Eisenwölfe Einstieg

Liebes Forum,
Ich bin für Kritik dankbar!

Seine Augen öffneten sich langsam. Drehte sich die Welt oder war es sein Kopf? Über ihm kreisten die Möwen, ein Anblick den man in Eisenhafen, nicht entging. Pulsierender Schmerz breitete sich auf seiner gesamten Brust aus wie eine Welle, die unaufhaltsam auf die Wehranlagen kracht. Ein Stöhnen drang durch Garrus Lippen. Die braunen Locken vielen ihm in das Gesicht. Sie waren nass geschwitzt. Seine Arme baumelten seitlich von der Liege.

„Wo bin ich?“ Schmerz durchströmte den verwirrten Jungen. Nein, kein Junge mehr. Jetzt war er ein Mann. Es wurde ihm wieder bewusst. Endlich erwachsen, nicht Kind.

„Du hast es gleich durchgestanden. Du warst weggetreten. Das ist normal.“ Diese rauchige Stimme. Er erkannte sie. Es war Rolf.

Behutsam wurde sein Kopf von zärtlichen Händen hochgestützt. Er lag auf dem Rücken.

Rolf trieb die Knochennadel durch leichte Hammerstöße in seine Brust rein. Wieder dieses Leiden. Pulsierender Schmerz drang durch seinen Körper. Er hörte jeden seiner Herzschläge wie ein Grollen der Sturmwolken, die so oft in Richtung Eisenhafen zogen.

Kayas Finger fuhren ihm sachte über die Stirn. Sie rochen nach Minze. Garrus schloss seine Augen, sein Verstand verlor sich in der Berührung des Mädchens. Dann kam wieder der Schmerz.

„Zähne zusammenbeißen, Kleiner!“ Rolfs Grinsen war für Garrus sichtbar, ohne die Augen zu öffnen. Rhythmisches Klopfen biss sich in seine Brust wie ein Schwarm Wespen, die es auf die gleiche Stelle am Körper abgesehen hatten. Das markante Gesicht des Rudelführers grinste ihn in seinem Kopf an. Dieser Arsch, dem macht das ganze Spaß. „Dein Bruder war vorhin hier. Ich soll dir ausrichten, dass du dich nicht so anstellen sollst.“ Ein rauchiges Lachen erklang durch seine vom Tabak gelb gefärbten Zähne.

„Der Wolf sieht fantastisch aus!“ Kayas Stimme floss wie Honig durch seinen Verstand. Kaya. Die Schönheit, die von diesem Holzkopf Rolf gezeugt wurde.

Sein Bewusstsein errang gegen seine Verwirrung mehr Kontrolle, doch hieß das, dass der Schmerz in seiner Brust wie eine geschleuderte Axt in sein Gehirn schoss. Unabsichtlich verkrampfte sich sein Kiefer. Selbst Kieselsteine wären zerbröselt, würde man sie ihm zwischen die Zähne schmeißen.

„Kaya, tupf ihm den Schweiß aus dem Gesicht.“ Rolf gab Befehle, ohne aufzusehen. „Jetzt dauert es nicht mehr lange. Nur die letzten Feinheiten.“ Hatte er das nicht grade eben gesagt? „Wo ist Vater?“ Garrus öffnete wieder die Augen. Er sah diesmal eine Göttin. Volle Lippen, die er sein Leben lang schon zu küssen begehrte, waren nur wenige Handbreit von seinem Gesicht entfernt. Sanfte Haut, braungebrannt von der Sonne betörte seine Sinne mit einem Duft, der ihn schaudern ließ.

„Lord Wolf ist leider bei einer Audienz mit dem Vormund der Herzogin. Es tut mir leid.“ Wieder blieb Rolfs Blick auf sein Kunststück gehaftet beim Sprechen. Wie immer, schoss durch Garrus schmerzverzerrtes Bewusstsein. „Ist es zu viel verlangt, wenn mein Vater wenigstens bei der Initiation anwesend wäre?“ Eine Träne sammelte sich im Augenwinkel. Sie mischte sich mit seinem Schweiß und rollte bis zu seinen Barthaaren herunter. Kaya bemerkte sie und wischte sie weg. Ihre Fingerkuppen glitten sanft über seine Backe, bis sie ihm durch den Bart kraulte. Garrus ließ sein Kopf zur Seite fallen. Er lag in ihrem Schoß. Manchmal hat Schmerz auch etwas Gutes an sich, fand der frisch gestochene Mann.

Im Hinterhof des Wolfsbaus stand eine große Eiche. Sie hielt sich schon standhaft, seit der Klan Aufzeichnungen schrieb. Durch die Fenster zur Küche sah er die Köchin arbeiten. Der Geruch von Fischeintopf mischte sich mit der salzigen Brise des Meeres. Der Garten wurde durch große Häuser von der Außenwelt abgeschnitten. Wo sind denn alle?

„So!“ Rolf schlug ihm mit der flachen Hand auf den Oberschenkel. „Fertig! Ein Meisterwerk, wenn ich es so sagen darf.“ Aus einem Wassereimer neben der Liege nahm er einen nassen Lappen und wischte über die tätowierte Brust. Garrus richtete sich auf und zuckte zusammen. Der Fetzen färbte sich dunkelrot.

