Prolog Kritik

Hallo!

Ich habe als Test an einem Prolog gearbeitet, den ich gerne hier zeigen möchte. Das Ende ist nicht komplett, da ich mich bei der Überarbeitung verzettelt habe.

Ich habe hier etwas experimentiert und versucht SHOW, DON’T TELL anzuwenden (da bin ich noch immer im Lernmodus!) und weiterhin alles aus Sicht des Protagonisten zu zeigen. Die kurzen Sätze sollten „Schnelligkeit“ in den Text bringen. Allerdings bin ich im Moment komplett „betriebsblind“ und würde mich daher über Kritik zum Text sehr freuen. Mich interessiert auch, was fehlt, damit das lesbarer wird, ob der Text überhaupt lesbar ist und Spannung aufkommt, usw.

Danke!

[FONT=times new roman]
Prolog
18. September 1859, Nevada

Sanchez drosch die Peitsche über den Rücken der Pferde. Ein stechender Schmerz zuckte durch seine andere Hand, die die Zügel umklammerte. Die Schlaglöcher des Weges brachten die Stagecoach ins Schwanken. Sanchez schmeckte Erbrochenes.
Der tote Kutscher hing mit dem Oberkörper vornüber neben ihm zwischen zwei zerbrochenen Bodenbrettern.
Sanchez schlug erneut zu. Der Knall der Peitsche dröhnte in seinen Ohren.
Der Schweiß der Tiere roch salzig und der Geruch hatte etwas Metallisches. Ihre Verfassung war unwichtig und das Letzte, das in dieser Nacht eine Rolle spielte. Sollten sie doch krepieren. Das Einzige was zählte, war, dass sie es nicht jetzt tun durften. Erst, wenn sie ihn und seinen Partner mitsamt dem Gold in Sicherheit gebracht hatten.
Würden der Sheriff und sein halbes Dutzend Hilfssheriffs sie erwischen, könnten er und sein Partner ihren Traum vom Reichtum baumelnd am nächstbesten Galgen zu Ende träumen.
»Mach schneller!«, rief Darryl aus dem Inneren der Stagecoach.
»Die Viecher krepieren gleich«, schrie Sanchez zurück und blickte zur Seite. Eine behandschuhte Hand griff den Dachrand der Kutsche. Darryl zog sich hinauf auf das Dach.
Mit seinem Absatz trat er mehrfach gegen den toten Körper des Kutschers, bis dieser mit einem schmatzenden Geräusch unter den Rädern verschwand.
Darryl sprang auf die Sitzbank, hielt seinen Hut fest und warf einen Blick über seine Schulter zurück in die Dunkelheit, aus der sie gekommen waren. Sanchez spürte Darryls Ellbogen in seinen Rippen.
»Gib mir Zügel und Peitsche.«
Sanchez drückte ihm wortlos die Sachen in die Hände, schüttelte seine Unterarme und kletterte dann nach hinten auf das Dach, sorgsam darauf bedacht nicht den Griff des Metallbügels zu verlieren, der für die Sicherung des Gepäcks angebracht war. Er griff das Seil, mit dem zwei Koffer am Ende des Dachs festgespannt waren. Der Revolver in seiner Rechten fühlte sich glitschig an. In der Schwärze hinter der Kutsche war kein Anzeichen von Verfolgern zu erkennen. Darryl rief: »Siehst Du sie?« Sanchez rieb sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und antwortete: »Nur die gespreizten Beine Deiner Mutter.«
»Gut! Dachte schon sie gehört zum alten Eisen.« Sein Lachen gesellte sich zum Rattern der Räder. Ein passender Kommentar lag auf seiner Zunge, als ein Rad gegen einen liegenden Ast krachte.
Seine Schulter schlug gegen die Kante eines Koffers. Aus dem Inneren der Kutsche drangen klimpernde Münzgeräusche.
»Hurenkiste!«
Holzsplitter flogen vor seinem Gesicht durch die Luft, gefolgt vom Knall eines Gewehrschusses. Instinktiv zog er den Kopf ein. Darryl schrie: »Knall die Scheißkerle ab!«
Sanchez blickte über den Rand der Koffer. Ein winziger Lichtblitz zerriss die Dunkelheit vor seinen Augen. Etwas klatschte in seinem Rücken und nasse Tropfen besprenkelten seinen Nacken. Verzögert kam der Knall des Schusses. Er vergewisserte sich und sah zum Kutschbock. Es hatte Darryl erwischt.
