Fachtexte und Lesbarkeit

Hallo,
da ich sehr oft Fachtexte schreibe und schon “von Haus aus” dazu neige, in zu langen Schachtelsätzen zu formulieren, führt das (meiner Ansicht nach) zu Schwierigkeiten, wenn man z.B. ein allgemeinverständliches Fachbuch schreiben möchte. Dieses soll sich nicht eben nur an Fachleute wenden, sondern auch an Hobby-Ausüber bzw. an Bastler. Also eine recht gemischte Zielgruppe. Hat jemand ähnliche Problem(chen) bzw. Erfahrungen auf dem Gebiet?

Über Anregungen und Tipps freue ich mich immer.

Vor dem Problem der Lesbarkeit von Fachtexten resp. wissenschaftlichen Texten steht, denke ich mal, jeder Autor solcher Texte. Und selten gelingt es Autoren, die Texte dann so zu schreiben, dass auch Normalsterbliche, sprich Nichtfachleute, die Texte auf Anhieb verstehen können.
Der Verzicht auf Schachtelsätze ist da ein erster Ansatz zur besseren Lesbarkeit.
Meiner Ansicht nach ist es aber absolut hilfreich, auf schwerverständliche Fachbegriffe, insbesondere Substantivierungen zu verzichten. Oder besser noch sollten genau diese Fachbegriffe erklärt werden, gegebenenfalls im Fußnotenbereich. Das macht natürlich sehr viel mehr Arbeit bei der Erstellung solcher Texte. Aber wenn ich möchte, dass meine Texte gelesen werden, dann versuche ich von vornherein, die genannten Probleme bei den Formulierungen auszuschließen.
Hilfreich ist es dabei immer, sich in den Leser, insbesondere solche, die sich sehr wenig in der Materie auskennen, hineinzuversetzen und zu schauen, unter welchen Voraussetzungen der Text verständlich und damit lesbar erscheint.

Damit Fachleute nicht frühzeitig die Augen verdrehen, wenn ein solcher Text verständnismäßig bei “Adam und Eva” anfängt, kann man ja im Vorwort einen Hinweis auf die Lesbarkeit geben. Das wirkt dann auf jeden Leser einladend.

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Ich fürchte lange Schachtelsätze verleiden jedem Erdenbürger einen Fachtext, egal welches Bildungsniveau derjenige im spezifischen Thema hat. Die Komplexität sollte durch das gewählte Thema bestimmt sein, nicht durch die Schreibtechnik.
Ich hatte neulich jemanden vor mir, der in fünf Minuten einem Publikum ohne entsprechendes Spezialwissen, aber gutem Bildungsniveau, Quantum Kryptographie erklären konnte. Das fand ich extrem beeindruckend und es ist sicherlich ein Weg um ein Fachbuch auch für “Vorbeilaufende” interessant zu gestalten.
Sie hat das Thema in einzelne Bestandteile zerlegt und diese dann wieder zusammengesetzt. Das ist geringer Zeitverlust für jemanden im Thema und ausreichend für Neulinge. Zusätzlich kann der im Thema dabei lernen, wie er sein Thema kurz und doch verständlich erklären kann.
Mir ist bewusst, dass diese Fünf-Minuten-Erklärung nicht aus der Hüfte geschossen war, aber schon Goethe hat das in einem seiner Briefe schön formuliert:
Ich schreibe dir einen langen Brief, weil ich keine Zeit hatte einen kurzen zu schreiben.

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Für mich wäre in einem solchen Fall immer der Begriff der populärwissenschaftlichen Literatur ein Dreh- und Angelpunkt. Es gibt viele Beispiele ernst zu nehmender Wissenschaftler, die es verstanden, ihre Disziplin einfach, verständlich darzulegen, ohne von ihren Wissenschaftler-Kollegen dafür verdammt zu werden.

Ein Quantum Kryptographie ist nicht so schlimm, schlimmer aber die Quanten Kryptographie …

Das ist wohl war. Aber auch Da gibt es genügend Autoren, die es verstehen, die Inhalte gut darzustellen. Wiewohl es ein absolut schwieriges Thema ist. :confused::slight_smile:

Uns ist hoffentlich allen klar, dass ich nen Schreibfehler gemacht hab.

