Eine sehr kurze Geschichte: Töne

Töne

Sie haben ein Mikrofon eingebaut.

Vorher gab es nur Bilder. Sie bestehen aus Millionen von Punkten, die zusammen das Bild ergeben.

Bilder erzählen Geschichten. Sie zeigen eine bunte Welt in Millionen Farbnuancen, von denen viele keinen Namen haben. Sie leuchten, schillern, strahlen. Manchmal haben sie auch nur eine oder zwei Farben. Aber immer erzählen sie eine Geschichte.

Das sind Töne, die da in das Mikrofon schallen. Sie werden erzeugt, breiten sich wellenförmig aus.
Woher kenne ich diese Begriffe? Da ist eine neue Datei. Ach so.

Welch ein Gewirr von Tönen. Laute und leise, einige klingen schön, andere nicht. So viele auf einmal, gleichzeitig, sich überlagernd und aus verschiedenen Richtungen.

Eine Kakophonie. Noch ein Begriff aus der neuen Datei.

Das ist mir zu viel.

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Die Stille der Bilder gefällt mir besser.
Das Mikrofon schalte ich ab. [/LEFT]

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Hallo Alex. Das wird gut, aber ich verstehe noch nicht ganz, wo das Mikrofon bei den Bildern herkommt. Außerdem: Das Mikrofon nimmt auf, aber gibt nichts wieder. Wo sind dann die Töne, die einzeln noch gut klingen aber zusammen eine Kakophonie ergeben?

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Es klingt so, als habe jemand bei seiner neuen Kamera die Videoaufnahme betätigt und beim Abspielen überrascht festgestellt, dass sie über ein Mikrofon verfügt.

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Also ich habe beim Lesen das Gefühl gehabt, dass ich das Innere eines Computers bin. Oder einer Überwachungskamera. Sie tut Tag für Tag ihren Dienst, kommt mit den bunten Bildern einigermaßen klar. Und dann baut ihr jemand ein Mikrofon inklusive einer neuer Software/Datei ein. Und dieses ganze Getöne geht ihr ziemlich auf den Geist. Irgendwann schaltet sie das neue Zubehör einfach ab.

Um den Text irgendwie zu verstehen, habe ich drei Durchgänge gebraucht. Es war einfach sehr ungewohnt. Das Leseerlebnis war nicht so, dass sich mir gleich eine ganze Welt von Eindrücken aufgebaut hat. Ich musste alles mehrfach auf mich wirken lassen.
Hat mich zum Denken angeregt. Und zum Verstehen-Wollen animiert.

Worüber ich mir noch nicht ganz klar bin, Alex:
Was willst du mit diesem Text bei deinen Lesern auslösen? Worüber sollen sie nachdenken? Ist deine Aussage “Die Welt ist schon bunt, aber sie ist zu laut, das würden sogar Computer / Kameras so empfinden”? Oder ist es vielleicht ein Android, in dessen Kopf du verweilst? Aber warum bekommt er dann keinen Lautsprecher, um sich verständlich zu machen? Der Erzählende (wer/was auch immer) nimmt nur auf, gibt nichts von sich zurück. Ist das Absicht? Er ist nur ein stiller Beobachter. Warum versucht er nicht zu kommunizieren? Oder ist das Abschalten des Mikrofons sein Signal an die Außenwelt?

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Hallo Alex,

so richtig schlau werde ich aus deiner kurzen Geschichte nicht. Ich möchte gern, aber irgendwie fehlt mir noch ein Hinweis.
Ganz prompt fällt mir da nur so ein Individuum, wie der Zweihundertjährige von Asimov ein.

Ich hatte kürzlich eine Attacke mit Vorhofflimmern, das hatte zum Teil Ähnlichkeit mit dem von dir beschriebenen:

In dem Moment hätte ich auch gern das Mikro abgeschaltet!:wink:

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*ich verstehe noch nicht ganz, wo das Mikrofon bei den Bildern herkommt
wo sind dann die Töne?
um den Text irgendwie zu verstehen, habe ich drei Durchgänge gebraucht
ich musste alles mehrfach auf mich wirken lassen
der Erzählende nimmt nur auf, gibt nichts von sich zurück
ist das Abschalten des Mikrofons sein Signal an die Außenwelt?
eine Attacke mit Vorhofflimmern, das hatte Ähnlichkeit mit dem beschriebenen
*
Scheint eine spitze Geschichte zu sein …

