Der Feind in Gestalt einer "neuen Idee"

Liebe Schreiberlinge,

ich muss mich nun mal über meinen Kopf aufregen. Der Titel sagt eigentlich schon alles. Kennt ihr das auch? Ihr arbeitet an einem Projekt, schon seit einer Weile, es läuft ganz gut (oder so, wie es eben läuft), ihr ringt euch jede freie Minute ab, um daran weiterzuarbeiten. Und dann klopft sie, wenn man wehrlos ist und gar nicht damit rechnet, an die Tür. Die neue Idee. Für eine Geschichte, die so viel klarer wirkt als die, an der man sich gerade abarbeitet. In der die Charaktere auf Anhieb lebendiger erscheinen. Und überhaupt kann das ja nur eine bessere Story werden! Und schon fängt man an, im Kopf weiterzuspinnen, was aus der vielversprechenden Idee werden könnte. Die Verheißung ist so viel größer als bei dem aktuellen, plötzlich beinahe langweiligen, Projekt. In das man schon so viele Stunden gesteckt hat. Und man weiß dabei natürlich, dass die neue Idee nur deshalb so viel reizvoller ist, weil sie neu ist, glänzt, und weil man noch nicht auf all die Hürden gestoßen ist, die sich im weiteren Verlauf der Arbeit erst ergeben. Aber dennoch lässt sie einen nicht los, und sitzt einem im Nacken, während man am eigentlichen Projekt werkelt und schon vergessen hat, dass auch diese Plackerei einstmals mit einer zündenden Idee begonnen hat. Weil das Hirn eben faul ist (jedenfalls meins) und gerne den einfacheren Weg geht.

Und was macht man dann? Meine Erfahrung zeigt, dass das kleine Teufelchen immer dann auftaucht, wenn ich mich gerade entweder nicht so gut motivieren und konzentrieren kann, oder wenn es beim Schreiben gerade etwas hakt (etwa, weil man an einer weiteren Hürde angelangt ist, über die man sich Gedanken machen muss). Und nun ist “die neue Idee” sogar jetzt da, obwohl ich eigentlich zur Zeit ziemlich motiviert und produktiv bin. Sie war mir kürzlich eingefallen, und ich hatte mir vorgenommen, mir das als nächstes Projekt vorzunehmen. Das kann ja auch motivieren, mit dem aktuellen irgendwann fertig werden zu wollen. Allerdings war ich gerade nichtsahnend im Supermarkt unterwegs, und da war sie wieder. Und dieses fiese kleine Ding in meinem Kopf wollte mir immer noch mehr erzählen. (Vielleicht liegt es auch daran, dass sich die neue Idee noch vollkommen im Kopf abspielt und das geht nun einmal überall, während ich im aktuellen Projekt am besten “drin” bin, wenn ich wirklich vor meinen Aufzeichnungen sitze)

Jedenfalls habe ich mir nun damit geholfen, mir eine Stunde Zeit zu nehmen, um auf einem Blatt alles an Brainstorming festzuhalten, was mir durch den Kopf gegangen ist. Ich hoffe, dass die Gedanken damit erst einmal vom Tisch sind und ich jetzt wieder den Elan finde, weiterzuschreiben, anstatt meiner Geschichte geistig fremd zu gehen.

6 „Gefällt mir“

Hallo Frøken,
wer in dieser Situation konzentriert am alten Projekt weiterarbeiten kann, den bewundere ich aufrichtig. Allerdings hat die Sache einen Haken: Nur einfach wegschieben grenzt beinahe an Selbstmord, soll heißen, dass die Idee auf jeden Fall festgehalten werden sollte. Allerdings sind bei mir in dieser Phase schon Verwicklungen im Spiel. Die Handlung ist also schon jetzt alles andere als linear. Fängt man jetzt an, es zu skizzieren, ist man schnell im Schreiben drin und das ursprüngliche Projekt gerät in den Hintergrund oder sogar in Vergessenheit.
Für mich kommt da das Denkbrett ins Spiel. Es lassen sich alle Wenn und Aber so notieren, dass man auch noch nach Wochen die Idee aufgreifen und ausbauen kann.
Herzliche Grüße
Berti