Es muss gerade nicht um Populärwissenschaftliches. Da ist das Problem recht häufig die mangelnde Ahnung der Autoren, die einen gruseln lässt.
Im Gegenteil - je anspruchsvoller der Sachverhalt, desto eher ist es relevant, dass die Autoren sich eben nicht im fachspezifischen Elfenbeinturm wähnen. Wo sie dann so schreiben, dass nur andere, die es letztlich schon wissen, das Geschriebene verstehen.
Es geht eigentlich darum, dass Leute, die eine Wissensstufe noch nicht erreicht haben, eben durch das Werk auf ein höheres Niveau gehoben werden. Und das ist eine Kunst, die in Amerika höher geschätzt wird als hier, aber es wird besser.
Ich denke nur an die sensationelle “Zelle” (Molecular Biology of the Cell), die in den 80ern in der Biologie Einschlug wie eine Bombe. Das Besondere: Wirklich jeder normal bemühte Biologiestudent kann sich mit der Schwarte auf das Niveau von Top-Arbeitsgruppen hieven.

Das war schon immer etwas Besonderes - und für mich (und mittlerweile Leon) auch ein Ziel, möglichst unsere Anleitungen nach diesem großartigen Vorbild zu schreiben. Wie auch die Wiki.

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Ich kenne ausreichend etablierte und anerkannte Wissenschaftler, die durchaus in Lage sind, wissenschaftliche Themen für das Volk verständlich - also populär - zu vermitteln.

Es gibt viele Wissenschaftler, die ihre Fachthemen in einer Weise erklären, dass es in dem Bemühen, sich verständlich zu machen, noch unverständlicher wird. Das geschieht in den meisten Fällen nicht aus Bösartigkeit oder Arroganz, sondern in dem Bemühen, wissenschaftlich exakt zu sein, also möglichst logisch und mit den korrekten Fachbegriffen, kausale Zusammenhänge in seiner Kompliziertheit zu erläutern. Erschwerend kommt dazu, dass viele Fachtermini eine genaue Definition im Schlepptau haben, ohne deren Kenntnis die ganze schöne Erklärung keinen Sinn ergibt. Wer sich nun die Mühe macht, neben den eigentlichen, oft widersprüchlichen Zusammenhängen auch noch die Fachtermini mit zu erklären, endet oft in verwirrenden Verästelungen der eigenen Logik. DAS allgemeinverständlich auszudrücken, ohne dass vom Leser oder Zuhörer Spezialwissen gefordert ist, erfordert nicht nur das eigene, vollständige Verständnis der Materie, sondern auch noch das Vermögen, sich mittels Sprache klar und verständlich artikulieren zu können.
Der langen Rede krauser Sinn: Isch nisch leischt…

Das ist womöglich der Grund, weshalb es so wenige Wissenschaftler gibt, die ihren Fachbereich auch einem wissenschaftlich nicht oder anders gebildeten Publikum populär vermitteln können. Aber es gibt sie. Und wenn man sich an diesen ein Beispiel nimmt, kann dieser Spagat, den DM-70 vorhat durchaus klappen. Man darf das eine nicht scheuen und das andere nicht fürchten.

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Das kann durchaus klappen. Doch es erfordert, wie ich schon schrieb, zwei wichtige Fähigkeiten: erst muss wissenschaftler das, was er erläutern will KOMPLETT verstanden haben, als zweites muss er (oder sie) in der Lage sein, sich sprachlich klar und verständlich auszudrücken.

Reden wir lieber nicht von denen, die Fachwörter verwenden, weil sie gerade Mode sind und sie ihrer ansonsten nichtssagenden Rede damit den Anstrich von Wissenschaftlichkeit geben wollen, ohne zu wissen, was die Fachbegriffe wirklich bedeuten. Ist gerade bei Umweltthemen mächtig in Mode.

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Da reden leider vor allem die am lautesten mit, die am wenigsten von der Materie verstehen. Nach dem Motto: wer am lautesten schreit hat am meisten Recht. Aber das sind äufig wiederum keine Wissenschaftler

Die grundlegende Frage, die sich der Vortragende stellen muss, ist die Frage nach der Beschaffenheit des Publikums. Rede ich vor einer Zuhörerschaft, die sich aus Fachleuten zusammensetzt, kann ich mir tiefgreifende Erklärungen von Dingen, die eh schon bewiesen sind, sowie Fachbegriffe sparen.

