Frau oder Mann?

Hallo zusammen

Heute habe ich eine Frage an euch:

Muss in einer Liebesgeschichte die Hauptperson immer die Frau sein? Oder kann auch der männliche Part die Hauptrolle haben?

Ich möchte zwar in einzelnen Szenen auch andere Protagonisten zu Perspektivträgern machen, muss aber trotzdem wissen, wer die eigentliche Hauptperson sein soll.

Bin gespannt auf eure Meinungen und bedanke mich schon jetzt dafür.
LG Carin

Hi,

habe auch mal einen Liebesroman geschrieben. Meine Hauptpersonen sind Männer.

Wenn die Geschichte gut ist kann es auch ein Waschbär sein.
Ich glaube, ich verstehe die Frage nicht wirklich.

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Hi,

im Grunde spielt es keine Rolle, ob deine Hauptperson ein Mann oder eine Frau ist.
Auch in Liebesgeschichten. Allerdings solltest du beachten, dass Männer anders auf Situationen reagieren als Frauen.
Viele reden nicht gerne über Dinge, die ihnen unangenehm sind. Sie schweigen das aus, um nicht zu viel darüber nachzudenken, weil es zu weh tut. Männer reagieren in bestimmten Situationen nicht so emotional wie Frauen. Sie lassen sich nicht so leicht etwas anmerken, weil sie keine Schwäche zeigen wollen.
Das solltest du beachten. Ansonsten spricht nichts dagegen, wenn du einen Mann als Hauptperson nimmst.
Ich schreibe lieber aus Sicht eines Mannes. Da kann ich besser mit dem Charakter spielen.

LG Tessley

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Wie süß!!!

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Wenn du es richtig ausschlachten willst, machst du es wie E. L. James und schreibst erst dein persönliches “50 Shades Of Gray” aus Frauensicht und haust dann, wenn das Ding Millionen verkauft hat, dieselbe Geschichte noch mal aus der Sicht des Kerls hinterher … :wink:

Wieso musst du das wissen? Solltest du das nicht wissen?

Ich denke nicht, dass es sein muss, aber so wie ich das Genre (aktuell v.a. bei der Abart Romantasy) bei aller Antipathie durch meine Scheuklappen sehe, ist es in den meisten Fällen so; so von wegen Identifikation der meistens doch eher weiblichen Leserinnen.

Eine Waschbärenliebesgeschichte würde ich sofort lesen :smiley:

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Großzügig, wie ich nunmal so bin, gehe ich davon aus, daß Du, verehrte Tessley, nicht alle Männer meinst…
Mir stellt sich die Frage, wie man sich in das andere Geschlecht hineinversetzen kann. Endet man da nicht in öden Stereotypen? Harte Macker, die mit dem Kissen auf dem Bauch auf dem Sofa sitzen und nicht reden können? Rosa eingefärbte Hardcore-Tussen mit nem Fußhupenköter und einer Guccihandtasche in der bereits irreparabel verformten Armbeuge?
Ich denke, daß man da deutlich tiefer in die Psyche des jeweiligen Geschlechtes/Charakters eintauchen sollte, um glaubwürdig zu sein, um nicht abgedroschene Phrasen aufzutischen, die den Leser langweilen.

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Hi Carin,

Das ist aber ein hochgestecktes Ziel.

Perspektivenwechsel innerhalb einer Geschichte halte ich persönlich für problematisch. Ich komme mir dann immer vor, als säße ich in einem Theater und würde auf der Bühne ein Stück betrachten. Ist das deine Absicht? Um die Perspektive zu wechseln, kannst du eigentlich nur als auktorialer Erzähler auftreten. Aber gerade in Liebesgeschichten ist es mir lieber, dass der Erzähler selbst so wenig wie möglich in Erscheinung tritt.

Statt
‘Sie hatte schlanke wohlgeformte Hände. Der Anblick schien ihn zu erregen. Er atmete tief ein und schloß für einen Moment die Augen. Würde er dieses mal erneut auf sie hereinfallen?’
gefällt mir
*‘Er fühlte, dass ihn der Anblick ihrer schlanken Hände erregte und ihr Geruch ihn betörte. “Fall nicht wieder auf sie herein”, ermahnte er sich selbst. “Nicht dieses mal.”’
oder
*'Ich fühlte, dass mich der Anblick ihrer schlanken Hände erregte und ihr Geruch mich betörte. “Fall nicht wieder auf sie herein”, ermahnte ich mich selbst. “Nicht dieses mal.”’
besser.