Sein Partner rutschte seitlich weg und verschwand in der Dunkelheit. Die Zügel im Blick schoß seine Hand nach vorne, doch es war zu spät. Das Vierergespann folgte dem letzten Befehl seines toten Partners und brach nach links aus. Der abrupte Richtungswechsel riss die Kutsche in Schieflage. Das Seil hinterließ blutige Striemen an seiner Hand und der Druck auf seinen Körper schleuderte ihn durch die Luft. Sein Hut flog davon, als die Kutsche sich mehrfach hinter ihm überschlug.
Den Revolver hielt er noch immer mit eisernem Griff. Instinktiv wusste er, dass seine Waffe die beste Chance war, lebend aus dieser beschissenen Situation herauszukommen.
Sanchez Füße berührten den sandigen Boden. Dornige Büsche rissen ihm die Haut auf, bis er rollend auf dem Wüstenboden zum Liegen kam. Den Schmerz ignorierend, stemmte er sich auf die Knie. Ein Gemisch aus Sand und Blut füllte seinen Mund. Ein Lächeln entblößte die blutigen Zähne, als er den Revolver in seiner Rechten sah.
Sanchez zwang sich auf die Beine und begann zur umgekippten Stagecoach zu humpeln. Vom Gespann fehlte jede Spur.
Mit zusammengekniffenen Augen fokussierte er den Blick auf die Straße. Zu der Stelle, wo er wenige Sekunden zuvor das Mündungsfeuer gesehen hatte. Im Augenwinkel vernahm er ein blaues Flackern.
Das Licht kam von der Seite. Die Hand mit dem Revolver schützend vor die Augen gehalten, versuchte er das Gesehene einzuordnen.
Zwischen Kakteen und Büschen schwebte eine dunkelgraue Kugel über dem Wüstenboden. Organisch anmutende, gleißende Formen waberten über ihre undurchsichtigen Oberfläche und aus ihr pulsierten Blitze. Die Luft knisterte, als die Blitze in den Boden schlugen.
Seine Nasenflügel flatterten, als ein beißender Geruch zu ihm drang. Der Geruch erinnerte ihn an den Gestank von Schwefel. Durch das Licht erkannte Sanchez einen Hügel, der sich hinter der leuchtenden Kugel befand.
Sanchez schüttelte den Kopf und blickte zurück. In einem Abstand von etwa vierzig Metern näherten sich die Verfolger. Er riss seinen Revolver nach oben und feuerte zwei Schuss in ihre Richtung, als die Intensität des Lichts plötzlich abnahm. Sandkörner spritzen neben ihm auf und hinterließen faustgroße Krater im Wüstenboden, als der Sheriff und seine Männer das Feuer erwiderten. Die Schüsse hallten durch die Nacht.
Hinter der Stagecoach kauernd lief ihm der Schweiß in die Augen. Ein Blick zur grauen Kugel zeigte, dass ihre leuchtenden Stellen zu einem gespenstischen Glühen abgeschwollen waren. Die Blitze waren verschwunden. Sanchez blieben nur Sekunden. Der Hügel. Er rannte los. Hinter ihm das Schnaufen von Pferden und Wortfetzen der Verfolger im Wechsel mit Schüssen.
Seine Füße flogen über verkohlte Gewächse, wo zuvor die Blitze eingeschlagen hatten. Es waren noch zehn Meter bis zur schwebenden Kugel, deren Leuchten soweit abgeklungen war, dass er ihre Konturen nur noch durch die Verdeckung des vom Vollmond angestrahlten Hintergrunds ausmachen konnte. Wie ein schwarzes Loch hing die Erscheinung in der Luft.
Sanchez passte seine Richtung an, um an der Erscheinung vorbeizulaufen. Ein tiefes Brummen brachte seinen Schädel zum Vibrieren. Es schien aus der Kugel zu kommen.
Ähnlich einem Erdbeben schüttelten Wellen Sanchez Körper. Das Summen schmerzte seine Ohren und mit den Händen konnte er den Schmerz kaum mindern. Er blieb stehen. Sein Blick auf die Männer gerichtet.
Der Sheriff sprang neben der Kutsche von seinem Gaul. Einige Hilfssheriffs standen neben ihren Pferden. Eine Druckwelle riss Sanchez von seinen Füßen. Staub wirbelte um ihn auf und wurde von der Welle mitgerissen. Taumelnd gelang es ihm, nicht hinzufallen. Das Summen und die Vibrationen waren verschwunden. Die Kugel ebenfalls.