Rede ich vor Studenten, muss es schon etwas vielschichtiger sein, obwohl ich von Studenten erwarten kann, dass sie das Gelernte nacharbeiten bzw. vorbereitet in die Vorlesung kommen.

Habe ich ein Laienpublikum, weiß ich auch, dass die kein Interesse an tiefgreifenden und wissenschaftlich abgesicherten Definitionen haben, sondern einfach nur einen verständlichen Gesamtüberblick haben wollen. Daher kann ich an der Oberfläche bleiben; dafür benötige ich aber keine Schachtelsätze oder oder ineinander verzweigende Gedankenstränge. Wenn doch, muss ich an meiner Lehrfähigkeit arbeiten.

Kurzum, Ziel ist es, mein Ziel des Vortrages / Buches genau zu definieren. Dafür muss ich festlegen, wen genau ich damit erreichen will und dann dementsprechend vorgehen. Bücher, die eine eierlegende Wollmichsau sein wollen, sind keine lesenswerten Bücher.

Grundsätzlich sollte aber ein jeder „Lehrer“ ein Erfordernis erfüllen können: Er sollte Schwieriges einfach erklären können und nicht Einfaches schwierig.

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Das hast du Recht, Greifenklau. Dennoch gibt es Autoren, die verstehen mit ihren Veröffentlichungen sowohl die Nichtfachleute zu begeistern, als auch Fachleuten ein anerkennendes Kopfnicken abzuringen. Ich denke da an Stephen Hawking und seine “Kurze Geschichte der Zeit”.
Auf deutscher Seite ist für mich Harald Lesch ein Wissenschaftler, der es versteht, schwierige Themen anschaulich zu vermitteln. Beide Autoren sind gleichzeitig anerkannte Wissenschaftler.
An beiden kann man sich ein Beispiel nehmen.

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Ich stimme Dir vollkommen zu. Genau das ist der Anspruch, aber nicht nur bei wissenschaftlichen Texten sondern auch bei Literatur. Wir haben beim Schreiben ja auch eine Zielgruppe mit bestimmter Vorbildung im Hinterkopf. Dementsprechend sollte die Lesbarkeit sein, die Wortwahl und der Reichtum an Synonymen. Billige Zeitungen kommen mit 600 bis 800 Vokabeln aus, Literatur kann das zehnfache haben.

Uns hat man an der Uni noch beigebracht, bei einem guten Fachvortrag müsse 1/3 von jedem verstanden werden, 1/3 von den Fachleuten und 1/3 von niemandem. Und das war ernst gemeint, denn ein Fachvortrag müsse “nicht nur informieren, sondern auch imponieren”.

Mit so einer Prägung dann später allgemeinverständlich zu schreiben erfordert schon eine gewisse Dekonditionierung …

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Zwar kann ich mich an solche Regeln nicht erinnern, wohl aber an zahlreiche Fachvorträge, die genau so waren. Bis heute wehre ich mich dagegen und versuche, mich verständlich zu machen, gerade bei Vorträgen. Texte kann der Leser schneller und langsamer zu sich nehmen und sogar noch einmal zurückblättern. Beim Vortrag geht das nicht. Da muss der Satz im dem Moment ankommen, in der er gesprochen wird. Es guter Vortrag hat viel mit einem Kabarett-Solo gemein.
Aber damit betreten wir ein neues Gebiet. Bleiben wir vorerst beim Schreiben der Texte.

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Mag durchaus eine Methode sein, die in den technischen Wissenschaften üblich ist. Kann ich jetzt als Geisteswissenschaftler wenig bis nix zu sagen und halt daher den Mund. Ausnahmsweise. :heart_eyes:
Ansonsten kann ich immer nur zitieren, was mir in der Volontärszeit eingetrichert wurde: Schreibe so, dass es jeder versteht. Auch Emma Pachulke. Wobei Emma Pachulke das Synonym ist für den Leser, der von dem Thema keine Ahnung hat. Daher war für mich immer das Lob eines normalen Lesers mehr wert als das eines fachlich gebildeten.
Aber ich gebe zu, das ist auch berufsspezifisch.

Ich habe jetzt auf Anhieb nicht gefunden, wer es in diesem Thread gesagt hat. Aber Voraussetzung, etwas einfach,. schlicht und vielleicht sogar ergreifend vermitteln zu können ist immer, dass der Autor selbst die Thematik verstanden hat. Loggo.