Sein Vorschlag:

und später in einem anderen Dialog heißt es weiter:

Quelle: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert (Joel Dicker)

Beim ersten Lesen schreckte ich etwas auf. Ja, es gibt so Reihen, da könnte ich mir das vorstellen, so für Sonntagsabendfilme oder Reihenerfolge. Aber der Soundso??? Dann ließ mich der Gedanke eigentlich nicht mehr los und mir fiel die ungeheure Produktivität einiger Autoren ein. Eine unfassbare Produktivität eigentlich. Da fing ich an, mich für zu naiv zu halten, dass ich da noch nie selbst dran gedacht habe. (Im Text heißt es tatsächlich Soundso, vielleicht wirklich ein juristisch heißes Pflaster.)

Sind hier Kenner der Szene, die mich da mal aufklären, desillusionieren, updaten oder auf den Boden der Geschäftswelt zurückholen? Gern auch per PM :smiley: .

P.s.: Keine Angst, ich suche keine Angebote, nicht so und nicht anders, ich schreibe selbst.

Aw: Ghostwriter

Es gibt Autoren, die einfach irrsinnig produktiv sind. Georges Simenon hat jeden seiner Romane innerhalb von etwa 11 Tagen (!) geschrieben. Konsalik hat 20-40 Seiten pro Tag geschrieben (die Überarbeitung aber irgendwann großzügig den Lektoren überlassen). Jason Dark (Rellergerd) schreibt jede Woche 1 Heftroman und jeden Monat außerdem noch ein Taschenbuch, und zwar auf einer mechanischen Schreibmaschine! Nora Roberts schreibt auch 1 Roman pro Monat, glaube ich. Und so weiter.

Ein paar Autoren gibt es, die “Kooperation” betreiben. Wenn man einen Roman von “Tom Clancy und XY” in die Hand bekommt, dann hat XY den Roman geschrieben und Clancy nur noch mal drüber geschaut. James Patterson produziert seine Thriller industriemäßig mit Co-Autoren, wobei er die Handlung entwirft (also das Exposé) (und zwar von Hand!!) und der “und XY”-Autor dann den Text schreibt. (Und nach Durchsicht einiger Leseproben glaube ich, dass die dann außerdem noch Regeln vereinbaren wie “Maximal 3 Sätze pro Absatz” und “Kein Kapitel länger als 3 Seiten” usw.) So kommt es, dass jeden Monat ein neuer Patterson erscheint und die amerikanischen Bestsellerlisten stürmt.

Das Arbeitsfeld ausgesprochener Ghostwriter sind aber z.B. Lebenserinnerungen irgendwelcher Berühmtheiten, die viel erlebt haben, aber nicht schreiben können oder nicht so, dass man’s lesen will.

Aw: Ghostwriter

Hallo Andreas, :slight_smile:

Danke, für Deine interessanten Einblicke. Dass Ghostwriter ein durchaus ehrenwerter Beruf ist, im politischen Bereich, in Biografien, Gebrauchstexten etc., war mir klar. Man muss wohl erst mal weiter darüber nachdenken, um zu merken, dass auch im schriftstellerischen Bereich einiges anders läuft, als Klein-Fritzchen sich das vorstellt.

Da hast Du ja schon sehr interessantes Insiderwissen geschenkt. Aber mehr noch als die Tatsache, dass einige wohl viel Arbeit ›abtreten‹, erstaunt mich die Tatsache, wie viel manche doch in der Tat leisten. Da kommt etwas Ehrfurcht auf. Aber wem im Leben mal ein Genie begegnet ist, der wird dieses Gefühl des Unfassbaren kennen. Und etwas von einer (irrsinnigen) Obsession schimmert auch durch.

Aw: Ghostwriter

Sorry, dass ich ein altes Thema nochmal aufgreife, aber gerade was Herr Simenon betrifft (über den ich heute zufällig in Wiki gelesen habe), kommt es mir mehr als fragwürdig vor, was sein Schreibpensum betrifft. Bei Kurzgeschichten wäre es noch nachvollziehbar, aber sonst?

Da mache ich wohl schon die ganze Zeit etwas falsch.

Wie lange braucht es eigentlich für einen Eschbach-Bestseller?