5 „Gefällt mir“

Ich würde sagen, da hast du schon das Wesentliche richtig gemacht, nämlich diese neue, tolle Idee gründlich notiert und damit gesichert. Pack sie in dein Ideenbuch, deinen Ideenordner bei Evernote etc., ihre Stunde wird kommen :).
Ich kenne das übrigens auch, daß einen solche fiese, neue Sachen einfach so überfallen können, imSupermarkt, in der U-Bahn, im Wartezimmer beim Doc … und ich hab mir angewöhnt, mich dicke drüber zu freuen und sie willkommen zu heißen, so ein ‘Musenkuß’ ist kein Grund, sich drüber zu ärgern.
Das bedeutet aber nicht, daß ich deswegen jetzt alles andere (sprich: Das aktuelle Projekt) stehen und liegen lasse. Meiner Erfahrung nach ist das die beste Möglichkeit, sich ins Uferlose zu verzetteln, außerdem versaut man sich damit jegliche Disziplin, wenn man sich jedes mal, wenns irgendwie schwierig wird, einfach auf was Neues stürzt und da anfängt zu werkeln.

Ich persönlich halte es so, daß ich meistens zwei thematisch völlig unterschiedliche Projekte laufen habe, auf keinen Fall mehr. Wenn ich bei einem partout nicht weiterkomme, arbeite ich am anderen weiter, und dieser Wechsel funktioniert für mich recht gut.
Wahrscheinlich muß jeder für sich die optimale Methode entwickeln, da gibts ja auch einige Möglichkeiten, nur, wenn man gleichzeitig X verschiedene Sachen am Laufen hat und mit jeder so alle drei Monate mal zwei Sätze vorankommt, ist das nicht so wirklich der Sinn der Sache.

9 „Gefällt mir“

Hallo Frøken,

Aber das ist doch gar kein Teufelchen, sondern ein Engelchen, was Dir etwas Schönes in der Ferne zeigen will. Zwar bist Du noch mit einer anderen Arbeit beschäftigt, aber da zeigt sich schon wieder etwas Neues, Spannendes, was auf Dich wartet. Das ist doch wie ein schönes Versprechen für später.
Vor allem, wenn Du gerade festgefahren bist in Deiner momentanen Arbeit, solltest Du für eine gewisse Zeit mal etwas völlig anderes machen. Meist geht es danach viel besser weiter. Das kann ja Joggen oder Blumen pflücken sein oder eben sich völlig anderen Gedanken hingeben. Wenn sich da eine neue Geschichte zeigt, in die Du für eine Weile eintauchen kannst, um so besser.

Hast Du doch gut gemacht, das dann erst einmal aufzuschreiben. Und immer, wenn Du eine Pause brauchst, kannst Du an der neuen Geschichte weiterspinnen. Das ist doch schön. Mache ich auch so. Ich habe neben meiner jetzigen Geschichte noch zwei neue im Hinterkopf.
Wahrscheinlich machen wir das alle ähnlich.

Klasse Idee! So kannst Du es machen. Aber der Schwerpunkt sollte dennoch auf der Fertigstellung des angefangenen Projektes liegen. Sonst hast Du am Ende nur einen Haufen Halbfertiges liegen. Ohne etwas Disziplin geht es nicht. Da muss das Teufelchen dann warten, bis Du es wieder herauslässt.

4 „Gefällt mir“

Diese beiden kenne ich auch, das Engelchen-Teufelchen-Gespann, das mit neuen Ideen lockt, während ich noch mit etwas anderem beschäftigt bin. Sei es als Ablenkung wegen hakender aktueller Geschichte oder als Belohnung mit einer tollen Idee für eine zukünftige Story.

Ich muss sie dann auch aufschreiben und in den Ideen-Fundus übernehmen, dafür sind für mich Notizbücher praktisch, die man immer dabeihaben kann (ich hab’s nicht so mit Notizen im Smartphone, das dauert mir zu lange mit dem Tippen)

4 „Gefällt mir“

Bei mir tauchen solche Ideen auch auf, wandern aber auch gleich ins große Ideen-Notizbuch, das sich seit 30 Jahren füllt und füllt. Dort sind diese Ideen in bester Gesellschaft, weil das das Buch ist, in dem ich blättere, wenn es Zeit ist, sich für ein neues Projekt zu entscheiden, und je mehr Auswahl, desto besser.

