Der Engel mit dem Bieratem

Vorgestern fuhr ich wie immer mit der Bahn von der Arbeit nachhause.
Ich fühlte mich wenig motiviert zu schreiben, habe aber den Laptop aufgeklappt ich fahre schließlich 30 Minuten. Die kann ich auch wenig motiviert nutzen.

Als ich anfange zu tippen bin ich sofort drin. Mein Geist plottet weiter, meine Finger tippeln hinterher. Doch dann kommt er … der Gedanke…

“Bin ich wirklich gut darin?”
Er umklammert mich und lässt nicht mehr los. Er gebärt furchtbare Kinder.
Sicher ich habe ein Buch veröffentlicht, aber das hat sich nicht annähernd so gut verkauft wie ich es gerne hätte.
Im nachhinein würde ich vieles anders machen, aber das ist doch gut oder? Ich bin daran gewachsen.
Bin ich zu simpel in der Art wie ich Dinge ausdrücke?
Lasse ich zu viele Details weg, weil sie für mich nicht wichtig erscheinen, aber für Lese vielleicht wichtig sind?
Nein, das hätte mir einer meiner zwei Korrekturleser gesagt.
Ist mein Plot zu simpel oder zu komplex? Hätte ich die Hinweise auf die weitere Geschichte besser verstecken sollen?
Aber auch das hätte man mir gesagt.
Ist mein Thema blöd gewählt? Zu sehr in eine Nische gedrückt?
Wahrscheinlich, sogar sehr wahrscheinlich.

Die Spirale dreht sich weiter nach unten, als eine Hand mich an der Schulter berührt. Ein Atem aus Alkohol sagt “Kannst du nochmal hoch, ich hab erst in der Mitte angefangen.” Gedankenlos scrolle ich zum Anfang des Kapitels. Einen Moment ist es ruhig. Der Mann lacht ein oder zwei mal, vermutlich an den richtigen Stellen. Dann haucht er :“Das ist sehr cool geschrieben, mach weiter so.” Er steht auf und geht. Er lässt mich alleine mit meinen Gedanken.

Aber die Gedanken sagen jetzt :“Mach weiter, da ist noch viel zu tun.”
“Solange du noch lernst, kannst du nicht versagen”, “Deine Zielgruppe sind betrunkene Straßenbahnfahrer!”

Zuhause habe ich mich noch einige Stunden hingesetzt und ein Kapitel geschrieben.

Das ist eine kleine Anekdote in der ein Fremder meine Selbstzweifel zerstreut und mich motiviert hat.

Ich denke so können wir mal das Thema aufgreifen was uns alle zumindest irgendwann betrifft, Selbstzweifel.

Wie geht ihr mit solchen Gedanken um? Schreibt ihr auch wenn ihr unmotiviert seid?

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Ja, ich schreibe auch, wenn ich nicht so recht weiß, wie es weitergehen soll, aka wenn ich unmotiviert bin.
Meistens komme ich dann mit der Zeit in Schwung, und es geht flüssiger. Manchmal auch nicht. Dann gehe ich hier ins Forum und lasse mich inspirieren;)

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Ja.

Das geht mir ganz genau so!
Um mich zu inspirieren habe ich auch das ein oder andere Buch gelesen, das meinen Genre ähnelt. Als ich das Buch dann durch hatte, habe ich gedacht, wenn so ein Buch auf dem Markt ist, müsste das mit meinem eigentlich auch klappen. Vielleicht überschätze ich mich in so einem Fall. :slight_smile: Aber Ideen kann man sich immer und überall holen.
Wenn mal gar nix mehr geht, lasse ich meinen Text mal 2, 3 Wochen ruhen und lese dann noch mal von vorn. Ich komme wieder in die Geschichte rein und dann geht es wieder weiter. Bis jetzt hat es funktioniert:)

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Erstmal muss ich dir, @DoJiMoDa , sagen, dass mit dein Schreibstil auch sehr gut gefällt. Deine Kurzgeschichten sind immer unterhaltsam, mit einem gewissen Augenzwinkern geschrieben. Ich mag das. Da ich auch Bahnfahrer bin, wenngleich ein nüchterner, kannst du deine Zielgruppe etwas erweitern :wink:
Ich habe feste Schreibzeiten. Unter der Woche abends im Bett, an Wochenenden morgens. Ob ich gerade feststecke, ist dabei irrelevant. Dann versuche ich mich durch verschiedene Techniken daraus zu befreien, wenn das nicht funktioniert, wechsle ich zeitweise auf ein anderes Projekt, bis ich den Kopf wieder frei habe. Oder zeichne Karten für meine Welten. Das frisst immer Zeit.

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Das geht uns allen vermutlich ähnlich. Zwar möchten wir mit etwas Angefangenem weiterkommen, aber dennoch ist da immer eine gewisse Hemmschwelle zu überwinden. War gerade jetzt der Moment. Ich habe mir gerade einen Espresso gemacht und mich an den Schreibtisch gesetzt - doch anstatt mein Manuskript zu öffnen, schaue ich erst einmal hier in das Forum. Arbeitsbeginn hinauszögern. Nicht schön.
Wahrscheinlich machst Du es richtig, Nina.