Aw: Ghostwriter

Das mit Simenon ist zweifelsfrei dokumentiert. Man muss dazu sagen, dass seine Romane ja nicht arg lang sind, die meisten nur 200 Seiten. Das ist in der Zeit durchaus zu schaffen, wenn man schreibt wie ein Verrückter, und das hat er getan. (Hätte es schon Textprogramme gegeben … ach, darüber will man lieber gar nicht nachdenken :wink: )

Ich dagegen brauche immer ungefähr ein Jahr. :frowning: Allerdings sind meine Bücher meistens dicker.

Vom Standpunkt des Lesers aus betrachtet ist es egal, wie lange ein Autor braucht. Alles, was den Leser interessiert, ist, ob’s gut ist.

Aw: Ghostwriter

Nachdem der Weihnachtswahn vorbei und die Gäste gegangen sind, komme ich endlich zum antworten.

Ich habe vor einiger Zeit mal in einem anderen Forum gelesen, was andere Schreibverrückte :smiley: für ein tägliches Pensum haben (zumindest behaupten, denn hochgerechnet müssten diese jeden Monat wenigstens ein Buch fertig schreiben). Da habe ich mich gefragt, ob diese Menschen noch nebenbei ein normales Leben führen mit Familie usw. Meine Frau würde mir etwas erzählen. Da kann ich schon froh sein, dass sie es inzwischen hinnimmt, dass ich auch schon mal eine Nacht mit überarbeiten zubringe, anstatt im Bett.

Wenn ich mal richtig in Fahrt bin (gerade am Anfang eines neues Projekts), dann komme ich auch schon mal auf 7 bis 8 Normseiten an einem Tag (Rekord waren mal 12 oder 13 Seiten - soweit ich mich erinnere - wobei jedoch mehr als die Hälfte am nächsten Tag wieder gestrichen wurde). Doch dies ist eher die Ausnahme als die Regel und es ist mir auch nicht möglich den ganzen Tag mit schreiben zu zubringen. Im Durchschnitt komme ich auf 4 - 5 Normseiten / Tag (am Wochenende meistens nicht eine Seiten, ausser meine Frau schläft abends vor dem Fernseher ein :smirk: ) + grobe Korrektur vom Vortag und Nachrecherche wenn nötig.

Ich muss erwähnen, dass es für mich (noch) ein Hobby ist. Doch alles zu seiner Zeit.

Aw: Ghostwriter

Vielleicht beruhigt da ein Gegenbeispiel: Von Thomas Mann heißt es, er habe jeden Tag genau 1 Seite geschrieben. (Von Hand, übrigens.) Und wenn man sich sein Gesamtwerk anschaut, dann sieht man, dass auf diese Weise auch eine Menge zusammenkommt.

Das ist simple Mathematik. Ein Jahr hat 365 Tage, schreibt man jeden Tag 1 Seite, hat man nach einem Jahr 365 Seiten, also etwa den Umfang eines normalen Romans. Selbst wenn man noch einmal ein Jahr braucht, um alles zu überarbeiten, kann man alle 2 Jahre einen Roman herausbringen: Mehr ist eh nicht gut, sonst gilt man als “Schnellschreiber” und wird verdächtigt, Zuarbeiter im Keller zu verstecken. (Hab ich über mich auch schon gehört.)

Es ist also nicht so wichtig, wie viel man an einem Tag schreibt, sondern, dass man regelmäßig schreibt.

Aw: Ghostwriter

Wahre Worte.

Ich für meinen Teil bin alles andere als ein Schnellschreiber wie es scheint. Wobei ein gewisses Tagesziel sicher Sinn macht. Doch wo liegt das gesunde Maß, sofern man von so etwas überhaupt reden kann? Eine Seite pro Tag klingt für mich durchaus vernünftig, zumal man nicht wirklich jeden Tag schreiben kann (kenne zumindest niemanden, der dieses Kunststück hin bekommt) wegen schlimmer Erkältung, Steuererklärung, Urlaub, usw.

Allerdings kann einem ein solches Tagesziel auch die Kreativität kosten. Zumindest geht es mir so. Am Anfang eines Manuskript geht es schnell von Hand. Doch je weiter ich vorankomme, umso langsamer werde ich in aller Regel. Von der Überarbeitung am Ende ganz zu schweigen, denn die kostet mich ein mehrfaches der Zeit, als ich für alles andere benötige. An dem Punkt würde ich es gern wie Kosalik halten, aber irgendwie dann doch wider nicht.