Der aufrechtstehende, zähnefletschende, Wolf dominierte auf seiner Brust. Der erste Schritt zu seinem Ziel war geschafft. Wohlig warmer Schmerz durchfloss seine Adern. Garrus stand auf, sein durchtrainierter, nackter Oberkörper war vom wässrigen Blut überströmt. Schwindlig suchte er halt. Rolf schütze ihn vor dem Stürzen. Mit beiden Händen fuhr er sich über die Stirn und packte seine Locken. Er zog sie stramm nach hinten, um einen Zopf zu binden. Dabei spannte er seine Muskeln an und drehte sich zu Kaya.

„Wie seh ich aus, Kaya?“ Er fletschte seine weißen Zähne zu einem Grinsen.

„Gut siehst du aus, du arroganter Bengel!“ Rolf klatschte ihm den blutigen Fetzen auf seinen Rücken. „Jetzt geh dich waschen, bevor ich genötigt werde, zuzusehen, wie du meine Tochter angelst!“

Säuberlich wusch Rolf seien Utensilien. Er packte sie geordnet in eine Ledertasche. „Ich lasse euch beiden jetzt alleine. Kaya, kümmer dich um seine Wunde. So wie ich den Trottel hier kenne, entzündet sich der Kratzer, so selten wie er sich wäscht.“ Mit einem Augenzwinkern verabschiedete er sich. Er gab seiner Tochter einen Kuss auf die Stirn, schnappte sich seine Tasche und verließ durch die Küche den Innenhof.

„Was ist dein Plan, du großer, starker Wolf?“ Spielerisch neigte sie ihren Kopf. „Welche Heldentaten stehen jetzt vor dir?“ Sie tupfte die gerinnende Wunde mit einem in Pfirsichschnaps getränkten Tuch. Der Schnaps war ein Selbstgebrannter. Jeden Sommer, wenn die Mondgöttin Vunra ihren Liebhaber Vanru überholte, haben Garrus und seine Freunde auf dem Landanwesen ausgeholfen und allerlei Obst gepflückt. Die schönsten Kindheitserinnerungen entstanden auf diesem Hof. Dort geschah es, dass er von dem Apfelbaum fiel und sich eine Narbe auf der Mitte seiner Stirn zuzog. Leichtsinn hat seinen Preis. Der Lockenkopf hatte braune Augen, tief wie das Meer doch mit einer Leichtigkeit in seinem Blick der zum Pferdestehlen einlud.

„Soweit hab ich noch nicht gedacht.“ Sein Blick fiel auf seine Sandalen. Er spielte mit seinen großen Zehen, wich ihrem durchdringenden Mustern aus.

„Sieht dir änlich.“ Ihr Lächeln entblößte einen abgebrochenen Eckzahn. Der gleiche Sturz, der seine Narbe verursachte. „Berta braucht Hilfe mit den Vorbereitungen. Heute Abend ist dein großes Fest! Versuch bitte, bis dahin nüchtern zu bleiben, wenn du die Jungs triffst!“

„Ich Versuchs! Mal schauen was die Anderen mit mir Vorhaben.“ Ein kurzes Lächeln und sie war im Wolfsbau verschwunden.

Hi Zoerner

Im Allgemeinen finde ich es gut geschrieben, am Anfang wurde es für mich schnell aber kurz spannend.

Zu erwähnen wäre evtl., dass ich Anfänger bin, aber auch ein Perfektionist :slight_smile:

Details die mir aufgefallen sind:

Endlich erwachsen, nicht mehr Kind. (oder ein anderes Wort bzw. anders formuliert)

Säuberlich wusch Rolf seine Utensilien.

Aus einem Wassereimer neben der Liege nahm er einen nassen Lappen und wischte über die tätowierte Brust. Garrus richtete sich auf und zuckte zusammen. Der Fetzen färbte sich dunkelrot.

Also wischt er über die Brust und lässt den Fetzen liegen, oder richtet sich Garrus gleichzeitig auf? Hat mich verwirrt, dass sich der Fetzen färbt, wenn er doch blutet nachdem ihm drüber gewischt wurde.

„Ich versuchs! Mal schauen was die Anderen mit mir vorhaben.“ (versuchs oder versuch’s? bin mir nicht sicher, aber kommt ja von versuche es)

Freundliche Grüsse

Oh, es ist echt gut wenn Andere einmal drüber lesen. Ich hab diese Fehler nicht bemerkt. Danke dir dafür!

Also mehr Informationen und Beschreibungen? Ich habe immer Angst zu viel Tell und zu wenig Show zu liefern. Vielleicht sollte ich heute Abend das komplette erste Kapitel mal hochladen. Vielleicht interessiert es dich ja :slight_smile:

Ich glaube, was mich am meisten stört, sind die vielen Schmerzen und deren Beschreibungen. Du mast das Wort - daher, töte es ab und an mal :slight_smile:
Wenn wir uns nur die Schmerzen ansehen:

Wenn nur eine Welle auf die Wehranlage kracht ist das ein einmaliger Impuls, denke ich. Für etwas Pulsierendes brauchst du vermutlich Wellen, die Mehrzahl. Da kann man auch diskutieren, ob der Schmerz selbst Einzahl sei, aber da der gleiche Schmerz wiederkehrend piekst, käme ich hiermit klar. Ja, das ist sehr kleinkariert. Es wird kaum jemanden stören.

Schmerz. Nix weiter. Nicht schlimm. Nur wird das Wort zu oft kommen.

Ja, ich als Leser kann mich aber noch ganz gut erinnern, dass ich erst vor 8 Sekunden schon erfahren habe, dass der Schmerz pulsiert. Der Schmerz pulsiert also treu weiter. Sehr verlässlich immerhin.

So isses! Immerhin schon gefühlte 5 Wörter her, dass ich *Schmerz *las :slight_smile:

Schon klar, es* schmerzt *ihn.

