Dritter Versuch des Romananfangs

Liebe Schreib-Freunde

Hier kommt nun der dritte Versuch für den Anfang meines Romans.

Der nachfolgende Text ist nur der erste Teil von Kapitel eins, da hier im Forum die Länge der Beiträge eingeschränkt ist.

Mich würde vor allem interessieren, ob diese erste Sequenz dazu anregt weiterzulesen.

Vielen Dank schonmal für eure Antworten.

Kapitel eins

Wenn Lilli sich später an die genauen Ereignisse dieses Abends, der ihr ganzes Leben auf den Kopf zu stellen würde, zurückerinnerte, fiel ihr vor allen Dingen ihre große Unruhe ein. Die war eigentlich so gar nicht ihre Art. Ja, ein Konzertbesuch im Münchner Olympia Stadion war etwas Besonderes für sie. Aber schließlich doch nur eine kleine Auszeit von ihrem unspektakulären Alltag.

Zumindest hatte es da noch so ausgesehen.

[FONT=-apple-system]Unruhig betrachtete Lilli, wie sich die Autos vor ihnen im Stop-and-go durch München quälten. Verdammt, warum ging es nicht schneller?
»Du bist so still, Lilli. Is was?« Stinas Worte schreckten sie auf.
»Nein, nein, alles gut.« Lilli bemühte sich, gleichmütig zu klingen. Sie wollte der Freundin, die sich alles leisten konnte, nichts über ihre finanziellen Sorgen vorjammern. Mit zwei Kindern im Teenageralter, einem Mann, der als Beamter keine Reichtümer verdiente und einem älteren Haus, das Unsummen für die Renovierung verschlang, blieb nicht viel übrig. »Bin einfach aufgeregt. Dieses Konzert hätte ich um nichts auf der Welt verpassen wollen. Das letzte, auf dem ich war, ist schließlich schon ewig her.«
»Zweiundzwanzig Jahre, um genau zu sein. Da waren wir auch zusammen. Wahnsinn, wie die Zeit vergeht.« Stina lachte.
»Wir sind gleich da.« Ludwig, Stinas Mann, bog vom Mittleren Ring zum Olympiagelände ab. »Jetzt brauchen wir nur noch einen Parkplatz.«
»Wenn wir früher da gewesen wären …«, hob Lilli an. Sie war dankbar für die Mitfahrgelegenheit, aber …
»Wir sind doch gleich losgefahren, nachdem du angerufen hast.«
Ja, das waren sie. Fast eine Stunde später als ausgemacht. Weil Stina wieder einmal die Zeit verwechselt hatte - nicht zum ersten und bestimmt auch nicht zum letzten Mal. Für sie war so ein Konzert nichts Besonderes. Sie war jeden Monat auf mindestens drei Events. »Ludwig, lass mich da aussteigen.« Lilli löste den Sicherheitsgurt und schnappte sich ihren Mantel.
»Du kannst doch nicht mitten auf der Fahrbahn aussteigen! Da vorne fährt gleich einer raus.« Ludwig setzte den Blinker und brachte den Mercedes SUV zum Stehen.
»Ich laufe schon mal vor.« Lilli öffnete die Wagentür und schlüpfte hinaus. »Wir sehen uns bei den Plätzen.«
Sie sprintete quer durch den Olympiapark Richtung Eingang. Die Freunde hatte sie abgehängt. Mit der Hand hielt sie ihre Haare hinten zusammen, damit sie ihr beim Laufen nicht ständig ins Gesicht geweht wurden. Im Grunde verstand sie selbst nicht, was sie zu solcher Eile antrieb. Sie wusste nur, dass es wichtig für sie war.

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Hi Carin. Deine vorigen 2 Versuche für deinen Anfang kenne ich nicht, aber mir ist beim Lesen aufgefallen, dass mir die erste Sequenz total egal ist und mich nicht zum Weiterlesen anregt.
Liegt allerdings daran, weil ich Vorhersagungen in Geschichten nicht so dolle finde.

“*Er konnte leider nicht wissen, als er um die Ecke schlenderte, dass hinter der Mülltonne, ein außerirdisches Vampireichhörnchen auf ihn lauern würde.”
*
Den echten Anfang: *“Unruhig betrachtete Lilli, wie sich die Autos …”, *den finde ich super, und bin direkt ohne viel Bla Bla in der Handlung. Ich verstehe, wer mit wem im Auto sitzt und sogar das gemeinsame Ziel wird deutlich. Ein gelungener Einstieg ins Buch. Durch die Dialoge kommt Tempo auf. Alles gut.