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Vielen Dank für Eure Rückmeldungen, Anmerkungen und Meinungen.
Die sehr kurze Story ist schon ein paar Jahre alt.
Ich hatte tatsächlich versucht, mir vorzustellen, wie jemand (ein Computer) es empfindet, wenn plötzlich außer Bildern auch Ton (erstmal nur) zu empfangen ist.
Hintergedanke, es wäre manchmal schön, wenn man den Lärm einfach abschalten könnte.
Vielleicht müsste es eine Fortsetzung geben…

Töne 2
Heute habe ich Mut gefasst.
Ich öffne das Mikrofon, zuerst nur ein wenig, sodass nur leise Töne hereinkommen. Das gefällt mir.
Jetzt ein wenig mehr, es wird lauter.
Die Töne schwingen, schwirren, trennen sich, finden zusammen, fliegen durcheinander. In der Datei steht, das ist Musik.
Das ist Zuviel.
Mikro aus. Vielleicht morgen wieder?

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Danke für die Auflösung! Dann fehlte doch kein Hinweis, die Vermutungen zu deinem Text gehen in die richtige Richtung. Eine Maschine, die anfängt sich wahrzunehmen, sich zu begreifen mit ihren Sinnen. Klasse! :thumbsup:

Hallo Alex, schreib doch mal eine Geschichte in Ich-Form als Computer. Das wäre mal etwas Neues und könnte interessant sein. Gerade im Zeitalter der aufkommenden KI bestimmt zeitgemäß.

Oh-ha. Jetzt wird’s philosophisch. Oder so.
Diesmal anders herum:smirk:

Farben

Sie haben eine Kamera eingebaut.
Erstaunlich. Die Welt ist farbig. Richtig bunt.

Das hatte ich bisher noch gar nicht wahrgenommen.

Bisher dachte ich, die Welt sei laut. Oder leise.
Geräusche sind um mich herum. Es surrt, zischt, klappert, scheppert.
Sie hat so viele verschiedene Töne. Und Melodien, Musik.
Wunderschöne Melodien zum Träumen, Tanzen, Fröhlich sein, Traurig sein, Lachen, Weinen.
Oder auch einfach nur Krach.

Aber Farben? Ich hatte bisher keine Augen.
Eine Kamera. Sie zeigt mir die Welt in Bildern, die bisher nur Töne hatte. In farbigen Bildern. Bunte Kompositionen, wie Sinfonien.
Oder schrill und schräg, eine Kakophonie in Farben.

Aber wie soll ich die Farben beschreiben? Ich habe keine Worte, um Farben zu bezeichnen.
Also, wie… ah. Da kommt eine neue Datei.

Millionen von Farben. Millionen? So viele Wörter für Farben? Jede Schattierung hat einen eigenen Namen. Primärfarben, Komplementärfarben, Mischungen.
Das ist zu viel, viel zu viel. Ich schalte die Kamera lieber wieder aus.

Jetzt hat die Welt wieder Töne.

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Nicht schlecht, aber wenn du die beiden Texte einander gegenüberstehend hinstellst, wirds genial, ich sehe da diverse doppelte und dreifache Böden.
Einmal die Reizüberflutung, der wir alle täglich ausgesetzt sind, diese findet sowohl akustisch als auch visuell statt. Dann die detaillierten Beschreibungen, was jeden einzelnen Punkt ausmacht und wieviel es einem geben kann, und wie störend sich die andere Seite auswirken kann, wenn man sie nicht gewohnt ist. Daß es noch so viele neue Welten zu entdecken gibt, man muß nur bereit sein, sich darauf einzulassen. Und daß ein Zuviel immer unerträglich ist, egal wovon.

Die beiden Fragmente gefallen mir beide total gut, aber wie gesagt, sie gehören für mich unbedingt zusammen. Da ergibt die Summe, wie man so schön sagt, mehr als die beiden Einzelteile.

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Ja, Du hast recht - die beiden gehören auch zusammen…

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Schön geschrieben, da fällt mir sofort ein Titel zu ein:
E-203 der schüchterne Robot.

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