Das empfinde ich als emotional und ich kann mit dem Charakter mitfühlen. Danach einen Perspektivenwechsel durchzuführen, erlaubt es mir nicht, selber die schlanken Hände zu bewundern oder den Geruch zu empfinden. Jetzt sitze ich wieder im Publikum, weit entfernt von allem.

Wenn ich nicht weiß, aus welcher Sicht ich schreiben soll, dann hilft mir manchmal, ein Stück der Geschichte aus der Ich-Perspektive zu erzählen. Meist ergibt sich dann von selbst, wer oder was ich bin oder sein will.

Das ist selbstverständlich nur meine eigene Meinung und kann somit für andere völlig falsch sein. :slight_smile:

LG
ThAchi

Aber das ist doch super! Theater ist fast wie Kino. Und Kopfkino streben wir beim Leser doch an! Wenn @Carin Fritschi das schafft, hat sie ihr Ziel in meinen Augen erreicht.

Das stimmt nicht. Natürlich kann man auch in einer personalen Erzählweise die Perspektive wechseln. Und eine personale Erzählweise kann entweder in der Ich-Form oder in der Er/Sie-Form stattfinden.
Und wenn Du in Deinem Beispiel auktorial schreibst “Der Anblick schien ihn zu erregen.” warum nutzt Du dann “schien”? Der allwissende Erzähler braucht doch nicht zu mutmaßen. Dafür ist er ja allwissend.
Dieses “schien” passt sehr gut in eine personale Er/Sie-Erzählperspektive, bei der der Erzähler die Gedanken und Gefühle nur aus den Handlungen und ihrer Mimik erraten bzw. vermuten kann.

Ich stelle mir das immer so vor: Bei der Ich-Perspektive bin ich als Leser im Kopf des Erzählers drin und erlebe alle seine Gedanken und Gefühle mit. Dabei sollte man aber als Autor die Gedanken eines Ich-Erzählers nicht künstlich zurückhalten und so versuchen, Spannung aufzubauen. Wenn der Ich-Erzähler etwas in einer Situation denkt, sollte der Leser es auch mitbekommen. Gefühle und Gedanken anderer kann man nur aus deren Reaktionen heraus vermuten. James N. Frey ist in “Wie man einen verdammt guten Roman schreibt” sogar der Meinung, man dürfe die Ich-Perspektive gar nicht verlassen, sondern müsse die gesamte Geschichte aus dieser Sicht schreiben. Ich stimme ihm da zu, obwohl es auch andere Beispiele in der Literatur gibt. Meistens haben die mir aber nicht so gut gefallen.

Bei der personalen Er/Sie-Perspektive sitzt der Leser quasi auf dem Erzähler huckepack. Er ist nicht ganz so dicht an dessen Gedanken- und Gefühlswelt dran, aber auch nicht so fern wie bei einem auktorialen Erzähler. (Dies ist meine Lieblingsperspektive.) Natürlich kann man hier auch die Perspektive wechseln. Ken Follett macht das in Night over Water mit 5 verschiedenen Perspektiven. (Genau das versuche ich bei meinem Roman auch, den ich in all seiner Komplexität nie aus der Sicht von nur zwei oder drei Figuren erzählen könnte.)

Und dann gibt es den auktorialen Erzähler, den man sich wie eine weitere Figur vorstellen kann, die aber nicht am Geschehen teilnimmt. Heutzutage gilt diese Erzählweise als etwas veraltet, war aber im 19. Jahrhundert sehr verbreitet, vor allem im Naturalismus bei Maupassant, Tolstoi oder Zola. Wenn man heute noch auktorial schreiben will, dann am besten mit einer besonderen Erzählstimme, z.B. einer humorvollen, die sich von anderen Erzählstimmen abhebt. Im historischen Roman finde ich den auktorialen Erzähler auch manchmal angebracht, weil man so leichter ein paar historische Dinge erklären kann. Allerdings sollte man nicht in einen Infodump abdriften …
Sehr gut gefallen hat mir der auktoriale Erzähler in Margaret Mitchells “Gone with the Wind”, weil sie ihn dort nutzt, um Missverständnisse zwischen Figuren zu kreieren, was spannend und lustig ist.