Die Kieselsteine hätte er eher zermahlen, oder? Es sei denn, der Schmerz hätte den Kiesel so beeindruckt, dass er sich selbst zerbröselt. Ja, ist kluggeschissen von mir. Und auch: Kann man eigentlich absichtlich verkrampfen? Vermutlich sogar ja und das wäre dann eine Erwähnung wert. Den unbeabsichtigten Krampf nehme ich als typisch hin. Wir könnten also kürzen.

Es ist quasi die Vikinger-Version des jungen Werther. Schmerzen überall, auch in Kopp und Herz.

Find ich mittlerweile aber nicht mehr :slight_smile:

Mir gleich auch - Ich brauche nämlich Hochprozentiges nun!

Danach endet vorerst der akute Schmerz, aber in seiner Vergangenheit ist er (und sie auch) natürlich vom Baum gefallen. Ich unterstelle Schmerz!

Was anderes noch, weil es direkt eingangs passiert:

Demnach hieße er Garru und nicht Garrus. WIr brauchen wohl Garrus’ stattdessen. Da ich den Helden zuvor nicht kenne, bilde ich mir initial einen falschen Namen und bin dann an späterer Stelle verwirrt.

PS.:
Mein persönlicher Hauptschmerz ist leicht reparierbar. Wenn du, als Autor, es denn willst.

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Ich sehe das genau wie Stolpervogel, die vielen Schmerzen werden schmerzhaft für den Leser. Die erste Szene hast du aufgebaut mit Spannung, dessen Kurve sofort abflacht. Die Sätze sind teilweise nicht ausdrucksstark genug, sodass ich dir eine dringende Bearbeitung empfehle. Du schreibst von einer Kaya und erwähnst den Namen ständig hintereinander. Versuche doch sie, er, es ebenfalls zu integrieren damit der Lesefluss nicht ins Stocken gerät. Ich glaube auch, das größte Problem des Textes ist, dass der Lesefluss irgendwie nicht ins Rollen kommt. Manche Passagen, Erklärungen doppelte Namen, etc. können restlos gestrichen werden. Die Löschtaste ist Autors größter Liebling. Leider machen vor allem Anfänger diesen Fehler, zu viele Erklärungen im Text stehen zu lassen. Als Autor muss man jeden Tag aufs Neue Mut beweisen, die Löschtaste zu benutzen.

Mir vielen die vielen Locken auf …

Lieber @Zoerner,

ich schließe mich meinen Vorrednern an. Über den Schmerz wurde schon einiges gesagt, deshalb lasse ich den aus meinen Anmerkungen raus.

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Kayas Finger fuhren ihm sachte über die Stirn. Ups. Wo kommt die plötzlich her? Und woher weiß er, dass es Kaya ist? Sie hat noch nichts gesagt, sodass er sie nicht an der Stimme erkennen konnte. Sie rochen nach Minze. Riecht sie immer so? Und ist sie die Einzige, die so riecht? Ist das ihr Erkennungsmerkmal? Garrus schloss seine Augen, sein Verstand verlor sich in der Berührung des Mädchens. Dann kam wieder der Schmerz.

„Zähne zusammenbeißen, Kleiner!“ Rolfs Grinsen war für Garrus sichtbar, ohne die Augen zu öffnen.

Hier haben wir wieder ein kleines Grammatik-Problem: Rolfs Grinsen war für Garrus sichtbar, ohne die Augen zu öffnen.

Der erweiterte Infinitiv mit zu passt nicht zu diesem Satz, weil es nur ein Subjekt gibt, dieses aber für den Nebensatz das falsche Bezugswort ist.

“Rolfs Grinsen” ist in diesem Satz das Subjekt. Nach ihm richtet sich das Verb (“war sichtbar”), das hier im Passiv steht. Der erweiterte Infinitiv im Nebensatz müsste sich auf das gleiche Subjekt beziehen wie im Hauptsatz, aber das ergibt keinen Sinn. Rolfs Grinsen öffnet nicht die Augen.

Du meinst das Folgende: Rolfs Grinsen war für Garrus sichtbar, ohne dass er dafür die Augen öffnen musste.

Jetzt habe ich im Nebensatz ein zweites Subjekt eingefügt (er), das sich auf Garrus bezieht. Nun stimmt der Bezug wieder. Eine Infinitiv- oder Partizipialkonstruktion kannst Du nur verwenden, wenn sie sich auf dasselbe Subjekt bezieht wie der Hauptsatz. Wenn Du solche grammatikalischen Feinheiten nicht beherrschst, kann das unfreiwillig ziemlich komisch werden … Zum Beispiel in einer Situation, in der ein Mann eine Frau im Abteil eines Liegewagens durch sein Schnarchen die ganze Nacht wach hielt. Sie schrieb darüber: “Aus meinem Bett kletternd wünschte mir der Mann, der mich die ganze Nacht wach gehalten hatte, einen guten Morgen und fragte mich, wie ich geschlafen hätte.” (Natürlich meinte sie nicht, dass er aus ihrem Bett geklettert ist, sondern dass er dies sagte, während sie aus ihrem Bett kletterte …)

Rhythmisches Klopfen biss sich in seine Brust wie ein Schwarm Wespen Bei einem Schwarm Wespen würde ich nicht in erster Linie an Klopfen denken …, die es auf die gleiche Stelle am Körper abgesehen hatten. Das markante Gesicht des Rudelführers grinste ihn in seinem Kopf an. Ist damit Rolf gemeint? Das ist wieder dieser Wechsel ins Distanzierte, der nicht zu einer personalen Perspektive passt. Dieser Arsch, dem machte das gGanze Spaß.