11 „Gefällt mir“

Der FREUND in der Gestalt einer neuen Idee sollte unbedingt gehört werden. Auch mir passiert soetwa und dann wende ich gerne mal etwas Zeit auf, mich darum zu kümmern. Auf jeden Fall notieren und grob skizzieren. Manchmal wird auch eine Kuzgeschichte draus. Für die kann man sich auch mal ein paar Tage Zeit nehmen. Wenn es doch eine größere Idee ist, dann eben sichern.
Anschließend kann man dann ja wieder an sein aktuelles Projekt gehen. Und zwar mit dem angenehmen Gefühl, dass man da noch eine tolle Idee hat, um die man sich später kümmert.

1 „Gefällt mir“

Feind? Ich nenne ihn einen Freund. Und das, was er mir einflüstert, wird schnellstmöglich in das PapyrusNotizDokument überführt.

2 „Gefällt mir“

Ich hätte dir auch geraten, alles, was dir dazu einfällt, mal irgendwo zu parken, damit du jederzeit darauf zurückkommen kannst und dein Kopf frei ist - und wenn die Idee so hartnäckig immer wiederkehrt, dann will sie wohl irgendwann tatsächlich verwirklicht werden. :slight_smile:

1 „Gefällt mir“

Das kenne ich gut, Ich habe komischer weise immer eine Gute Idee wenn ich einen Film sehe oder ein PC-Spiel in meiner Freizeit spiele. :kissing:

Das war die Geburt meines „Deponie“ Ordners. Ich schreibe zu jeder Idee ein oder zwei Seiten, das reicht als Gedankenstütze und befreit mich ungemein von der störenden zweit Idee. Jedesmal, wenn ich eine artverwandte Idee habe, kommen zwei Seiten dazu. Ob sie direkt zusammenhängen ist da irrelevant. Die Dokumente sind nur Themen mit Ideen. Dadurch habe ich schon eine Sammlung von etwa 20 Seiten nur für Fantasy Romane. Da meistens nur „coole“ Schlüsselszenen

Irgendwann webe ich die vielleicht zusammen. Dann wird der Protagonist aus Seite 4 halt zum Antagonisten für den Mann von Seite 2. Die Nette Frau von Seite 5 wird zu einer listigen Intrigantin usw. Solange liegen sie sicher auf dem NAS und warten auf Aufmerksamkeit.

Ich denke, sowas gehört dazu. Sorgen müssen wir uns machen, wenn wir keine neuen Ideen haben :coffee:

6 „Gefällt mir“

Vielen Dank für eure zahlreichen Antworten! Letztlich scheinen ja doch alle ähnliche „Bewältigungsstrategien“ zu haben. Natürlich habe ich die neue Idee nur deshalb etwas polemisch als „Feind“ bezeichnet, weil sie sich dem eigentlichen Projekt gegenüber so in den Vordergrund drängt - grundsätzlich sind neue Ideen natürlich toll :thumbsup: Der springende Punkt ist genau die Disziplin, wie etwa Yoro gesagt hat:

Exakt. Es ist ja ohnehin schon einfach, „sich jegliche Disziplin zu versauen“. Selbst, wenn ich gerade eine gute Phase habe, kostet es mich sehr viel Kraft und Willen, die Zeit fürs Schreiben neben Uni und Arbeit herzunehmen und dabei konzentriert zu sein. (Ich hab mich ja schon oft gefragt, weshalb ich mich eigentlich damit quäle, anstatt einfach beim Lesen und beim Schreiben von Sachtexten zu bleiben, die Antwort findet sich im Thread „Was ist eure Motivation“…)
Würde ich dieses Quäntchen Elan nun auch noch auf mehr als ein Romanprojekt aufteilen, wäre vorprogrammiert, dass keins davon je fertig wird.

Der Ideenschub ist also überhaupt nicht unwillkommen, es wäre mir nur lieber, ich hätte ihn in Bezug auf das, was ich gerade schreibe :smiley: Allerdings versuche ich jetzt, das Ganze umgekehrt zu nutzen. Also, es in Motivation umzuwandeln, mit der derzeitigen Geschichte fertig zu werden, damit ich mich endlich der neuen Idee widmen kann. Und das Weiterspinnen derselben nicht als Ausrede zu nehmen, um das aktuelle Projekt liegenzulassen, sondern mir das als Belohnung zu erlauben, wenn ich mit dem Hauptprojekt ordentlich weitergekommen bin. So geht die Idee nicht verloren, ich lasse mich davon aber auch nicht zu sehr ablenken. Hoffe ich. Da ich eine halbe Woche verreist war und dementsprechend alles liegen geblieben ist, wurde ich nämlich aus meinem Produktivitätsrhythmus gerissen. Da wieder reinzukommen, ist gerade die größte Herausforderung. Ich geh dann mal die Disziplin suchen…

