Der alte Mann

Etwas kurzes am Sonntag Vormittag.
Der Schreibstil wird höchstwahrscheinlich nicht jedermanns Geschmack treffen, dennoch guten Appetit.:wink:

Bewegungslos sitzt der alte Mann vor seinem Schreibtisch und versucht krampfhaft sich zu erinnern weshalb er vor einem Stapel ungeöffneter Briefe verharrt, die ihm völlig fremd erscheinen. Der verflüchtigte Gedanke, der eben noch da war, hat für immer seinen Schöpfer verlassen, lediglich die Abdrücke des eben noch vorhandenen Schleiers sind verblieben, die weder ausreichend Energie, noch Intensität besitzen, wieder daran anzuknüpfen wo der Faden gerissen ist. Womöglich ist es bereits unvermeidlich, dass der nächste und der darauf folgende Gedanke sich durch unendliches Zerpflücken der geistigen Welt des alten Mannes unausweichlich in den Stillstand des Denkens bewegen. Die Umstände, in deren er sich momentan befindet, sind besorgniserregend, und vor allem beängstigend für den der es nicht realisiert, dass der jetzige Umstand der ist, der er tatsächlich ist. Kaum ein Gedanke, der seinem Verstand entspringt, kann er in seiner geistigen Welt festhalten und zur Vollkommenheit denken. Die Welt, in der er sich befindet, ist so fremd und eigenartig wie die fiebrigen Träume seiner vergangenen Nächte. Die Dunkelheit ist gegenwärtig, obwohl die Farben des Sommers, die durch das bodentiefe Fenster vor ihm auf den Schreibtisch sich ergießen und den Raum in ein wohltuend warmes Licht tränken. Antikes Mobiliar von einem gleichmässig weißen Schleier überzogen. Der Staub hat längst seine Kraft verloren, keine aufwirbelnden Winde, keine Hektik, keine unkontrollierten Bewegungen, allein die Trägheit beherrscht nicht nur die physische Welt dieser Wohnung, hat auch die völlige Macht über den mentalen Nebel des alten Mannes.

Rudolf Heinerich. Einst ein außergewöhnlicher Dichter seiner Zeit, Nobelpreisträger, beliebt bei Frau und Mann, außergewöhnlich in seiner Sprache, intelligent und weltbereist. Viele seltene Auszeichnungen schmücken seine Räumlichkeiten. Jahrelanger Bestseller und willkommener Redner auf Bühnen seiner Zeitgenossen. Obwohl brillant gewesen, in diesem Moment der Vergänglichkeit und dem stofflichen Verfall der Zeit und sich selbst über- lassen. Weit hinter sich die Grenze des Anfangs zum Ruhealter vergessen. Die letzte Etappe angetreten mit ahnender Angst im Nacken, seinen Gedanken nicht rechtzeitig auszusprechen, bis das das universelle Bewusstsein seine Pforten vor ihm für immer verschließt.

Die Farben des Raumes erblühen schlagartig und der Wille kehrt wieder in den alten Körper zurück. Der Blick wandert von der Straße auf die ungeöffneten Briefe. Rudolf greift nach dem ersten dicken Umschlag, öffnet es behutsam mit Gelassenheit eines alten Mannes und zieht den Inhalt ans Licht.

Neurologische Praxis Frau Dr. med. Elaine Maureen.

Diagnose: Primäre Demenz im fortgeschrittenen Stadium.

ja ja ich weiss, bestimmt Handwerklich eine Katastrophe…aber wenn DU mir zeigst was nicht stimmt, dann mache ich es das nächste Mal bestimmt besser:)

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Ich lass Grammatik usw. mal außen vor. Da ich mit einem kleinen schmalen Monitor unterwegs bin, sah ich erstmals nur den ersten großen Absatz und mir erschloss sich die Thematik der Demenz. Was dann beim herunterscrollen brieflich auch beschrieben wurde. So betrachtet … kam bei mir an :thumbsup:

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Danke Andreas :wink:

Bereits hier war mir klar, dass es sich um Demenz handelt. Vielleicht könnte man die Geschichte anders nennen, denn so birgt sie nichts Geheimnisvolles, zumindest nicht für meinen Geschmack. Warum heißt die Geschichte nicht: Der Umschlag?

Hallo Suse, danke fürs lesen. Ja dein Titel wäre auch möglich.