Absatz. Die vorige Passage hat der Protagonist gedacht. Diese wörtliche Rede bezieht sich auf den Anführer. „Dein Bruder war vorhin hier. Ich soll dir ausrichten, dass du dich nicht so anstellen sollst.“ Ein rauchiges Lachen erklang durch seine vom Tabak gelb gefärbten Zähne.

„Der Wolf sieht fantastisch aus!“ Kayas Stimme floss wie Honig durch seinen Verstand. Kaya. Die Schönheit, die von diesem Holzkopf Rolf gezeugt wurde. Gezeugt wurde? Das verstehe ich nicht. Meinst Du, dass Kaya seine Tochter ist? Dann muss es heißen “gezeugt worden war”, denn er zeugt sie ja nicht gerade jetzt, wo er spricht. Dann würde es auch noch eine Weile dauern, bis Kaya geboren und erwachsen wäre. Eine andere Schönheit, die Rolf gerade jetzt zeugen könnte, da er spricht, fällt mir hier nicht ein.

So langsam tritt diese Szene auf der Stelle. Ich hätte all dies, das Erwachen, die Schmerzen und Rolfs Häme in etwa zwei Absätze gepackt. Du musst schneller zum Punkt kommen bzw. die Handlung vorantreiben, sonst langweilt sich der Leser. Bei dieser Behandlung mit der Knochennadel hätte ich etwas mehr Atmosphäre hineingebracht. Ich hab sie auch nicht verstanden. Hat er ihn tätowiert? War das der Wolf, von dem Kaya spricht?

Sein Bewusstsein errang gegen seine Verwirrung mehr Kontrolle, doch hieß das, dass der Schmerz in seiner Brust wie eine geschleuderte Axt in sein Gehirn schoss. Unabsichtlich verkrampfte sich sein Kiefer. Selbst Kieselsteine wären zerbröselt, würde man sie ihm zwischen die Zähne schmeißen. Ich würde etwas sparsamer mit Vergleichen und Metaphern umgehen und dafür mehr zeigen, wie er auf bestimmte Empfindungen reagiert. Dadurch wirkt er weniger passiv und wird auch glaubwürdiger.

„Kaya, tupf ihm den Schweiß aus dem Gesicht.“ Rolf gab Befehle, ohne aufzusehen. „Jetzt dauert es nicht mehr lange. Nur die letzten Feinheiten.“ Hatte er das nicht grade eben gesagt?

Absatz, wenn eine neue Figur spricht. „Wo ist Vater?“ Garrus öffnete wieder die Augen. Moment. Woher weiß Garrus, dass Rolf Befehle gibt, ohne aufzusehen, wenn er die Augen geschlossen hatte? Er sah diesmal eine Göttin. Volle Lippen, die er sein Leben lang schon zu küssen begehrte, waren nur wenige Handbreit von seinem Gesicht entfernt. Sanfte Haut, braungebrannt (Duden empfiehlt Getrenntschreibung) von der SonneKomma betörte seine Sinne mit einem Duft, der ihn schaudern ließ.

„Lord Wolf ist leider bei einer Audienz mit dem Vormund der Herzogin. Es tut mir leid.“ Wieder blieb Rolfs Blick auf sein Kunststückwerk gehaftet (geheftet; von heften, heftete, geheftet; Du hast geschrieben: haften, haftete, gehaftet; das bedeutet: verantwortlich sein. Du kannst entweder sagen: Sein Blick blieb auf das Kunstwerk geheftet. Oder Sein Blick blieb an dem Kunstwerk haften. Wenn er für das Kunstwerk gehaftet hat, dann übernimmt er die Entschädigung bei einem Verlust. Außerdem verwechselst Du Kunststück (eine akrobatische Leistung) mit Kunstwerk (ein Erzeugnis künstlerischen Schaffens) beim Sprechen.

Absatz Wie immer, schoss durch Garrus’ (Genitiv-Apostroph) schmerzverzerrtes Bewusstsein. „Ist es zu viel verlangt, wenn dass mein Vater wenigstens bei der Initiation anwesend wäre?“ Eine Träne sammelte sich im in seinem Augenwinkel. Sie mischte sich mit seinem Schweiß und rollte bis zu seinen Barthaaren herunter (falsche Perspektive: “Herunter” bedeutet zum Sprecher bzw. zum Gebiet seiner Aufmerksamkeit hin. In diesem Fall wäre es eher “hinunter”, vom Auge, wo sie entstanden ist und seine Aufmerksamkeit erregt hat, weg. Kaya bemerkte sie und wischte sie weg. Ihre Fingerkuppen glitten sanft über seine Backe, bis sie ihm durch den Bart kraulte. Garrus ließ sein Kopf zur Seite fallen. Er lag in ihrem Schoß. Manchmal hat Schmerz auch etwas Gutes an sich, fand der frisch gestochene Mann Auch das passt nicht zu einer personalen Perspektive, die Du mit so vielen Einblicken in seine Gefühlswelt aufzubauen versuchst. Er würde an sich selbst nie als “der Mann” denken. “Fand er”, würde hier völlig ausreichen. Und noch immer herrscht Stillstand. Wenn ich das mal zusammenfassen darf: Er ist aufgewacht, hatte Schmerzen, wurde tätowiert und eine Frau hat ihn getröstet. Er selbst hat am wenigsten getan. Was ist eigentlich sein Ziel in dieser Szene? Die Handlung scheint auf der Stelle zu treten, weil er nichts erreichen muss. Er liegt da und lässt machen. Vielleicht ist das nicht so eine geeignete Szene für den Köder gleich am Anfang des Romans? Ich würde ihm ein Ziel geben und ein paar mehr Konflikte einbauen, die diesem Ziel entgegenstehen. Ich würde ihn aktiver machen, zumindest, bis der Leser in der Geschichte drinnen ist.

