Romananfang

Hallo zusammen,

am mitunter schwierigsten finde ich immer einen Anfang für eine Story zu finden.
Hier mal ein Auszug aus einem meiner weiteren Projekte, an dem ich zurzeit arbeite:

Ich stand auf einem weiten Feld und sah in der Ferne einen Berg.
Der Himmel über mir strahlte in einem hellen Blau und nicht eine Wolke war zu sehen. Mit einem Mal bebte die Erde so stark, dass ich mich nicht mehr auf den Beinen halten konnte, und fiel auf die Knie.
Auf allen vieren sah ich mich um, doch dann riss die Erde neben mir auf und roter Rauch stieg unheilvoll empor.
Ich war unfähig mich zu bewegen und plötzlich sah ich eine riesige rote Hand aus dem Boden kommen, die sich an der Erde festhielt.
Ich wich zurück. Was war das denn? Der Hand folgten zwei schwarze Hörner, die an einem roten Kopf mit weißen Haaren endeten. Eine monströse Fratze sah mich an und ich sah die messerscharfen Zähne des Monsters. Jetzt kam auch die zweite Hand zum Vorschein und streckte sich nach mir aus. Mein Herz raste in meiner Brust und ich konnte kaum atmen.
Wieder und wieder hörte ich ein leises Geräusch, was sich dauernd wiederholte und das ich nicht einordnen konnte. Was war das? Es war nervig, das stand fest.
Das Wesen versuchte weiter, nach mir zu greifen, doch ich wich zurück und trat gegen seine Hand. „Verzieh dich“, schrie ich nur und wieder hörte ich das Geräusch.
Ich lauschte. Was zur Hölle war das? Dann hörte ich, wie jemand leise meinen Namen sagte, doch es war nicht das Monster vor mir. Nein. Das war jemand anderes. Und dann begriff ich.
Das hier war ein Traum. Ich befand mich in einem Traum! Wach auf, sagte ich zu mir und beschloss aufzuwachen.

Zur Info: Träume sind für den Protagonisten im weiteren Verlauf wichtig.
Meine Frage nun an euch:
Kann man so mit einer Story anfangen?

LG Tessley

Hallo Tessley,
prinzipiell spricht nichts dagegen, die Story so zu beginnen. Wenn die Träume des Protagonisten im weiteren Verlauf wichtig sind, kannst du das gut nutzen. Eine Traumszene bietet dir viele Möglichkeiten für einen spannenden Einstieg.
Besonders am Anfang ist ja wichtig, dass du das Interesse des Lesers weckst.
Das plötzliche Beben und das Monster, das emporsteigt sind dafür gute Elemente.

Es gibt allerdings eine Sache, die mich als Leser stört und wahrscheinlich auch dazu geführt hätte, dass ich nicht weiterlese: Ich finde das Verhalten des Protagonisten unlogisch - und das ist in meinen Augen ein KO-Kriterium, besonders wenn ich schon am Anfang darüber stolpere.
Wenn ich einem gewaltigen Monster begegne, das es auf mich abgesehen hat, nach mir greifen will, mein Herz rast, ich vor Angst kaum Luft bekomme … interessiert mich ein leises Geräusch, das sich wiederholt ziemlich wenig. Und ich habe nicht die innere Ruhe, etwas nervig zu finden, es einordnen zu wollen oder noch einmal hinzulauschen.

Ich vermute mal, dass du auf einen Wecker abzielst, aber das würde ich anders verarbeiten. Vielleicht eher als einen lautes Grollen statt einem leisen nervigen Ton.

Hallo JMP,

ich bin da eher nach meinen Träumen gegangen. Wenn ich in einem Kampf verwickelt bin oder in einer gefährlichen Situation stecke und plötzlich der Wecker klingelt, kommt mir das im Traum auch immer fehl am Platz vor und vollkommen im Gegensatz zur eigentlichen Situation, so dass ich es im ersten Moment überhaupt nicht einordnen kann. Erst wenn ich begreife, es handelt sich um einen Wecker, dann sage ich mir: Hey, wach auf, das ist ein Traum.
(Ich träume sehr intensiv und bin immer voll mitten im Geschehen.)
Aber ich gucke mal, ob ich das irgendwie abändern kann.
Danke für den Hinweis.

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Hallo Tessley,
ja, warum nicht eine Geschichte mit einer Traumsequenz anfangen, wenn das wichtig ist für deinen Protagonisten und den weiteren Verlauf.
Träume sind ja manchmal nicht sehr logisch, also könnte auch ein leises Geräusch gehört werden und nerven, obwohl ich mich gerade einem Monster gegenüber sehe … und auch die leise Stimme, die den Namen sagt. Auf mich wirkt das so, als ob der “Monsterfilm” kurz anhält, wie eingefroren.
Mich irritiert eher der letzte Satz, das kommt mir doppeltgemoppelt vor.