LG

Pamina

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Ich finde es für ein Frau schwierig aus der Perpektive eines Mannes zu schreiben ohne dabei in ein gewisses Klischee abzurutschen. Aber das ist nur meine Erfahrung und ich weiß es gibt Autoren die das gut und viele Autoren die es gar nicht hinbekommen. Um die Leserschaft zu gewinnen würde ich einen Liebesroman aber immer aus der Perspektive der Frau wählen, da das die Leserinnen (potenzielle Käufer) anzieht. Ich habe selbst einen Liebesroman gelesen der umgekehrt war und einfach nur grottenschlecht und übringens auch von einer Frau. Also wenn du das bei einem Krimi oder Thriller fragst ist das sicherlich eher vertretbar aber bei einem Liebesroman?
Perspektivwechsel ist grundsätzlich möglich selbst bei ICH Erzählern. Ob das unbedingt toll ist, sollte jeder für sich selbst entscheiden.
Ich las ein Buch über 2 Personen Frau und Mann in der jeweiligen Perspektive.
Die Geschichte war sehr verwirrend und bis Kapitel 5 habe ich gar nicht mehr gewusst wo ich bin. Aber das Thema war sehr interessant, weshalb ich es weiterlas. Hätte die Autorin die Geschichte einfach nur in auktorialer Erzählweise geschrieben, wäre dieses Buch sicherlich ein Besteller geworden. Verschenktes Potenzial.
Und auch hier ist es entscheidend wichtig bei welchem Genre man welche Perspektive wählt. Ich Erzähler bei einem Thriller? Wohl eher kaum, bei Liebesromanen? Schon öfters… Ich glaube das kannst du alleine am besten für dich entscheiden, da du die Thematik in deiner Geschichte gut kennst.

Muss man denn als Krimi Autor erst selber morden, um sich in die Seele eines Mörders versetzen zu können?
Mein Hauptprotagonist ist ein Mann, der den Mörder zur Strecke bringt.
Der Täter ein Mann! Ein sadistischer Kindermörder.
Ich versetze mich auch in die Lage der Kinder.

Ich bin kein Mann, kein Mörder, bin nicht sadistisch oder ein Sexualstraftäter.

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Ich schreibe Liebe/Erotik und bin gern im Kopf meiner männlichen Protagonisten. Ganz ohne die üblichen Klischees.
Ich habe vor einiger Zeit einen Thriller gelesen, abwechselnd aus der Sicht von zwei Frauen in der Ich-Perspektive im Präsens. Geschrieben von einem Mann. Für mich hat das funktioniert. Mir ist es einerlei, ob Mann oder Frau. Die Story zählt. Bei der Wahl des Protagonisten sollte man sich fragen, wer die Geschichte besser erzählen kann.

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So sollte es sein. Aber:

Gerade das ist unser Problem. Und unser Einfühlungsvermögen hat eben seine Grenzen, auch wenn wir versuchen, uns als Frau in einen Mann oder umgekehrt hineinzuversetzen. Vielleicht wäre es dann gut, in Partnerschaft zu schreiben?

Das wäre eine Geschichte die ich lesen würde.

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Ja aber nein. Sicherlich wird ein Mann dann sagen, so benimmt sich kein Mann, oder umgekehrt auf Frauen bezogen. Kennen die denn alle anderen Männer und Frauen? Wenn meine Protagonistin so ist wie sie ist, dann ist sie so wie sie ist. So wie ich sie schrieb. Wenn ich etwas reales erleben will, dann lese ich keine Belletristik, oder einen Liebesroman. Dann schaue ich aus dem Fenster. Oh es regnet.