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Im Hinterhof des Wolfsbaus stand eine große Eiche. Sie hielt sich schon standhaft, seit der Klan Aufzeichnungen schrieb. Durch die Fenster zur Küche sah er die Köchin arbeiten. Der Geruch von Fischeintopf mischte sich mit der salzigen Brise des Meeres. Der Garten wurde durch große Häuser von der Außenwelt abgeschnitten. Wo sind waren (Tempusfehler) denn alle?

„So!“ Rolf schlug ihm mit der flachen Hand auf den Oberschenkel. „Fertig! Ein Meisterwerk, wenn ich es so sagen darf.“ Aus einem Wassereimer neben der Liege nahm er einen nassen Lappen und wischte über die tätowierte Brust. Garrus richtete sich auf und zuckte zusammen. Der Fetzen färbte sich dunkelrot.

Der aufrechtstehende, zähnefletschende, Wolf dominierte auf seiner Brust Was dominiert er? Dominieren heißt beherrschen oder vorherrschen. Gibt es noch andere Tätowierungen auf seiner Brust, die der Wolf dominieren könnte? Sonst würde ich sagen: “fiel auf”, “hob sich von der Haut ab” oder “wirkte sehr lebensecht”, irgendwie so was… Der erste Schritt zu seinem Ziel war geschafft. Das Problem für die Szene ist, dass er nichts tun musste, um dieses Ziel zu erreichen. Er musste nur auf dem Rücken liegen und ein paar Schmerzen ertragen. Das macht ihn ziemlich passiv. Ich hätte mir vielleicht etwas überlegt, was er tun muss, um sich als Mann zu beweisen, bei dem er aktiv sein muss, was weiß ich, ein Stück Wild erlegen, gegen ein Rudel Wölfe kämpfen oder eine gefahrvolle Wanderung auf sich nehmen. Und am Ende, wenn er diese Tat vollbracht hat, bekommt er als Anerkennung und Zeichen dafür, dass er nun ein Mann ist, die Tätowierung. Aber er wäre nicht die ganze bisherige Szene über passiv gewesen. Wohlig warmer Schmerz durchfloss seine Adern. Garrus stand auf, sein durchtrainierter, nackter Oberkörper war vom wässrigen Blut überströmt. Schwindlig suchte er hHalt. Rolf schützte ihn vor dem Stürzeneinem Sturz. Mit beiden Händen fuhr er sich über die Stirn und packte seine Locken. Er zog sie stramm nach hinten, um einen Zopf zu binden. Dabei spannte er seine Muskeln an und drehte sich zu Kaya.

„Wie seh ich aus, Kaya?“ Er fletschte seine weißen Zähne zu einem Grinsen.

„Gut siehst du aus, du arroganter Bengel!“ (So arrogant finde ich ihn gar nicht. Immerhin ist sogar eine Träne geflossen, er hat gelitten, wollte seinen Papi bei sich haben …) Rolf klatschte ihm den blutigen Fetzen auf seinen Rücken. „Jetzt geh dich waschen, bevor ich genötigt werde, zuzusehen, wie du meine Tochter angelst!“

Säuberlich Sorgfältig wusch Rolf seinen Utensilien. Er packte sie geordnet in eine Ledertasche. „Ich lasse euch beiden jetzt alleine. Kaya, kümmer dich um seine Wunde. SoKomma wie ich den Trottel hier kenne, entzündet sich der Kratzer, so selten wie er sich wäscht.“ Mit einem Augenzwinkern verabschiedete er sich. Er gab seiner Tochter einen Kuss auf die Stirn, schnappte sich seine Tasche und verließ durch die Küche den Innenhof. Bei Rolfs Umgang mit Hygiene, mit dem Lappen, mit dem er Garrus’ Brust abgewischt hat, wird mir aber auch ganz anders, wenn ich an Infektionen denke …

„Was ist dein Plan, du großer, starker Wolf?“ Spielerisch neigte sie ihren Kopf. „Welche Heldentaten stehen jetzt vor dir?“ Sie tupfte die gerinnende Wunde (Wunden gerinnen nicht; Blut gerinnt. Vorschlag: Sie tupfte das geronnene Blut mit … von der Wunde.) mit einem in Pfirsichschnaps getränkten Tuch. Der Schnaps war ein Selbstgebrannter. Jeden Sommer, wenn die Mondgöttin Vunra ihren Liebhaber Vanru überholte, haben halfen (Präteritum; bleib im Tempus-Schema) Garrus und seine Freunde auf dem Landanwesen ausgeholfen und pflückten allerlei Obst gepflückt. Die schönsten Kindheitserinnerungen waren entstanden auf diesem Hof entstanden. Dort geschah es, dass war er von dem Apfelbaum fiel gefallen (Plusquamperfekt, weil es vor dieser aktuellen Szene passiert ist) und hatte sich eine Narbe auf der Mitte seiner Stirn zugezogen hatte. Leichtsinn hatte seinen Preis. Der Lockenkopf hatte braune Augen, tief wie das Meer doch mit einer Leichtigkeit in seinem Blick der zum Pferdestehlen einlud. Diese Rückblende kommt für mich zu früh. Momentan dümpelt die Szene so vor sich hin, ohne dass es ein Ziel und damit Spannung gäbe. Ich hätte dem Protagonisten eine Aufgabe gegeben, die mit Gefahren verbunden ist, und nach erfolgreichem Abschluss hätte er seine Tätowierung bekommen. Ende der Szene. Überleitung in die nächste Szene mithilfe einer kleinen Katastrophe. Vielleicht stellt sich heraus, dass es doch einen kleinen Fehler in dem Tatoo gibt. Oder er bekommt das Tatoo und alle Rechte eines Mannes, aber er fällt bei der Behandlung (und nicht vor Beginn der Szene) in Ohnmacht und später machen sich alle deswegen über ihn lustig …