Aw: Ghostwriter

Wie kann man davon leben?

Aw: Ghostwriter

Eine Frage der verkauften Auflage.

Aw: Ghostwriter

Das war jetzt einfach. :wink:

Aber ich glaube, Mammutherde hatte bei seiner Frage weniger den Dauerbestsellererfolgsautor als eher den durchschnittlichen Autor im Hinterkopf.

Und ich schätze mal, der dürfte von einem Buch keine zwei Jahre zehren können.

Aw: Ghostwriter

Es wäre interessant, von welchen Summen wir hier reden.

Aber irgendwie will sich niemand dazu äußern. Zumindest was ich bisher darüber gelesen habe. Außer von King & Co. habe ich nichts gefunden. Vielmehr würde es mich von hiesigen Schriftstellern interessieren (über den Daumen) bei reiner Schreiberei und was unmittelbar damit in Verbindung steht.

Aw: Ghostwriter

Was die nächste Frage anschließt: Wie hoch muss die Auflage sein?

Und bevor die nächste Pingpongfragerunde kommt: Wie muss der Vertrag gestaltet sein, damit die Auflage reicht?

Aw: Ghostwriter

Mammutherde, das ist eine ganz einfache Rechenaufgabe:

2 Jahre haben 24 Monate. Wenn Du pro Monat x EUR haben willst, musst Du 24*x EUR einnehmen.

Was Dein Vertrag abwirft ist (Verkaufte Stückzahl) * (Beteiligung pro Stück)

Das heißt:

(Verkaufte Stückzahl) * (Beteiligung pro Stück) = 24 * x

Eine Gleichung, und nur Unbekannte, die Dir keiner auf einer handfesten Basis nennen kann. Es gibt Leute, die leben glücklich und zufrieden mit 1000 EUR/Monat. Es gibt Leute, die haben Familie und mehrere Kinder und sind anspruchsvoll und brauchen deshalb 5000 EUR/Monat. Macht für zwei Jahre zwischen 24.000 und 120.000 EUR. Wo liegat Du mit Deinem Bedarf?

Zur Beteiligung pro Stück schätze ich mal, dass die je nach Buchumfang in der Größenordnung 1 EUR liegt (Habe irgendwo mal was zwischen 7% und 15% vom Nettoverkaufspreis aufgeschnappt; aber keine Ahnung, wie belastbar das ist). Bei Neulingen gibts eher weniger, bei Branchengrößen eher mehr.

Dann musst Du

(24000 EUR bis 120000 EUR) / (1 EUR pro Stück) = 24000 bis 120000 Exemplare verkaufen.

Und jetzt? Bist Du so schlau wie zuvor. Denn keiner kann Dir sagen, ob Du soviele Bücher verkaufen wirst. Dass andere das können oder der Durchschnitt das kann, hilft Dir wenig.

Aw: Ghostwriter

Das ist mir schon klar.

Auch das ist mir klar.

Und das ist eben nicht so klar. Wenn ein Vollzeitautor sagt, alle zwei Jahre ein Buch wäre okay, dann frage ich doch mal nach.

Als Freiberufler würde ich für 5000€/Monat nicht mal das Bett verlassen.

Macht für zwei Jahre eine viertel Million.

Kann hinkommen. Dann liegen wir bei einer Auflage von 250000 Büchern.

AndreasE schrieb mal, dass er die Auflage seines PR-Romans nicht mit seinen Büchern erreiche. PR lag damals bei etwa 70000.

Die Rechnung hatte ich schon gemacht. Deshalb meine Frage an AndreasE. Mein Fragewort war ja auch „wie".

Aw: Ghostwriter

Die Antwort liegt direkt vor Dir:

Oder anders formuliert: Wie man mit 1 Buch / 2 Jahre hinkommt, hängt davon ab, wie gut man mit wenig Geld auskommt. Es gibt Leute, die schaffen das hervorragend. Es gibt Leute, die leiden darunter. Das ist also mehr eine Einstellungssache als eine Frage nach Fakten.

Ich von meiner Warte her würde übrigens sofort meinen Beruf an den Nagel hängen, wenn ich wüsste, dass ich als Autor 5000 EUR/Monat verdienen würde.