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Hallo Pamina22, Wintergold und Max,

neben dem wichtigen (Haupt-)Gedanken, den gerade eben @Lusmore zum Thema einer Fremdperspektiven-Übernahme einbrachte, möchte ich noch ein paar Variationen dazu bringen, um eure Bedenken zu zerstreuen. Dazu zuerst noch dieses Statement von @Pamina22 : „Bei der Ich-Perspektive bin ich als Leser im Kopf des Erzählers drin und erlebe alle seine Gedanken und Gefühle mit.“

Einmal ist es so, daß prinzipiell niemand „im Kopf eines anderen drin sein“ und mithin auch nicht wissen kann, wie es für diesen anderen ist, in diesem oder jenem Gefühlszustand zu sein. Das ist vollkommen unmöglich, weil Gefühlszustände – die zum irreflexiven Selbstbewußtsein gehören (sog. Qualia) – privat sind. Gezeigt hat das in seinem berühmten Aufsatz What is it to be a bat? bereits 1974 Thomas Nagel. – Gedanken, sofern sie geäußert werden oder verschriftlicht vorliegen, sind dagegen nachvollziehbar (weil nicht-irreflexiv), allerdings mit zwei Einschränkungen: Zum einen können sie unaufrichtig vorgebracht sein (dann ist der Geltungsanspruch auf Wahrhaftigkeit verletzt; platt gesprochen liegt dann eine Lüge vor) oder ihnen eignet semantische Polyvalenz (und sPV kommt öfters vor, als gemeinhin angenommen wird). Im Gedanken-Umfeld heißt das also: Es kommt gar nicht so selten vor, daß jemand, der etwas sagt, etwas *anderes meint *als das, wir über sein Meinen zu glauben wähnen. Sagen und Meinen sind – nicht immer, aber oft – zwei paar Schuhe … :see_no_evil:

Eingedenk dessen und natürlich auch unter Berücksichtigung der vorher angesprochenen Gefühlsdimension relativiert sich einigermaßen gründlich das alltagssprachliche Verständnis von ‚Einfühlen (in jemand anderen)‘, denn was immer wir darunter verstehen, entwächst tatsächlich – also wenn wir mal die dazu reichlich fluktuierenden Alltagsmythen und küchenpsychologischen Glaubenssätze beiseite lassen – zunächst einmal unserem je eigenen Erfahrungsschatz, wobei es ziemlich gleichgültig ist (das ergibt sich aus eben Angeführtem), ob wir uns dabei nun in einen Mann, eine Frau oder auch Kinder versetzen. Und auch bei unseren bewußtseinsfähigen Haustieren ist das so, bei allen Tieren, die Bw haben!

Allerdings: Wenn man darauf schaut, wie sich unser Erfahrungsschatz gebildet hat – zuerst durch „Abrichtung“, wie das Wittgenstein in den PU für die erste Sozialisationsphase nennt und dann daneben auch immer mehr durch Lernen --, kann kein Zweifel daran bestehen, daß wir mit unseren „Nachkonstruktionen“ des Innenlebens jeweilig relevanter Alter Egos auch etwas Richtiges treffen; denn wäre das nicht so, hätten wir als Menschen mit Sicherheit nicht überlebt (wie Tomassello gezeigt hat, eignen die Vorstufen dieses Vermögens schon bw-fähigen [Säuge-]Tieren) und darüberhinaus auch keine Lebensformen entwickeln können, die (stets in Vielzahl) für homo sapiens typisch sind.