Verdirbt es so das Lesen, wenn bereits am Anfang man weiss worum es geht?

Würdest du einen Krimi lesen, wenn du auf der ersten Seite erfährst, wer der Mörder ist und warum er es getan hat?

nope

Aber liegt es jetzt definitiv am Titel oder am ersten Satz? Was würdet Ihr im ersten Satz ändern? Bin für alles offen …

Der Titel “der Umschlag” gefällt mir besser als “der alte Mann”, aber woran das liegt, kann ich nicht benennen.

Vorschlag:
Der alte Mann starrt einen Stapel ungeöffneter Briefe vor sich auf seinem Schreibtisch an. Sein letzter Gedanke hat sich jäh verflüchtigt, lediglich die Abdrücke des eben noch vorhandenen Schleiers sind verblieben, ohne ausreichende Energie noch Intensität, wieder daran anzuknüpfen wo der Faden gerissen ist.

Vielleicht könnte man hiermit starten:

und dann:
Jetzt liegen die Zeugnisse seines Lebens vor ihm. Bedeutungslos. Oder haben die ungeöffneten Briefe vor ihm einen tieferen Sinn? Was soll er damit anfangen? Geht es anders weiter, wenn er sie öffnet? Wozu die ganzen Umschläge? Er versucht, sich darauf zu konzentrieren, den Kern der Sache zu erfassen. …

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Ich habe diesen Abschnitt mehrfach gelesen. Erst als ich ihn laut gelesen habe, erkannte ich für mich, was meinen Lesefluss immer wieder unterbrach. Es sind Wörter wie “krampfhaft”, “verharrt”, “Schöpfer” , “Schleier”, “unendliches Zerpflücken” … Auch wenn es sicherlich nicht deine Absicht war, irgendwie hatte ich das Gefühl, du wolltest diese Begriffe unbedingt im Text unterbringen. Ich habe den Text mal ein wenig überarbeitet … nur so eine erste Idee.

*Bewegungslos sitzt der alte Mann vor seinem Schreibtisch und versucht, sich verzweifelt daran zu erinnern, weshalb er auf einen Stapel ungeöffneter Briefe starrt, die ihm völlig fremd erscheinen. Der Gedanke, der eben noch da war, da ging es doch um … um …?
Die Erinnerung daran zerbröckelt wie alte Brotkrumen. Bruchteile, die weder ausreichend Energie besitzen, noch intensiv genug sind, daran anzuknüpfen wo der Faden gerissen ist, verschwinden unter dem Schleier des Vergessens. Womöglich ist es bereits unvermeidlich, dass der nächste und der darauf folgende Gedanke sich durch unendliches Zerpflücken der geistigen Welt des alten Mannes unausweichlich in den Stillstand des Denkens bewegen.

Die Umstände, in denen er sich momentan befindet, sind besorgniserregend. Beängstigend für den, der es nicht realisiert, dass der jetzige Umstand der ist, der er tatsächlich ist. Kaum einen Gedanken, der seinem Verstand entspringt, kann er in seiner geistigen Welt festhalten und zur Vollkommenheit formen. Die Welt, die ihn umgibt, ist so fremd und eigenartig wie die surrealen Träume der vergangenen Nächte. Die Dunkelheit in seinen Gedanken ist gegenwärtig, obwohl sich die Farben des Sommers mit dem Sonnenlicht durch das bodentiefe Fenster vor ihm auf den Schreibtisch ergießen und den Raum in ein wohltuend warmes Licht tränken.

Antikes Mobiliar von einem gleichmäßig weißen Schleier überzogen. Der Staub hat längst seine Kraft verloren, keine aufwirbelnden Winde, keine Hektik, keine unkontrollierten Bewegungen. Die Trägheit beherrscht nicht nur die physische Welt dieser Wohnung, sie ist auch längst ein Teil seines mentalen Nebels geworden.*

Da sind immer noch ein paar Sätze, die neu formuliert werden sollten. Auf die Schnelle finde ich aber auch keine Ansätze, in denen ich das Grundgerüst stehen lassen könnte.

Ich finde das Thema sehr interessant. Eine Welt, die so außerhalb unserer Vorstellung liegt.

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Noch besser wäre es, das mit dem Alter gar nicht zu erwähnen. Warum wird der alte Mann nicht nur beim Vornamen genannt? Damit verschleiert man das Demenzthema bis zum Ende.

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