(Letztlich funktioniert es wohl sowieso nur mit wenig Schlaf und viel Koffein :kissing:)

3 „Gefällt mir“

Super! Das ist wahrscheinlich der einzige Weg. Ich versuche das so auch immer, dennoch sind die Ideen, die ich gerade nicht verwirklichen kann, immer die scheinbar besten.
Ansonsten ist Schreiben schon harte Arbeit. Ich hatte mir in der Vergangenheit pro Tag ein Schreib-Soll gesetzt, als ich mit der Niederschrift eines neuen Romans begonnen hatte. Das funktionierte recht gut und ich war wirklich fleißig und erfüllte meine Norm. Leider musste ich später, beim Überarbeiten feststellen, dass ich dabei häufig ins Schwatzen gekommen bin und breit geschildert habe, was natürlich schnell die Seiten füllte. Und dann hab ich den ganzen Murks wieder zusammengestrichen…
Deshalb empfehle ich das nur bedingt weiter. Dennoch hilft es, sich zu festgelegten Zeiten auf das Manuskript und das Weiterschreiben zu konzentrieren und sich ein festes Zeitfenster pro Tag oder Woche einzuplanen.

Uns allen dabei viel Erfolg!

1 „Gefällt mir“

Ich finde das eigentlich nicht schlimm. Das ist der normale Prozess von Erstentwurf zur wirklichen Geschichte. Ich dachte immer, das Schreiben wäre langwierig. Dann kam ich zum Überarbeiten und wusste plötzlich, dass das der eigentliche Zeitfresser ist.

“I’m writing a first draft and reminding myself that I’m simply shoveling sand into a box so that later I can build castles.”
― Shannon Hale

8 „Gefällt mir“

Sehr gut. Das sollte ich mir an die Wand hängen.

3 „Gefällt mir“

Jau, ich auch

Ich melde mich hier mal zurück, denn über die letzten Monate hinweg habe ich wieder einiges gelernt. Dieser Thread enstand, weil ich mit meinem Schreibprojekt A ziemlich hing. Es gab ein paar blöde Baustellen, ich kam nicht mehr so richtig rein, und es lief generell nicht besonders rund. Deshalb hatte sich ja auch die “neue Idee” so fies bei mir festgesetzt. Und obwohl ich die, wie oben beschrieben, notiert und somit für “irgendwann” fixiert hatte, wollte es mit Projekt A nicht mehr laufen. Mir war aber klar, dass die “neue Idee” so viel Recherche erfordern würde, dass ich da nicht mal eben so damit anfangen wollte. Trotzdem wollte ich meine Schreiblust irgendwie nutzen … und grub deshalb ein halb angefangenes, vor längerer Zeit in einer Einbahnstraße festgefahrenes Projekt B aus. Das war nicht ganz so famos glänzend wie die “neue Idee”, aber plötzlich wieder überraschend verheißungsvoll.

Deshalb muss ich diese Aussage ein bisschen revidieren. Projekt B war schließlich schon ein bisschen da, ich konnte auf vieles zurückgreifen, und es ist ein anderes Genre, weshalb es mir wohl auf einmal sehr leicht von der Hand ging. Und um Weihnachten hatte ich auch noch Zeit! Zu meiner großen, großen Verblüffung konnte ich vor einigen Wochen tatsächlich das Wort “Ende” unter die allererste Rohfassung schreiben. Und das Beste: Kaum war das getan, flutschte es plötzlich auch mit dem leidigen, großen Haufen namens Projekt A wieder! Und sogar für die noch immer herumschwirrende “neue Idee” notiere ich bisweilen Ideen in mein Kritzelbuch. Denn - Motivation erzeugt anscheinend manchmal mehr Motivation. Und ein bisschen zweigleisig zu fahren, scheint doch nicht so sehr zu schaden, wie ich geglaubt hatte. So kann man, wenn es irgendwo hakt, einfach an anderer Stelle weitermachen. Die Hoffnung stirbt also wirklich zuletzt :slight_smile:

7 „Gefällt mir“