Mithin besteht zu radikalem Skeptizismus kein Anlaß! – Wir können uns in andere Menschen „hineinversetzen“ (anthropologisch betrachtet ist das sogar ein Überlebensimperativ gewesen!); und selbstredend können wir uns auch in gegengeschlechtliche Mitmenschen hineinversetzen; aber nicht nur, weil sich das aus eben Gesagtem ergibt, sondern weil auch die offenbar unauslöschliche mythische Meinung nicht haltbar ist, es gäbe total verschiedene … ähm … weibliche vs. männliche Innenwelten. Der entscheidende Punkt dabei ist: Da einer beliebigen Frau auch eine jede andere beliebige Frau per se nicht luzid sein kann, was ihr Gefühlsleben angeht (das folgt eisern an o.a. bewußtseinsphilosophischer Prämisse und natürlich für die „Herren der Schöpfung“ gleichermaßen!), ist ein Gequatsche über angeblich „speziell Weibliches“ (resp. „Männliches“) in diesem Feld eben nur … Gequatsche … und zwar – Achtung, jetzt kommt ein wissenschaftstheoretisches Argument! – weil sich auch die Verständigung von Frauen/Männern über vorgeblich typische Frauen/Männer-„Sachen“ nur auf die Beobachtung von Alter Ego einerseits und auf der anderen Seite eben über Gedankenaustausch, also Aussagen, zu realisieren vermag, die beide, wie ganz zu Anfang bereits angedeutet, per definitionem und per se nicht wahrheitsverbürgend sein können!
Vulgo: Es mag zwar sein, daß es ein paar – dann aber eher vielleicht – unnennbare (mehr nur fühlbare) Dinge gibt, die im Gefühlsspektrum je nur Frauen bzw. Männern eignen (schließlich gibt es ja auch physiologische Differenzen), aber so arg gravierend können die nicht sein, weil unsere Lebenspraxis zeigt [sic] (vgl. auch dazu Wittgenstein schon im Tractatus!), daß wir – also Männer und Frauen – auch emotional geteilte Lebenformen bilden können (wenn wir es denn wollen).

Ein Letztes dazu: Das meiste, was uns different erscheint am jeweiligen geschlechtsspezifischen Innenleben, geht sehr wahrscheinlich nicht auf wirklich differente … ähm … Bewußtseinsarten und mithin diverse Qualia-Instantiierungen zurück (epistemologisch würde uns das übrigens vor quasi unlösbare Probleme stellen!), sondern verdankt sich einerseits dem Zusammenspiel von Psyche und Soma in der jeweiligen geschlechtsspezifischen Konstellation (weshalb z.B. Männer im Durchschnitt aggressiver als Frauen sein mögen), während andererseits die Hauptquelle für die … ähm … „gefühlten Unterschiede“ in den jeweils vorherrschenden Rollenmustern zu finden ist, die bestimmte Lebensformen mit je bestimmten sozialen u.a. Konstellationen bereithalten. Will sagen: Abgesehen von den eher wenigen Unterschieden, die tatsächlich im Dasein als Frau oder Mann angelegt sein mögen, spielen diese sozialen Prägungen eine weitaus maßgebendere Rolle! Mit @narratöör gesagt: Es ist wesentlich mehr die Umwelt, die Frauen zu Frauen und Männer zu Männern macht … – Wenn das aber so ist, dann sind nicht entsprechende Gefühlszustände maßgebend (die, wie oben angedeutet unanalysierbar, weil privat sind), sondern Institutionen, Rollenmuster usw., kurz all das, was bei Wittgenstein unter dem Term ‚Gebrauch einer Regel‘ im Rahmen von Sprachspielen figuriert. Ergo etwas – wenigstens vom Prinzip her – sowohl der Beobachtung als auch dem kognitiven Erfassen und entsprechenden Urteilsakten Zugängliches!

Und was folgt daraus? – Natürlich, daß sich eine Frau selbstverständlich in einen Mann „hineinversetzen“ kann et vice versa! Und also kann eine Frau auch ohne Probleme einen Mann als Erzähler – aus welcher Perspektive auch immer – auftreten lassen und umgekehrt. Und auch ein fieser Massenmörder ist auf dieselbe Weise „simulierbar“. Folglich: Don’t panic:laughing:

Viele Grüße von Palinurus

PS: Ich stelle für Interessierte Thomas Nagels Fledermaus-Aufsatz ein. Zuerst die Originalversion und außerdem die dt. Übersetzung (beide von vertrauenswürdigen Uni-Servern seit vielen Jahren gehostet).

https://warwick.ac.uk/fac/cross_fac/iatl/study/ugmodules/humananimalstudies/lectures/32/nagel_bat.pdf

https://tu-dresden.de/gsw/phil/iphil/theor/ressourcen/dateien/braeuer/lehre/qualia_debatte/nagel_fledermaus?lang=de

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Hallo zusammen,

da stimme ich dir voll und ganz zu, @Palinurus.