„So weit (Getrenntschreibung. Dies ist keine Konjunktion!) hab ich noch nicht gedacht.“ Sein Blick fiel auf seine Sandalen. Er spielte mit seinen großen Zehen, wich ihrem durchdringenden Mustern aus.

„Sieht dir ähnlich.“ Ihr Lächeln entblößte einen abgebrochenen Eckzahn. Der gleiche Sturz, der seine Narbe verursacht hatte. „Berta braucht Hilfe mit den Vorbereitungen. Heute Abend ist dein großes Fest! Versuch bitte, bis dahin nüchtern zu bleiben, wenn du die Jungs triffst!“

„Ich Vversuchs! Mal schauenKomma was die Anderen mit mir Vvorhaben.“ Ein kurzes Lächeln und sie war im Wolfsbau verschwunden.
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Die Szene hat Potenzial, aber ich würde sie noch etwas anders aufbauen, um den Spannungsbogen herauszuarbeiten. Sie ist nicht rund, der Protagonist ist zu passiv, weil er sein Ziel, die Manneswürde zu erlangen, schon vor der Szene erreicht hat. Daher muss er nichts mehr tun, er muss sich nicht mehr anstrengen. Er leidet zwar, aber Leiden allein macht noch nicht unbedingt einen Konflikt aus. Er sollte ein konkretes Ziel haben. Dann weiß man auch, wann die Szene am besten enden sollte: Wenn das Ziel erreicht ist (oder eben nicht). Und wenn er es erreicht, sollte es trotzdem noch einen kleinen Rückschritt geben, der die Basis für Ziel und Konflikt in der nächsten Szene legt.

Dann solltest Du Dich um Grammatik kümmern. Vor allem um Tempus. Und immer mal wieder die Bedeutung der Wörter hinterfragen. Deutsch ist eine verdammt schwere Sprache und man muss viel üben, um sie zu beherrschen. Wie oft erlebe ich, dass Autoren den Unterschied zwischen “hängen, hängte, gehängt” und “hängen, hing, gehangen” nicht kennen. Und das ist nur ein Beispiel. Bastian Sick erklärt vieles dazu in seinen Büchern (Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod.)

Und achte auch ein bisschen auf die Perspektive. Mit einer personalen Perspektive kommt der Leser der Figur emotional viel näher, was heute fast schon ein Muss ist. Und arbeite ein bisschen mehr Flair ein. Das müssen keine ellenlangen Beschreibungen sein. Hier und da ein Hinweis darauf, was eine Figur tut, kann schon viel bewirken.

Man kann aus der Szene und den Ideen, die darinstecken, etwas machen. Bleib dran!

LG

Pamina

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Um noch eins drauf zu setzen: Vielen ist der feine Unterschied zwischen “schwer” und “schwierig” nicht klar. Eine Sprache ist nie schwer. Sie ist allenfalls schwierig. “Schwierig” ist das Gegenteil von “einfach”. Ebenso verhält es sich mit “leicht”. Das Gegenteil davon ist eben “schwer”. Eine Feder ist leicht, also nicht schwer. Und da man eine Sprache nicht wiegen kann, kann sie auch nicht leicht oder schwer sein.
Im allgemeinen Sprachgebrauch sind diese feinen Unterschiede im Laufe der Zeit völlig untergegangen.

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Laut Duden stimmt das nicht ganz.
Die erste Bedeutung von schwer entspricht dem, was Du gesagt hast.
Dann gibt es noch eine zweite Bedeutung:
Duden: 2. schwer*: einen hohen Schwierigkeitsgrad aufweisend und daher große körperliche und/oder geistige Anstrengung verlangend;
*
Synonyme dazu sind: anstrengend, beschwerlich, ermüdend, hart,mühsam, nicht leicht, schwierig, strapaziös.
Es gibt noch weitere Bedeutungen zu “schwer”, aber “schwere Sprache” kann man durchaus sagen.

LG
Pamina

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Oh. Danke für den Hinweis. Dann hat sich das im Laufe der Zeit gewandelt. Sprache entwickelt sich eben. Ansonsten würden wir wahrscheinlich immer noch wie Goethe oder Shakespeare schreiben. :slight_smile:

Lässliche Sünde, es gibt Schlimmeres. Umsonst und kostenlos wären da ein gutes Beispiel.

https://loosdigger.com/2020/08/03/umsonst-gestorben/

Umsonst gestorben

Umsonst gelebt kann man gar nicht richtig definieren. Warum nicht? Weil man dann den Wert des Lebens und des Schaffens erst einmal definieren müsste. Was muss einer geleistet haben, damit er nicht umsonst gelebt hat? Da diese Frage **keinesfalls **zu beantworten ist, gibt es den Terminus nicht, bzw. er ist nicht gebräuchlich. Umsonst gestorben wird allerdings reihenweise. Vor allem im Krieg und in der Literatur über den Krieg ist der sinnlose Tod ein häufig verwendetes Sujet. Die, die auf der Verliererseite kämpften, sind umsonst gestorben, denn sie haben ja eigentlich gekämpft, um zu gewinnen. Die, die während der Schlacht oder während des Krieges wissen, dass sie verlieren werden, wissen auch, dass ihr Tod umsonst sein wird. Die daraus resultierende Tragik ist natürlich ein gefundenes Fressen für jeden Autor. Diese Momente machen das Wort *umsonst *groß.