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Ich antworte dir als Leser. Ich lese derzeit recht viel, habe auch von dir schon gelesen und weiß, dass du Anfänge schreiben kannst.

Als Leser habe ich Ängste. Nicht, dass ich in einen Roman 3,50 € investiere, die sich später als herausgeschmissenes Geld entpuppen. Vielmehr, dass ich Lebenszeit in einem Autor bzw. Roman investiere und nach 150 Seiten feststellen muss, dass diese Zeit vertane Zeit gewesen ist. Also bin ich vor allem am Anfang eines Romans überkritisch und frage mich, lese ich hier wirklich etwas genuin Neues, höre oder lese ich eine Geschichte, die auch erzählenswert ist oder falle ich zum Beispiel auf eine Sammlung von lapidaren Klischees herein, die keinerlei Bedeutung haben.

Diesen vollautomatischen Kritiker kann ich nicht abschalten, selbst wenn ich will. Dabei sind meine Ansprüche nach meinem Dafürhalten nicht einmal hoch. Ich möchte gefangen genommen werden von einer mir fremden Welt, aus dieser wieder auftauchen, um die ein oder andere Erfahrung reicher, um bei Belieben wieder abzutauchen, meine Traumwelt erneut vorzufinden und das Vergnügen fortzusetzen.

Ist der Kritiker erst einmal aktiviert, findet er noch ein oder zwei weniger bedeutsame Kritikpunkte, dann fällt grausamen das Fallbeil. Das Buch wird achtlos beiseite gelegt und nie wieder angefasst.

Nach langer Vorrede zu meinem Resultat: Ich denke, ich würde dein Buch in dieser Bearbeitungsstufe nicht weiterlesen. Das liegt jetzt aber nicht daran, dass es mit einer Traumdarstellung beginnt. Eher, dass ich deine Traumwelt nicht nachempfinden kann.

Ich glaube kein Mensch würde angesichts eines Erdbebens sagen oder gar denken die Erde bebt stark …. Das wäre das Resultat einer ausführlichen, möglicherweise lange dauernden mentalen Bearbeitung, vor allem wenn das Erdbeben stark war. Mit einem Erdbeben konfrontiert geht einem gewiss anderes durch den Kopf. Wie ist das mit Trauminhalten? Die Diagnose: “Erdbeben” müsste auch hier das Resultat einer Auswertung von Trauminhalten sein? Also schilderst du offensichtlich nicht den ursprünglichen Trauminhalt und seine Auswertung sondern irgendetwas anderes. Aber die ursprünglichen Inhalte sind das Authentische, das ich erhoffen würde.

Im Grunde das gleiche. Mich interessiert nicht, dass der Protagonist sich auf die Klappe legt, sondern vielmehr, warum und wie …

Hier haut die Konjunktion meines Erachtens nicht hin. Das soll jetzt nicht kleinlich sein, aber wenn ich im Text an so eine Stelle stoße, stockt mein Lesefluss. Ich muss den 1. Teil identifizieren, den 2. und entscheidenden, habe ich mich verlesen? Die Spannung ist dann jedenfalls hin.

Wie macht es der rote Rauch, unheilvoll empor zu steigen. Ich würde gerne das Unheil, dass der Protagonist empfindet, spüren.

Hier gelingt es mir nicht, mir vorzustellen, wie die rote Hand aus dem Boden kommt und sich gleichzeitig an der Erde festhält …

Woher weiß der Protagonist / die Protagonistin, dass die Zähne messerscharf sind …

Aber es gilt nicht die Logik der realen Welt, sondern die Traumlogik des Protagonisten / der Protagonistin.

Wenn das mit der Traumlogik gut gemacht ist, erübrigt sich dieser letzte Satz.

Logisch wäre: 1. beschließen aufzuwachen und 2. sich selbst auffordern, aufzuwachen.

Wie gesagt, mein Empfinden als Leser. Maßgeblich ist das aber nicht.
mfg os|<ar

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Hallo Oscar21,

danke für die konstruktive Kritik! Deswegen wollte ich mal eure Meinung hören.
Ich habe immer nur gemerkt, irgendwas stimmt nicht daran. Nur kam ich bis jetzt nicht drauf.
Ihr kennt das Gefühl sicherlich auch, wenn ihr etwas vor euch habt, dass zwar spannend ist, aber irgendwas nicht richtig passt.
Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Mal sehen, was ich daraus mache. Da muss ich definitiv nochmal ran.

LG Tessley

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Hy Tessley !
Klar kannst du so einsteigen, ich bin der Meinung gerade wenn es um Träume geht hast du einen großen Handlungsspielraum. Ich bewege mich da Storytechnisch auf einer ähnlichen Ebene.
Vielleicht steigst du auch sofort mit der Action ein.

wo vorher noch ein weites friedliches FEld war riss die ERde auf und der Berg im Hintergrund war kaum zu sehen vor lauter Rauchschwaden?

finde ich auch.

