Frank (Frankofin)

Hallo zusammen,

»Ich kann schreiben wie Franz Kafka«, verkündete ich in der elften Klasse vollmundig und schrieb meine erste Kurzgeschichte. Überraschenderweise empfand niemand ihr Niveau als kafkaartig (und schon gar nicht kafkaesk, wie ich lernen musste). Immerhin, sie legte den Grundstein für eine Reihe von stetig besser werdenden Kurzgeschichten, Gedichten, Essays und unkategorisierbaren Texten. Vor zwei Jahren schrieb ich meine bislang letzte Kurzgeschichte, die ich aufgrund ihres Themas niemals einem Publikum übergab. Bis dahin tat ich das auf einer Internetseite für Hobbyautoren, aber bei diesem Text ging das nicht, was schade war, denn wie jeder letzte Text, war er mein bester. Doch ohne Publikum konnte ich ihn nicht loslassen und werkelte immer weiter daran herum, bis ich feststellte, es entwickelt sich ein Roman.

Ich heiße Frank, Jahrgang 84, und kann immer noch nicht schreiben wie Kafka. Will ich auch gar nicht. Vielmehr will ich meinen eigenen Stil finden und muss dabei immer wieder feststellen, dass meine sprachliche Qualität der inhaltlichen oft hinterherhinkt. Pointen, Spannungsbögen, abwechslungsreiche Einfälle: das hab ich drauf. Damit meine Sprache schritthalten kann, brauche ich vor allem eines: Zeit. Und, wie ich feststellen durfte, ein Schreibprogramm, das eine Stil- und Lesbarkeitsanalyse mitbringt. Die Rohfassung meines für die Schublade geschriebenen Romans ist fertig und, wer weiß, vielleicht baut darauf irgendwann ein echter, für Leser bestimmter Roman auf.

Papyrus Autor habe ich mir leider erst nach Fertigstellung der Rohfassung zugelegt. Aber wenigstens kann ich die Analysen zur Überarbeitung nutzen. Schon erstaunlich, was einem beim normalen Drüberlesen in Word durch die Lappen geht. Nicht alles, was die Stilanalyse markiert, ist falsch. Das ist mir klar. Schließlich ist Papyrus ein Programm, folgt einem Algorithmus und besitzt kein echtes Gefühl für Sprache. Dennoch hat die Stilanalyse es geschafft, mein börsenindexartiges schriftstellerisches Selbstbewusstsein auf Talfahrt zu schicken. Völlig verunsichert lese ich den Beginn meines letzten Kapitels und weiß plötzlich nicht mehr, was noch gut klingt:

Vor dem Krankenhaus blies Aumann ein kräftiger Wind ins Gesicht und erschwerte seine Versuche, die Zigarette, die er so verdammt nötig hatte, anzuzünden. Er hatte sich nichts anmerken lassen, aber noch einmal würde er das nicht durchstehen. (Der folgende Satz gibt an, was es gegolten hätte durchzustehen)

Auf würde leuchtet ein lila Rahmen. Verbfaulheit oder so ähnlich. Würde ist ein sehr schönes Substantiv und darum Grundgesetz ganz weit vorne geparkt. Aber als Verb? Da hat Papyrus schon recht, das kann man sicher besser lösen.

Er hatte sich nichts anmerken lassen, aber noch einmal stünde er das nicht durch.

Oha, ist das noch mein Stil? Klingt etwas hochgestochen. Vielleicht ein wenig altmodisch. Ach, wenn ich es so sehe: ein Krankenhaus; ein kräftiger Wind; eine verdammt nötige Zigarette; eine nachgelagerte, in eine negative Erwartungshaltung gesetzte Handlung. Was kann es sein? Was kann er nicht noch einmal durchstehen? Irgendwie unheimlich, rätselhaft, bedrohlich … kafkaesk. Nein, ich Trottel! Der Satz steht in der falschen Zeit. Oder? Na gut, dann muss es wohl sein. Ich befrage mein Orakel, mein niemals versiegender Quell des Wissens, mein ausgelagertes Gedächtnis, mein immer richtig liegendes, unfehlbares, unschätzbares … Wikipedia: Also liebes Wikipedia, soll ich würde durchstehen oder stünde durch schreiben?

Bei seiner Antwort muss ich ein wenig schmunzeln. Steht doch da unter ‚Vorschau in der Vergangenheit’ wortwörtlich: Im Präteritum stünde hier die würde-Konstruktion.

Auf frohes Schreiben!

Aw: Frank (Frankofin)

Hi, Frank, willkommen hier im Forum!

Mußte ein wenig schmunzeln bei der Lektüre Deines frühen Statements…

Daß „der letzte Text“ normalerweise oder fast immer der beste sei, entspricht nicht ganz meinen Erfahrungen. Damit stelle ich ja die Qualität Deines letzten Textes nicht in Abrede.

Was den Satz mit „würde“ angeht: Tatsächlich gefällt mir persönlich schon eher die Version mit „stünde“. Im Schriftlichen kommt mir dies nicht hochgestochen vor. Wobei ich selber kein Muttersprachler bin, vielleicht hie und da falschliege.

Herzlich

Abifiz