Ihr merkt, worauf ich hinauswill, es ist die Bedeutung des Wortes umsonst. Umsonst ist der Tod und selbst der kostet das Leben. Wenn jemand sagt, etwas war umsonst (also er meint, dass es nichts gekostet hat) frage ich ihn immer, ob er den Unterschied zwischen kostenlos und umsonst kennt. Nein? Ganz einfach erwidere ich dann: »Meine Schulbildung war kostenlos, deine war …«

https://loosdiggervideo.files.wordpress.com/2020/08/jetzt-umsonst.png?w=432
Nein, das ist keine Werbung, das ist peinlich!
Quelle: Screenshot ZON
Umsonst war übrigens auch die Schulbildung desjenigen, der die Anzeige entworfen hat, leider. Leider, denn er hat sicher einen gut bezahlten Job, jede Wette. Den neide ich ihm gar nicht einmal. Mir ist es lieber, meine wunderschöne Muttersprache dazu zu verwenden, andere Leute zu erfreuen und zu erbauen, als dass ich sie verhunze, um ihnen Schrott von fragwürdigem Wert anzudrehen. Nichts gegen Adobe, es ist nur völlig überteuert. Warum, ist leicht zu erkennen, denn sie schalten Werbung. Wäre das Produkt wirklich dermaßen gut, wie kolportiert, müssten sie keine Werbung machen. Ganz einfach. Und jetzt neu von Adobe: Alles ist umsonst! Krass, denke ich, wenn die ganze Arbeit umsonst sein wird, warum um alles in der Welt sollte ich dann ein Produkt von Adobe verwenden?

In meinem ehemaligen Reitverein stand immer das Schildchen am Eingang zum Turnierplatz “Kein Eintritt”. Und dann hat der Vorstand gemault, weil keine Zuschauer da waren.

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Im ersten Satz gleich mal den Kardinalfehler gemacht. Eine Passivkonstruktion ist immer bürokratisch, umständlich, behindert den Lesefluss oder lässt ihn nicht entstehen. Es wird handeln gelassen, statt es selbst zu tun.
»Er öffnete langsam seine Augen.« Ich gebe zu, das ich nicht viel besser, aber immerhin ein bisschen. Seine Augen öffneten sich? Wer macht sie auf? Jemand Fremdes? Sein Unterbewusstsein? Ein Reflex? Wenn das so ist, muss es in den Text rein, aber »öffneten sich« geht leider nicht.
Wir sind hier im … wo sind wir noch gleich? Ach ja, im Forum von Papyrus Autor. Eine Software für Autoren. Die ist wirklich gut und die Programmierer arbeiten hart an immer neuen Funktionen, ständigen Verbesserungen, liefern astreinen Support und was weiß ich nicht noch alles. Ich will gar nicht mal auf das eingehen, was sie nicht leisten können (aus einem Analphabeten einen Bestsellerautor machen) sondern nur das, was schon geleistet wurde. Die Stilanalyse ist ein Werkzeug, was ich so noch nicht gesehen habe und was mir schon tolle Dienste geleistet hat. Bei deinem Text hat sie leider versagt, denn all die Passivkonstruktionen werden nicht bemängelt.

verkrampfte sich sein Kiefer
Schmerz breitete sich Brust aus
Ein Stöhnen drang durch Garrus Lippen
Behutsam wurde sein Kopf von zärtlichen Händen hochgestützt
Schmerz drang durch seinen Körper
Kayas Finger fuhren ihm sachte über die Stirn

Ich weiß nicht, ob sie es bemängeln könnte, wenn ja, dann kann sie es nicht, wenn das ein Feature für die Zukunft ist, will ich nichts gesagt haben. Egal, daran musst du arbeiten. Der Handelnde muss handeln!

Er muss seine Kiefer verkrampfen
Er muss den sich ausbreitenden Schmerz fühlen
Er muss selbst stöhnen
Er muss die zärtlichen Hände fühlen

Lass alle Passivkonstruktionen lieber sein, sie machen deinen Text schwerfällig und bürokratisch.

Hallo Duane,

ich muß jetzt unbedingt motzen!

Einer der m.E. bedeutendsten Romane des 20. Jahrhunderts beginnt – bekanntlich – folgendermaßen:

“Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.”

Wollen wir jetzt also aufgrund deines obigen Diktums – ich hab es auch noch von anderen so ähnlich gelesen – postulieren, daß Kafka den Prozeß mit einem “Kardinalfehler” eingeleitet hätte? Mir geht es mit dieser Frage gar nicht um* name-dropping* o.ä. (denn natürlich haben auch große Schriftsteller Fehler gemacht); vielmehr möchte ich auf zweierlei hinweisen: Der passivische Einstieg bei Kafka ist geradezu genial, weil er, mal etwas pathetisch ausgedrückt, das gesamte Romanprojekt quasi an dem einleitenden Satz antizipierend kondensieren läßt (wobei die “bürokratische Note” ja ganz gewiß eine signifikante Höhung repräsentiert!). Und daß dies *immer *[sic] “umständlich” sei, den Lesefluss behindere “oder …] ihn nicht entstehen” ließe, ist – Entschuldigung – Schmonz, wie Kafka an der hiesigen Stelle wohl sehr, sehr eindrucksvoll zeigt (also durchaus auch in jenem Sinn, wie Wittgenstein vom Sich-Zeigen [von etwas] in ethisch/ästhetischen Zusammenhängen spricht).