Will heißen:
Meiner Meinung nach brauchst du den Taschenspielertrick nicht. *“Hey liebe/r Leser/in, bloß bitte weiterlesen, weil nachher da wird es noch voll spannend und tragisch. Versprochen.”
*
Der richtige Anfang ist ja schon da.

Liebe Grüße und danke für den Einblick in deine Arbeit.

6 „Gefällt mir“

Sehe ich genauso.
Solche Vorhersagen als Einstieg in einen Roman schrecken mich meistens eher ab. Bei mir drängt sich da immer der Verdacht auf, der Autor traut seiner eigenen Schreibe nicht, einen spannenden Einstieg hinzukriegen. Stattdessen versucht er, dem Leser mit dem Holzhammer klarzumachen, dass er auch ja weiterlesen soll, weil es WIRKLICH ganz spannend und toll werden wird, fest versprochen.
Tom hat recht, sowas brauchst du nicht,

ist ein starker erster Satz, der schon ein paar erste Fragen aufwirft und zum Weiterlesen anregt.

5 „Gefällt mir“

@Tom Diander
@Yoro

Vielen Dank ihr beiden für eure ehrliche Einschätzung und das Lob für den “richtigen” Anfang.

Dann werde ich die ersten Sätze wohl wieder streichen.
Mir war das heute Morgen ganz spontan eingefallen. Schön, dass es dieses Forum gibt, in dem man so etwas ausprobieren kann.

LG Carin

2 „Gefällt mir“

Ich stimme @Yoro und @Tom Diander zu: der erste Absatz bremst mich aus.

Den ersten Satz (Unruhig …) vom „echten ersten Absatz“ würde ich zum zweiten machen und den zweiten (Verdammt, …) zum ersten … aber auch so ein guter Anfang, und natürlich nur meine persönlich Meinung;)

3 „Gefällt mir“

Hey Carin :slight_smile:

Mir gefällt der Anfang wirklich sehr gut, aber hier gibt es viel „tell“ statt „show“
Das erste Mal, dass ich ihre Unruhe wirklich „sehen, fühlen“ kann, ist, als sie ihren Gurt löst, den Mantel schnappt und einfach aussteigt. Davor wird diese innere Unruhe zwar durch Worte wie „Unruhig“ und „schreckten sie auf“ beschrieben, aber vielleicht könntest du sie noch ein bisschen mehr zeigen.
Tippelt sie mit ihren Fingern? Beißt sie sich auf der Lippe herum? Schaut sie immer mal wieder auf ihr Handy oder die Armbanduhr wegen der Uhrzeit? Hat sie vielleicht feuchte Finger oder verändert hibbelig die Stellung ihrer Beine… rutscht im Sitz hin und her… sowas?
Und wie schreckt sie auf? Zuckt sie zusammen? Blinzelt sie, als sie aus den Gedanken gerissen wird?

Nur ein paar Beispiele und natürlich nur eine subjektive Meinung. Aber alles in allem regt es zum Weiterlesen an. :slight_smile: Vielleicht kannst du mich nur noch ein bisschen mehr in ihren Zustand versetzen.

Liebste Grüße <3

4 „Gefällt mir“

Liebe Carin,

irgendwo habe ich mal als Tipp für Autoren gelesen, dass man seinen Roman einfach schreiben und dann den Anfang (Satz, Absatz usw.) wegwerfen soll.

Dein Roman könnte also beginnen mit:

*Unruhig betrachtete Lilli, wie sich die Autos vor ihnen im Stop-and-go durch München quälten. Verdammt, warum ging es nicht schneller?
»Du bist so still, Lilli. Is was?« Stinas Worte schreckten sie auf.
*
Insofern stimmt der Tipp mit den Empfehlungen hier überein.

Gruß
ThAchi

1 „Gefällt mir“

[FONT=-apple-system]

Hallo Dana
Danke für deine Tipps.
Wie findest du das:

Verdammt, warum ging es nicht vorwärts? Unruhig auf der Unterlippe kauend, betrachtete Lilli, wie sich die Fahrzeuge vor ihnen im Stop-and-go durch München quälten. Der Minutenzeiger ihrer Armbanduhr schien sich schneller zu bewegen als die Autos.

»Du bist so still, Lilli. Is was?« Stinas Worte schreckten sie auf.

Blinzelnd sah sie die Freundin an. »Nein, nein, alles gut.«

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Liebe Carin,

finde ich besser. Beim zweiten Satz könntest du noch einmal schauen. Der ist jetzt etwas aufgebläht. „Unruhig“ verkompliziert jetzt den Satz, obwohl es nicht dazu beiträgt, die Situation besser zu umschreiben, weil man sich wahrscheinlich immer nur unruhig auf der Lippe herumkaut. Schau mal was Papyrus dazu sagt. Wahrscheinlich würde es dir das Wort rausstreichen.
Da ich aber in all deinen Fassungen das Wort unruhig gelesen habe, denke ich, dass es dir wichtig ist. Dann vielleicht doch wie am Anfang lassen und nach der Uhr einfügen, wie sich ihre Unruhe äußert?
Das mit den Zeigern finde ich toll. Super Vergleich!

