Fragen zur griechischen Kultur & Athen

Hallo Zusammen,

sollte jemand Interesse oder Fragen an Wissen rund um Griechenland, die griechische Kultur, Musik oder auch speziell Athen haben, kann er sich gerne an mich wenden. Mein Vater war Grieche, ich habe Verwandtschaft in Athen und liebe die griechische Kultur mit all ihren Facetten. Expertenwissen liegt hier bei 12 Punkten.

Liebe Grüße
Johannes

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Hach, das trifft sich gut. Ich bleibe seit längerem erfolglos in der Recherche zum angenommen Zeitraum in dem die Sage um Daedalus und Ikarus von Athen spielt.
Von 13tem Jahrhundert vor Christus bis 700 vor Christus habe ich alle möglichen Dinge gefunden. 500 Jahre Toleranz ist mir dann doch etwas zu viel.
Hast du Rat?

Guten Abend, ich bin eher im heute und im letzten Jahrhundert daheim als in den Zeiten vor Christus, aber ich habe mal geschaut, was ich spontan dazu finde und es dir geschickt!

Liebe Grüße

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Kurze Antworten können ruhig hierher - wir anderen wollen ja auch nicht dumm sterben :slight_smile:

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@Stolpervogel
Die Schriften von OVID (Metamorhposis und Ars Amatoria) helfen da vielleicht weiter.
https://www.ovid-verlag.de/ovid/index.php/lehrerservice/eigene-veroeffentlichungen/daedalus-und-ikarus

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Hallo Stolpervogel,

die Frage nach dem Alter der mythologischen Überlieferung zu Daidalos ist nicht leicht zu beantworten (s.u.); und ganz gewiß umfaßt sie einen größeren Zeitraum als jenen, den du abgabst, denn wenn man – mit einigen guten Argumenten – davon ausgeht, daß sie mindestens in der mykenischen Epoche einsetzt (es könnten sich sogar minoische Grundbestandteile darin finden) und über die ganze Antike hinweg aufrecht erhalten wurde (die Geschichten immer wieder variierend), so steht ja in etwa ein Zeitraum von 2000 Jahren zur Disposition.

Ranke-Graves setzt etwa 1400 v.u.Z. als Beginn an, aber auf seine Interpretationen der *Griechischen Mythologie *ist bekanntlich nicht immer Verlaß, auch wenn im Fall von Daidalos einige Indizien dafür sprechen, diese Zeitangabe nicht für gänzlich irrelevant zu halten. In den klassischen Handbüchern zum Thema – auf die Schnelle habe ich den Roscher und RE konsultiert (beide stehen übrigens online) – wird die Zeitfrage nicht extra ventiliert; der Kontext legt allerdings nahe, daß die mykenische Phase (samt der Eroberung Kretas in dieser Zeit) und deren Heroenkult maßgebend sein dürften, wobei man fast mit Sicherheit ausschließen kann, daß die mythologische Transferlinie von Athen nach Kreta den “wahren Tatsachen” entspricht; will sagen: sie wird wohl eine Umkehrung erfahren haben dergestalt, daß das technische Vermögen (denke etwa an die Baudenkmäler Knossos’!) eher als Transfer von Kreta nach dem Festland aufzufassen ist. – Das besagt freilich nichts über die mythologische Person des Daidalos: Er könnte schon Festlandgrieche gewesen sein, so will es ja seine myth. Genealogie; es sieht allerdings so aus, als würde in diesem Fall dann eben ursprünglich minoisches Sagengut auf einen festlandgriechischen Heros übertragen worden sein, denn sowohl die “Labyrinth”-Anlage wie auch die damit verknüpfte Minotauros-Geschichte (Stierkult) weisen eben nach Kreta und ganz spezifisch auch Knossos.

Der archäologische Befund auf Kreta legt übrigens nahe, daß in den sog. dark ages der alte mythologische Bestand (ev. sogar noch minoischer Provenienz) wahrscheinlich oral tradiert wurde – also in einer Art archaischen “Lokalpatriotismus’” – und erst danach (also ab dem Archaischen Zeitalter) mit festlandgriechischem Sagengut zusammenfloß. Dazu eine instruktive Arbeit, die am Schluß den “Minos-Komplex” ein bißchen aufrollt:

https://books.ub.uni-heidelberg.de/propylaeum/reader/download/287/287-29-78747-3-10-20170825.pdf

Mein persönlicher Befund – aufgrund einiger Indizien, die jetzt nichts zur Sache tun – sieht so aus: Ein minoischer (Minos, Pasiphae, Ariadne, der Minotauros usw.) mythologischer Zyklus und ein festlandgriechischer (Theseus, Daidalos e.a.) wurden wahrscheinlich noch – spätestens – in spätmykenischer Zeit miteinander kombiniert und dann v.a. auf dem Festland während und nach dem Zusammenbruch Mykenes weiter oral tradiert (auf Kreta mochten sich zunächst mehr die rein minoischen Bestandteile erhalten haben), um dann schließlich ab der Archaischen Epoche weiteren Ausbau zu finden, mit den heute bekannten Resultaten und sehr wahrscheinlioch auch weiteren, die inzwischen längst untergegangen sind. Als so um das Achte Jhd. herum die Schrift aufkam (Homer/Hesiod), wurden diese zirkulierenden Geschichten erstmals schriftlich fixiert und damit sozusagen “kanon”-kompatibel gemacht, wozu auch eine reiche bildlich-figürliche Überlieferung trat und das ihre beitrug.

Wenn man also so will, können getrost 2000 oder gar noch mehr Jahre zur Konstitution der Daidalos-Mythologie angesetzt werden. Und das ist nur verwunderlich, wenn man sich (noch) nicht so intensiv mit den Wegen des Mythos bis zur Mythologie (und darüberhinaus: etwa im Literarischen usw.) auseinandergesetzt hat. Wie der große Jean-Pierre Vernant einmal sagte: Beim Mythos gibt es kein “Original”, es gibt immer nur Variationen

… ich möchte dazusetzen: Ja, und zwar aus der Lust heraus, to tell a story, wie Bowra so wunderbar zum Thema formuliert hat. Es muß m.A.n. nicht wirklich wundernehmen, daß sich die uralten Geschichten in Variation über die Jahrtausende hinweg “fortpflanzen”. Genaugenommen gibt es ja eigentlich nur extrem wenige Grundmuster: Und deshalb ist die Variation – übers Unmaß der Zerit hinweg – so wenig verwunderlich.

Viele Grüße

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Vielen Dank euch Allen für die überwältigenden Rückmeldungen. Damit hätte ich nicht gerechnet.
Danke!