Ansonsten
Dream On!

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Nicht ungefährlich.
Irgendein Schreibratgeber nannte das mal “Betrug am Leser”, weil eigentlich gar nichts passiert.

Ich könnte damit leben, wenn es gut gemacht ist.

Hi Füllwort,
könntest du das vielleicht präzisieren?
mfg os|<ar

Danke Oskar, darum wollte ich auch gerade bitten.

Das ist bei mir ja genauso, wenn ich träume. Die Schwierigkeit ist nur, dass der Leser an der Stelle nicht weiß, dass es sich um einen Traum handelt. Man stolpert zuerst über das recht unlogische Verhalten und ich persönlich hätte wahrscheinlich dann nicht mal bis zu dem ‘Das hier war ein Traum’ gelesen.
Dass in Träumen nicht alles logisch ist, ist völlig klar. Auch verhält man sich dort anders als in der Realität. Das Verhalten deines Protagonisten sollte meiner Meinung nach aber zumindest nachvollziehbar sein, damit man sich als Leser in ihn hineinversetzen kann.
Er könnte als Vorschlag zum Beispiel erst die Flucht ergreifen und dabei Geräusch bemerken, damit das Verhalten nachvollziehbarer wird. Oder statt dem ‘nervig’, das m. E. irgendwie nicht so recht in die Situation passt, eher sowas wie ‘nach Aufmerksamkeit fordernd’ nutzen. Oder du nennst das Geräusch eher ein lautes oder schrilles Zirpen / Summen …
Die Idee an sich finde ich gut, es ist nur irgendwie noch nicht stimmig.

Wenn ich wieder zu Hause bin, kann ich euch gerne die Quelle raussuchen.

Hier mal ein Versuch in eigenen Worten (first draft!):

  1. Der Grundgedanke ist, dass wir am Anfang dem Leser ein Versprechen geben. Das müssen wir
    dann auch halten. Starte ich mit einer Actionszene denkt der Leser: Yeah, Action!
    Und ab Seite 2 ist es dann Chick-Lit. Boooh!

  2. Träume sind ein Werkzeug unter vielen. Die sind nicht per se schlecht, solange sie für die
    Geschichte relevant sind. Das scheint hier der Fall zu sein. Aber das wissen wir nur, weil die
    Autorin es uns gesagt hat. Der Leser muß Vertrauen haben.
    Gegenbeispiel:
    Traumsequenz mit Action und Monstern, der Protagonist wacht auf und ist wieder der
    kleine Steuerberater von Nebenan. Klischee. Das kann man nur noch toppen, wenn er sich
    anzieht und dann an seinem Spiegel vorbeigeht. Dann bewundert er für fünf Seiten seine
    strahlend blauen Augen, seine Haare, seinen Anzug, blablabla …

  3. Wenn es aussieht, wie ein Teil der Handlung, dann sollte es ein Teil der Handlung sein.
    Das wissen wir aber noch nicht. Geht auch ein wenig in Richtung Vertrauen in den Autor.

  4. Und zum Charakter: Wir als Leser charakterisieren einen Protagonisten, den wir noch
    nicht kennen, nach seinen Handlungen. Wenn er sich im Traum anders verhält, als im
    realen Leben, führt uns das in die falsche Richtung und schwächt die Bindung an die Figur,
    sobald wir das merken.
    Kennen wir den Charakter besser (später im Buch, oder in einer Serie), kann das umgekehrt
    ein tolles Stilmittel sein. Bei dem Steuerberater von oben kann man den Kontrast nutzen,
    um das Profil zu schärfen. Die Art, wie er Monster erschlägt auf der einen Seite und die Art,
    wie er vor seinem Chef katzbuckelt auf der anderen Seite.
    Oder der Autor könnte bewußt entscheiden, dass er die Bindung an einen Charakter schwächen
    will. Zum Beispiel an Anakin, bevor er Darth Vader wird. Hier ist “bewußt” der wesentliche Punkt.

  5. Es gäbe die Möglichkeit, mit größerer Nähe anzufangen. Auch das sollte eine bewußte
    Entscheidung sein. Das ist ja nicht immer gewünscht. Beispiel:
    Der Charakter schreckt hoch. Er zittert am ganzen Körper. Schweiß rinnt ihm in die Augen.
    Schon wieder so ein Traum. Was ist das nur für ein Monster? Und was …?

Sofort haben wir einen Charakter, der ein echtes Problem hat (Sympathie), und wir haben
eine interessante Frage über den Fortgang der Geschichte im Kopf.
In einem anderen Thread hat jemand das Buch von Frey empfohlen. Das ist ein guter
Anfang, wenn man sich für sowas interessiert.

Sorry, dass es jetzt fast ein Blogpost geworden ist, aber das ist ein weites Feld.
Disclaimer: Ich habe nichts gegen Steuerberater! Das ist nur ein Beispiel.

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