Ich habe jetzt noch einmal im Forum gesucht, ob du den Roman schon zu Ende geschrieben hast und bin fündig geworden.
Da dein Baby schon so lange besteht, kennst du es sicher in und auswendig. Und vor allem die Charaktere.
Einer meiner Lektoren hat mal gesagt, man soll seine Charaktere besser kennen als sich selbst. Und wahrscheinlich kennst du sie am allerbesten. :slight_smile:
Nimm mich ein bisschen mit auf diese Reise. Natürlich soll man nicht alles auf die erste Seite klatschen aber es reicht manchmal schon, wenn man winzige Verhaltensweisen sehen lässt. Und wenn dem Leser dann deutlich gesagt wird: „Ihrer Freundin ist egal, wann sie da ankommen, weil sie ständig auf solchen Events rumspringt“, dann macht es Klick und der Leser denkt sich „stimmt, das passt zu ihr“ statt „aha so ist sie also.“ Das kann ihre Wortwahl sein … die Art, wie sie einfach das Radio leiser oder lauter macht, egal, was die anderen sagen. (Wie auch immer sie wirklich ist) Dasselbe gilt für Ludwig. Verleih ihm eine Stimme. Wie spricht er? Ist er pikiert, als sie aus dem Auto steigt, weil er sich immer an Regeln hält? Biegt er deshalb ganz nach Vorschrift ab? Hat er eine kratzige Stimme und irgendwann später erfährt der Leser dass er raucht und kann es kombinieren?
Vielleicht auch indem man ihre Vergangenheit noch mehr einbringt. Zum Beispiel, als Stina lachend sagt, dass sie vor 22 Jahren das letzte Mal auf einem Konzert waren. ( Stina lachte. Nur Lilli war so gar nicht zu lachen zumute. Vor 22 Jahren war alles anders …) Was hat sich verändert?
Das sind alles nur Beispiele (ich kenne ja nicht den ganzen Text) und alles was ich sage ist subjektiv. Also ignorier das einfach, wenn du es anders siehst. :slight_smile: Wenn man nur so einen „kurzen“ Ausschnitt liest, überanalysiert man (also ich :smiley: ) es vielleicht auch.
Rundum finde ich den Anfang auch so schon sehr gelungen!

Eine kleine Sache wäre da noch: Ganz am Ende denkt Lilli, dass sie keine Ahnung hat, warum sie sich so benimmt. Also warum sie es so eilig hat. Das würde mir als Leser nicht reichen. Ist sie sonst anders oder warum fällt es ihr auf? Wie ist sie sonst? Ist sie einfach heilfroh mal aus dem Chaos und den Geldsorgen von Zuhause wegzukommen und deshalb so? Oder ist sie doch eigentlich immer so, wenn ihr etwas wichtig ist?

Ganz liebe Grüße <3

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Liebe Dana

Herzlichen Dank, dass du dir so viel Zeit für meinen Text nimmst.

Da ich nicht weiß, wie es hier im Forum funktioniert einzelne Sätze zu zitieren, schreibe ich meine Antworten direkt in deine Ausführungen hinein.

Ich wünsche dir ein schönes Pfingst-Wochenende.
LG Carin

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Das geht so: Satz oder Worte mit der Maus markieren, dann erscheint am Ende der Markierung eine “Sprechblase”: Zitieren. Da einfach draufklicken, fertig.

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Ich habe die Standardeinstellung der Stilanalyse “Überarbeiten (Level 1)” verwendet und Papyrus merkt an: Unruhig: “Verstärkt dieses Adjektiv / Adverb die Aussage wirklich oder sollte es weggelassen oder umschrieben werden? (Schwaches Wort, Stufe 1)”
Das ist es wohl, was @Dana meinte.:slight_smile:

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Der Anfang ist unnötig. Die Sätze sind verschachtelt und zu lang. Versuch etwas mehr Struktur in den Text zu bekommen.
Ich würde das Buch mit dem Anfang nicht weiterlesen wollen. Vorab den Lesern zu erzählen was passiert, nimmt meines Erachtens nach die Spannung.

Hallo @Krimitante

Ja, danke. Das haben die anderen auch schon angemerkt. Ich beginne jetzt mit:

Verdammt, warum ging es nicht vorwärts? Unruhig auf der Unterlippe kauend, beobachtete Lilli, wie sich die Fahrzeuge vor ihnen im Stop-and-go durch München quälten. Der Minutenzeiger ihrer Armbanduhr schien sich schneller zu bewegen als die Autos.