Aw: Ghostwriter

Also, mal der Reihe nach: Die Diskussion drehte sich eingangs um die Frage, ob man Ghostwriter braucht oder wie viel man eigentlich schreiben muss. Und meine Antwort darauf war, dass man, wenn man einen Schnitt von 1 Seite pro Tag aufrechterhalten kann, alle Chancen hat, ein respektabler Autor zu werden, weil man auf diese Weise alle zwei bis drei Jahre ein neues Buch produzieren kann, was genau die Frequenz ist, die Verlagen und auch den Feuilletonisten am liebsten ist.

Keine Rede war davon, dass man auf diese Weise davon leben könne. Das hängt von ganz anderen Faktoren ab, vor allem eben von der verkauften Auflage. Auf die man keinen Einfluss hat und für die es eine enorm weite Bandbreite gibt, von dem Buch, an dem der Autor zehn Jahre lang gearbeitet hat und das sich dann grade 200mal verkauft, über den Überraschungsbestseller, der, innerhalb von drei Wochen hingefetzt, sich im ersten Jahr 'ne halbe Million mal verkauft, bis hin zum Dauerbrenner, der sich über Jahrzehnte hinweg konstant verkauft und noch den Erben des Autors konstant Geld einbringt (ohne dass es groß auffällt, weil es für Longseller keine Toplisten gibt).

Grundsätzlich ist das Buchgeschäft eine Low-Budget-Veranstaltung - die gesamte Buchbranche Deutschlands (immerhin die drittgrößte der Welt) setzt gerade mal so viel um wie, was weiß ich, Karstadt oder so. Die meisten Autoren (sprich: die Lieferanten des Rohmaterials dieser Branche) sind dies nebenberuflich; hauptberufliche Schriftsteller gibt es nur ein paar hundert, von denen die meisten nicht besonders viel verdienen. Und die meisten hauptberuflichen Autoren schreiben in der Tat mehr und veröffentlichen auch öfter als alle zwei Jahre. Aber, wie gesagt, das trägt nicht unbedingt zum literarischen Ansehen bei, vielmehr trägt es einem den absurden Verdacht ein, Ghostwriter zu beschäftigen.

P.S.: Die Tantiemen betragen in der Regel zwischen 4 und 8% für Taschenbücher und zwischen 6 und 10% für Hardcover, gerechnet vom Nettoladenverkaufspreis (also abzüglich der Mehrwertsteuer, bei Büchern 7%).

P.P.S.: Dass die Auflagen meiner Bücher die der Perry Rhodan-Hefte nicht erreichen, das hab ich zwar mal gesagt, aber vor langer Zeit. Damals war das noch so, aber das stimmt schon lange nicht mehr.

Aw: Ghostwriter

Das impliziert ein Auskommen mit dem Einkommen.

Und meine Antwort darauf war, dass man, wenn man einen Schnitt von 1 Seite pro Tag aufrechterhalten kann, alle Chancen hat, ein respektabler Autor zu werden, weil man auf diese Weise alle zwei bis drei Jahre ein neues Buch produzieren kann, was genau die Frequenz ist, die Verlagen und auch den Feuilletonisten am liebsten ist.
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Schlecht zum Leben.

Die Ausnahme.

Bis das zum Tragen kommt, ist man etablierter Autor oder ausgestiegen.

9,3 Mrd. € zu 2,7 Mrd. €. Nicht schlecht geraten.

D.h., wenn man Geld verdient, gilt man als fachliche Niete. Das hatte ich so noch nicht gelesen. Die Branche erscheint mir absurd.

Deshalb schrieb ich „damals". Wir reden ja auch von der Anfangszeit des Autorendaseins.

Aw: Ghostwriter

Kennst du den Unterschied zwischen dem Umsatz eines Freiberuflers und dem Einkommen eines Angestellten?

Aw: Ghostwriter

Ich lese AndreasEs Antwort anders: Für gewöhnlich ist das Autoreneinkommen nicht zum genüsslichen Auskommen. Was daran liegt, dass der gewöhnliche Autor nicht so schnell verkaufsfähig schreiben kann wie er müsste. Wenn er es dann (jenseits der Bestsellerlisten) doch schafft, dann ist er entweder ein Genius oder einer, der irgendwie trickst. Trickser hat jeder jenseits der 18 schon zur Genüge erlebt, wahre Genies kennt kaum jemand persönlich. Also liegt es nahe, auch dem ungewöhnlichen Autor zunächst einmal zu unterstellen, er sei ein Trickser.