Ich hoffe, Du fängst dann auch wirklich an und vertrödelst nicht die Zeit mit Anderem. Dennoch ist das gut, mit den festen Zeiten. Vielleicht sollte ich die auch wieder einführen. Jetzt reserviere ich meist die Wochenenden zum Schreiben, da ich nicht nur schreibe, sondern zwischendurch spazieren gehe, um Figuren oder Szenen neu zu durchdenken.
Vielleicht brauchen wir schlicht etwas mehr Selbstdisziplin.

Während der Schreibzeiten bin ich nur in meinem Projekt. Ich denke, das ist ähnlich wie mit Sport. Es funktioniert einfacher, wenn man diszipliniert immer seinen Takt einhält, bis es zur Gewohnheit geworden ist. Schwänzt man einmal, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass man das nächste Mal auch schwänzt.
Das liegt wahrscheinlich aber auch daran, dass ich relativ wenig Zeit zum Schreiben habe. Das sind bei mir etwa zwei Stunden pro Tag. Da hab ich dann eher das Gefühl, die auch konsequent nutzen zu “müssen”. Zusätzlich habe ich eine Mindestschreibmenge von 750 Worten. Das hilft mir konsequent dran zu bleiben. Damit das funktioniert, überlege ich mir allerdings schon vor der Schreibzeit was ich schreiben werde. Also welche Szene und was die Kernpunkte sein werden.

Das hat auch sein Gutes, weil es tatsächlich zur Disziplin zwingt. Ich muss mich da selbst wieder mehr in die Pflicht nehmen! Bedingt dadurch, dass ich immer längere Zeit berufsbedingt von der Familie in einem anderen Land arbeite, habe ich dann ausreichend Zeit an Abenden und Wochenenden. Leider verführt ein Luxus an Zeit eher zur Verschwendung, als zur effizienten Nutzung.

Die Herausforderung liegt doch darin, etwas gutes zu Schreiben, wenn man vermeintlich unmotiviert/ ideenlos ist und dadurch in diesen Flow zu kommen. Ich bin noch nicht lange wieder am schreiben, aber ich merke schon wie es mir besser gelingt, einfach durch’s loslegen, auch wenn ich grade planlos bin.

Selbstzweifel sind normal, aber diese Feststellung ist das Wichtigste, darauf kommt es an, wenn es mal nicht wie erwartet läuft.:wink:

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Ich habe nicht nur einmal das Handtuch werfen wollen. Gerade im Moment sind meine Selbstzweifel wieder sehr groß und ich könnte so einen Bier-Engel sehr gut gebrauchen. Finde ich ganz toll, dass du diese Geschichte erleben durftest. Eigentlich ist es ja nicht in Ordnung, wenn jemand bei einem Fremden auf den Bildschirm glotzt und mitliest, was der da gerade schreibt. Aber in deinem Fall war es ja sehr hilfreich.

Ich habe mir heute vorgenommen, endlich mal das Kinderbuch durchzuplotten, was ich schon so lange vorhabe. Ich meine damit, die Geschichte, die bei mir im Kopf ist, mal in einzelne Kapitel zu unterteilen, bzw. in eine vernünftige Struktur zu bringen. Die Figuren stehen schon lange, das ist nicht das Problem. Es ist eigentlich nur das Anfangen :slight_smile:

Und - schwupps - sitzt man nach ausgiebigem Facebook-Gedaddel wieder im Papyrus-Forum, weil man vielleicht den Thread seines Lebens verpasst. Anstatt, dass man sich endlich mal auf den Hosenboden setzt und tut, was man vorhat.:confused:

Danke für die Pfanne, die ich gerade irgendwie übergezogen bekomen habe :thumbsup: Ich sollte einfach aufstehen, meine Krone gerade richten und endlich meine Sinne auf dieses verd… schon ewig in mir schlummernde Wunschbuch zu lenken. :cool:

Liebe Grüße,
Vroni

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Was für eine schöne Anekdote!

Ich versuche, auch dann zu schreiben, wenn ich unmotiviert bin. Ich gräme mich aber auch nicht (mehr) zu Tode, wenn es mal ein paar Tage lang gar nicht funktioniert. Unterm Strich hilft die Regelmäßigkeit aber, die Motivation aufrecht zu erhalten.

Die Selbstzweifel sind eigentlich immer da, außer in den winzigen Momenten, in denen ich irgendeine kleine Textstelle für wirklich gelungen halte. Ich habe folgende Logik entwickelt:

  1. Die Wahrscheinlichkeit, dass aus mir ein veröffentlichter Autor wird, ist ziemlich gering. (Sollte ich mich je für eine Veröffentlichung in Eigenregie entscheiden, ersetze “veröffentlicht” durch “erfolgreich”.)
  2. Wenn ich den blöden Roman gar nicht erst schreibe, ist die Wahrscheinlichkeit null.
  3. Es hilft nichts, es muss geschrieben werden, denn das ist in jedem Fall besser, als es nicht zu schreiben.

Ich glaube, kaum jemand hadert nicht mit sich, seinem Schaffen und seiner Motivation. Umso schöner ist es, sich da selbst wieder rauszuziehen. Und damit meine ich jetzt nicht, dass ein Bestseller ensteht, sondern einfach nur das Wissen, weitergemacht und sich überwunden zu haben. Sobald ich für mich selbst ein gutes Ergebnis habe, bin ich schon ein bisschen belohnt.

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