Ergo: Ich rege mich hier über das ‘immer’ auf! Das klingt mir einfach zu sehr nach “Schreib-Ratgeber”-Sülze und deren tlw. lächerlichen und merkbefreiten Verallgemeinerungen, die man sich doch bitteschön besser nicht als kanonisch aneignen sollte, sondern bestenfalls als kontextabhängige [sic] Hinweise, dann mag auch manches aus diesen Gebiet durchaus seine Berechtigung haben.
Ich halte es so beim Nachdenken über derlei Dinge: Es gibt (fast) keine stilistischen Regeln beim literarischen Schreiben, die nicht gebrochen werden könnten; denn ansonsten dräute uns tatsächlich auch darin … ähm … “Bürokratisches” …, wovon wir in der Verwalteten Welt doch aber eigentlich schon viel zu viel haben (flüstern uns das nicht gerade auch die Texte Kafkas?!) Warum also sollten wir es bzgl. Stil ohne Not auch noch in die Literatur einschleppen und sie damit verunstalten?

Viele Grüße von Palinurus

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@DuaneHanson
Grammatik ist jetzt nicht mein Spezialgebiet, aber der Begriff Passivkonstruktion trifft es wohl nicht (abgesehen von Beispiel 4). Du bemängelst wohl eher, dass “er” (= der Protagonist) nicht in jedem dieser Sätze das Subjekt ist.

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Hallo Scherbengericht,

zu dem, was du sagst, tritt in diesem speziellen Fall noch etwas anderes. Wenn ich das jetzt richtig erinnere – hab nicht nachgeguckt --, erwacht der Protagonist aus so einer Art “Schmerz-Trance” oder gar Ohnmacht. Wenn Duane dann aber schreibt …

… daß sich seine Augen daraufhin öffneten, “ginge nicht” (wegen “Kardinalfehlers”), so ist das ja auch rein sachlich betrachtet – wenn vielleicht nicht falsch, so doch zumindest – ambivalent: Denn es ist ja keineswegs ausgemacht, wie beim Erwachen aus dem Schlaf auch, ob es immer ein Willensakt [sic] ist, der uns dann die Augen öffnen läßt. Es ist nicht unmöglich, daß uns dann, wenigstens gelegentlich, z.B. auch physiologische Umstände die Augen öffnen (lassen), also ohne daß wir wirklich bewußt aktiv diesen Vorgang befördern. Und das deutet tatsächlich auch dein Hinweis auf das Subjekt-Sein des Protagonisten an. Denn das ist keineswegs nur eine grammatische Frage (gleichwohl auch), sondern daneben deutet hier die Grammatik auch auf Bewußtseinszustände; und die Frage, wann ein epistemisches Subjekt nach dem Schlaf, nach einer Trance oder auch nach einer Ohnmacht auch tatsächlich Handlungs-Subjekt ist, kann keineswegs generalisierend entschieden werden, sondern das wird von Fall zu Fall divers sein.

Viele Grüße von Palinurus

Recht hast du. Mal sehen, ob der besprochene Titel ein zweiter “Prozess” wird.
Ich will damit sagen, dass dieses Gefühl, "Etwas wird mit ihm gemacht, also “etwas geschieht mit ihm”, von Kafka **bewusst **erzeugt wurde, wichtig ist für die ganze Geschichte, und im Abschnitt, den ich hier besprach ist das genauso? Ich sehe schon noch einen Unterschied. Ich glaube nicht, dass der Verfasser hier die Passivkonstruktionen bewusst gewählt hat.

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Hallo Duane,

nur darum ging es mir mit der Einwendung. Also daß das ‚immer‘ nicht angemessen ist. Es ist schön, daß du das in der* causa Kafka* auch so siehst; und ich gestehe, daß es mich delektiert, wenn einmal der Rekurs auf die sog. „Hochliteratur“ nicht gleich mit Schnöseligkeit o.ä. Anwandlungen – bis hin zu Machtgebaren – gleichgesetzt wird. :see_no_evil:

Ob das Werk des verehrten @Zoerner „ein neuer Prozeß“ wird, vermag ich nicht zu ermessen; aber eines ist für mich gewiß: Sofern er offene Ohren (und überhaupt Sinne) sowie einen empfangsbereiten Verstand für konstruktive Kritik hat, kann er seinen Stil verbessern. Im Moment kommt er noch nicht an jenen von Franz K. heran. Aber das ist ja nun beileibe keine Schande! – Oder?

Bedenken wir immerhin eines: Franz K. war mit den allermeisten seiner Werke ganz und gar nicht zufrieden, auch mit dem Prozeß nicht! Hätte Max Brod nicht – auf eine gewisse Weise seinen Freund verratend und auch widergesetzlich [sic] – dessen (Letzten) Willen ignoriert, hätte ich die berühmte Eingangssentenz niemals anführen können, um dein ‚immer‘ in Frage zu stellen. Das ist m.E. sehr, sehr bedenkenswert, auch im hiesigen Zusammenhang.

Viele Grüße von Palinurus