Wer ist schon so, wie es das Klischee beschreibt?
Ich finde, es ist ganz egal ob man Mann oder Frau ist, man sollte nie alles in einen Topf werfen.
Auch wenn ich eine Frau bin, sagt mein Mann immer ich wäre keine. Warum?
Ich hab kein Parfüm, mache mir nichts aus Schokolade, Schminke, Schmuck, Blumen, Handtaschen oder sonstiges, was die meisten Frauen interessiert. Ergo bin ich keine “normale” Frau. Dafür kann ich mich aber in eine eingebildete Tussi hineinversetzen, die sich Sorgen um ihre Wildlederstiefeletten macht.
Dasselbe gilt auch für Männer, die Locker sind, verbohrt oder von ihren eigenen Ängsten aufgefressen werden.
Genauso wie bei Schwulen, die tuntig sind oder eben nicht.
Es kommt bei den Storys immer darauf an, wie ich meinen Charakter forme. Deswegen sage ich, ich kann mit Männern besser spielen, weil ich mich leichter in sie hineinversetzen kann, als in aufgebrezelte Weiber.
Aber egal wie ich mich entscheide, die Hintergrundgeschichte meines Protagonisten ist ausschlaggebend.
Was hat er/sie alles erlebt, dass er/sie so ist, wie er ist? Das finde ich wichtig. Vor allem, wenn ich mir einen Hauptcharakter ausdenke, der so viele Mauern um sich herum errichtet hat, dass es für den anderen Part schwierig ist, an ihn heranzukommen.

Und genau das macht einen guten Autor aus.
Sich in Leute hineinzuversetzen, mögen sie Klischeebehaftet, “normal”, (was auch immer man selber darunter versteht) oder auch noch so krank im Kopf sein. (Massenmörder, Vergewaltiger, Kinderschänder ect.) Ihre Entscheidungen zu steuern und nicht aus der ihnen auferlegten “Rolle” fallen. Das ist das A und O beim Schreiben, was die Leser am Ende fesselt und überzeugt.

LG Tessley

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Liebe Tessley,

ich bin ganz d’accord mit dir: Das Argument, jeweils sei es ja gerade die Autorin/der Autor, von welcher/m der Charakter und seine Welt aufgebaut werden, sticht hier natürlich! Weil dabei ein “Hineinversetzen” erforderlich ist, das automatisch einem selbst Fremdes zu imaginieren erfordert. Und ob Autor/innen das klar ist oder nicht, spielt keine Rolle!
Es läßt sich nämlich zeigen – Literaturwissenschaftler und Philosophen sind sehr intensiv damit befaßt --, daß sogar die Beschreibung des literarisierten Selbst, des Eigenen, etwa im autobiographischen Milieu diverser Couleur, ohne Integration des Fremden nicht auskommt; denn “wer ich bin”, kann ich per se so arg genau noch nicht einmal selbst wissen, auch dann nicht, wenn man etwa Rimbauds Radikalität in diesem Belang unberücksichtigt läßt.
Andererseits ist auch eine radikale Heterogenität etwas Undurchführbares: Wenn ich mich als Autor qua Protagonist/in in jemand anderen “hineinversetze”, kann ich niemals absolut vom Eigenen abstrahieren.