»Du bist so still, Lilli. Is was?« …

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Ja viel besser!!! Bleib am Ball - so ist der Lesegenuss gesichert :))

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Ich würde Partizip 1 möglichst immer vermeiden. Nur mal so bei einem schnellen Blick hier hinein gesehen :slight_smile:

Auch das “unruhig” ist göttliches Wissen und dazu redundant. Dass sie auf der Unterlippe kaut, reicht doch schon und bringt dem Leser ein genügend scharfes Bild. Sie braucht das Folgende auch gar nicht zu beobachten - dass die Krückerei der Autos vor ihr der Anlass für die zerkaute Unterlippe ist, ergibt sich implizit.
Das Bild mit dem Uhrzeiger ist klasse.

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Liebe Carin Fritschi.

Die erste Sequenz eines dritten Versuchs ist der zurückgelegte Millimeter in einem zehntausend Meter Lauf.
Doch gerade dieser erste Millimeter nach dem Start ist wichtig.
Dieser erste Schritt entspringt aus einem Gedanken, einem Wunsch, einer Idee, etwas zu Papier zu bringen.

Diese ersten Schritte kritisiere ich nicht. In den ersten Versuchen lese ich das, was zwischen den Zeilen steht.
Darum beschreibe ich das Bild, das in mir entsteht, während ich Deinen dritten Versuch, Millimeter 1 lese.
Wie Du das schreibst ist mir im Augenblick unwichtig. Wichtig ist, worüber Du schreibst und was ich als Leser dabei empfinde.
Später in Deinen Überarbeitungen wirst Du am Text und Schreibstil arbeiten und auf konstruktive Kritik zurückgreifen.
Schreibe Deine Geschichte so wie Du sie empfindest weiter und zu Ende.
Den Grob- und Feinschliff machst Du in den Überarbeitungen.

Hier mein Bild, das ich beim Lesen in meiner Phantasie empfinde:

Nach zweiundzwanzig Jahren besucht Lilli zum ersten Mal wieder ein Konzert. Sie ist aufgeregt.
Bei Stina geht das alles so locker. Sie lässt die neun gerade sein und lebt mit ihrem Mann ein Leben, um das Lilli sie beneidet.

Sie ist vielleicht auch Auslöser für Lillis Ausbruch in das Leben.
Lilli und Stina scheinen lange befreundet zu sein.
Stina ist die extrovertierte Frau, die sich ihr Leben frei nach ihren Wünschen gestaltet.
Ludwig (Ich würde ihn als Ludger lesen) ist ein ebenso autonomer Mensch.

Lilli beneidete Stina oft darum, doch nach ihrem damaligen Lebenskonzept war ihr das auch ein wenig zu chaotisch und unsicher.
In dieser Ambivalenz sucht sie eher nach Sicherheit und verliebt sich in einen Mann, der fest auf dem Boden steht.

Sie heiraten früh und sie gründen eine Familie, deren Verpflichtung im Grunde sie allein zu tragen hat. Sie zieht die Kinder groß. Ihr Mann ist beruflich stark eingespannt und ist in der Freizeit mit der Renovierung des Hauses beschäftigt. Für viel Gemeinsamkeit bleibt wenig oder gar keine Zeit. In Sachen Freizeitgestaltung sind beide so unterschiedlich, das sie sich seinetwegen eher zurück nimmt.

Doch eines Tages ergibt sich eine Gelegenheit. Die Kinder im Teenageralter sind beide außer Haus, der Mann ist auf Dienstreise.
Lilli und Stina hatten sich für diesen Abend nach langer Zeit wieder für einen gemeinsamen Konzertbesuch verabredet.
Es war wie ein Schicksal, das die Band, ihre Band gerade an diesem Wochenende im Olympiapark spielte.
Lilli bekommt beinahe Herzrassen, während sie im Kleiderschrank wühlt. Zwei Stunden später sitzt sie bei ihrer Freundin im Wagen, die wie damals bei ihren Verabredungen und auch heute noch zum kurzen Smalltalk im Café erheblich zu spät kam.
Lilli konnte es kaum erwarten und die Autoschlange an den Parkplätzen brachte sie beinahe um den Verstand. So zog sie es kurzschlussartig vor, eine Abkürzung zu Fuß zu nehmen. Sie hatte die Eintrittskarte bei sich und betrat ohne ihre Freundin das Konzert. Sie war endlich wieder Lilli, wie vor zweiundzwanzig Jahren.

So verstehe ich Deinen dritten Versuch. Ein spannendes Bild.
Ich bin gespannt, auf die weiteren Ereignisse.

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