Führt man diese beiden Aspekte der Sache zusammen, wird klar, daß die literarische Imagination notwendig sowohl von Eigenem (das stets verfremdet ist) als auch vom Fremden (das immer etwas vom Eigenen impliziert) zehrt. Wer das einmal begriffen hat, wird folglich weder dem Wahn verfallen, es könne ein … ähm … “totales Hineinversetzen” in Fremdes gelingen noch jenem, das je Eigene ließe sich ohne implizierte Fremdheit artikulieren.
Nach dieser Sichtweise besteht die Kunst des Schreibens nicht zuletzt darin, das jeweilige Maß, die je richtige Balance zwischen Fremd und Eigen zu finden. Ich möchte freilich hierbei noch etwas hinzusetzen: Es geht bei diesen Dingen keineswegs nur um die Autoren! Denn das eben Gesagte entfaltet genauso bei Lesern seine Wirkung! Es muß daher auch nicht wundernehmen, daß A meine Geschichte verreißt und B sie großartig findet. Der Punkt dabei ist, daß im Lese- also Rezeptionsakt nichts anderes stattfindet als in jenem der “Produktion”. Will sagen: So wie die Autoren der Oszillation, der Dialektik zwischen Eigen- und Fremderfahrung ausgesetzt sind, sind es auch ihre Leser: Wie die Letzteren es aufnehmen, daß der/die Protagonist/in ihnen [sic!] so oder so erscheinen, haben die Autoren keineswegs “unter Kontrolle”. Bestenfalls können sie antizipieren – aber eben immer nur aus dem* je eigenen* Erfahrungsspektrum heraus --, wie ihr Schreiben auf diesen oder jenen Typus wohl Einfluß nehmen wird. Weil die Welt aber bunt ist und es der Typen unzählige gibt, haben sie’s nie auch nur annähernd perfekt “unter Kontrolle”.
Daraus folgt beinhart, daß sowohl Schreiben als auch Lesen kreative, weltgenerierende Akte sind, die zumindest einen Teil ihres (welt-)entwickelnden Repertoires aus ästhetischer Erfahrung schöpfen. Und da kein Zweifel sein kann, daß die äE nicht auf Identität geht – das Nicht-Identische ist ihre wichtigste, heißeste Fiber! --, ist es nicht nur ein prickelndes Risiko, sich schreibend wie lesend einer Fremderfahrung auszusetzen, sondern es ist von daher betrachtet sogar eine conditio sine qua non des lit. Schreibens und Lesens, jedenfalls dann, wenn nicht nur dumpfer Sprachbrei generiert resp. rezipiert wird, sondern irgendetwas, das für die ästhetische Erfahrung relevant ist.

Der “Praxis-Proof”: Gerade wegen dieses Threads habe ich vorgestern ein älteres Manuskript aus den Haufen “abgelegter Arbeiten” herausgezerrt und darin zu lesen begonnen, weil es zentral eine Frau thematisiert, die auf sich und ihre Umwelt in strenger Ich-Erzähler-Perspektive reflektiert. Kurz: Ich habe mich seinerzeit beim Schreiben in eine Frau “hineinzuversetzen” versucht. – Resultat dieser Re-Lektüre: Ich habe sofort in den Text eingegriffen, korrigiert, Fügungen umgeschrieben etc.pp. Das interpretiere ich so: Ich war bei der Re-Lektüre in die Rolle des Rezipienten “gerutscht”; und was mir seinerzeit richtig und angemessen geschrieben schien, präsentiert sich mir inzwischen – wenigstens tlw. – als so fremd, daß ich nicht anders konnte, als es meinem heutigen [sic] Verständnis der jeweiligen Sache wieder mehr anzugleichen.

M.E. zeigt das auf zweierlei: Einmal gibt es Arbeiten, die einen, obwohl weggelegt, bei Relektüre wieder zu ergreifen vermögen (was längst nicht bei allem der Fall ist, was ich früher geschrieben habe), wodurch sich vielleicht anzeigt, daß da tatsächlich irgendetwas Relevantes geschrieben wurde (quasi aufgrund der “überzeitlichen” Faszination). Und andererseits wird daran eklatant, worauf ich oben mit dem Kreativen auch am Lesen hinweisen wollte als auch darauf, daß man sich immer selbst auch ein Stückchen fremd ist (vgl. dazu etwa die ausgezeichnete Studie Julia Kristeva: Fremde sind wir uns selbst, die übrigens auch noch aus anderen denn lit. Erwägungen heraus gerade wieder sehr* aktuell* ist!): Denn wenn ich anfange, am selbst Geschriebenen “herumzukorrigieren”, obwohls eigentlich für “abgehakt” galt, irritiert mich ja neben der schon angeführten Faszination auch irgendetwas daran: Das ist wohl mindestens zu einem Teil dann eben auch das Fremde an mir selbst, egal, unter welchem Aspekt ich es betrachte: Ob ich mir selbst jetzt “fremder” als früher bin oder ob der Text eine Fremdheit aufschimmern läßt …

Kurze Zusammenfassung, auch auf dein Statement hin: Wir versetzen uns ständig in irgendjemand anderen beim Schreiben (und auch Lesen). Gegebenenfalls sogar dann, wenn wir wähnen, ganz … ähm … “bei uns selbst zu sein” … :smiley:

Viele Grüße von Palinurus

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