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Hallo Chris.

Insgesamt ist mir das Ganze zu bemüht. Ärgerlich für mich die englische Bezeichnung für die Postkutsche. Manche Details sind störend, und/oder lassen grübeln. (Der unerklärte Schmerz an der „anderen Hand“; der Sheriff und das halbe Dutzend etc., statt „der Sheriff und seine Männer“; zu viele Adjektive; zu große, in meinen Augen unnötige, Genauigkeit; mir unverständlich die „schwebende leuchtende Schwarzloch-Kugel“; etc. etc.)

Erklärungen an Erklärungen… Zum Teil für mich „kynikes Hündilein“ auch unfreiwillige Komik in der Erzähl-Bemühtheit.

Wird werden, ist noch nicht. :slight_smile:

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Hallo Chris,

das Prinzip “Show, don’t tell” hast du ja ganz gut verinnerlicht. Wie Abifiz schon angedeutet hat, leidet der Text in der vorliegenden Fassung jedoch etwas an Detailwildwuchs. Außerdem springst du in deinen Beschreibungen oft unvermittelt hin und her, so dass es schwer fällt, der Handlung zu folgen. Wenn du dir den Erzähler als Kameramann vorstellst, der den Leser durch die Handlung führt, dann wirkt es im Moment so, als würdest du mit der Kamera wild hin und her zoomen.

Außerdem ist es nicht nötig, die Sinneswahrnehmungen des Protagonisten dezidiert als Handlungen zu schildern (er sah, roch, hörte). Wenn der Leser erkennt, dass aus der Perspektive des Protagonisten erzählt wird, kannst du dich darauf beschränken, zu beschreiben, was er wahrnimmt. Also beispielsweise nicht “Mit zusammengekniffenen Augen fokussierte er den Blick auf die Straße”, sondern einfach “Was war das? An der Stelle, wo er wenige Sekunden zuvor das Mündungsfeuer gesehen hatte, flackerte jetzt ein blaues Licht.”

Ich würde versuchen, die Handlung drastisch zu straffen und redundante Stellen zu streichen. Außerdem würde ich dem anonymen Kutscher einen Namen geben, denn so wie ich es verstehe, handelt es sich um eine dreiköpfige Diebesbande.

Weil das alles immer so theoretisch klingt, habe ich mal versucht, die ersten Sätze neu zu formulieren:

“Die Kutsche rasselte in halsbrecherischer Fahrt über den von Schlaglöchern gesäumten Weg. Sanchez riss Dillinger, dem eine Kugel den halben Hinterkopf weggepustet hatte, die Zügel aus der Hand. Er ließ die Lederriemen auf die schweißnassen Rücken der Pferde klatschen. Fünf Meilen noch, dann konnten die Tiere seinentwegen krepieren. Aber vorher mussten sie ihn und diese Kiste Gold auf der Ladefläche in Sicherheit bringen. “Mach schneller!”, rief Darryl von hinten. Würden der Sheriff mit seinen Männer sie erwischen, könnten er und sein Partner ihren Traum vom Reichtum am nächstbesten Galgen zu Ende träumen.”

Das ist natürlich noch nicht der Weisheit letzter Schluss, sondern soll nur als Anregung dienen. Aber spannend finde ich deinen Anfang allemal.

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Danke @Abifiz für Deine hilfreiche Kritik! Kannst Du mir bitte noch sagen, wo ich auf die unfreiwillige Komik achten muss?

@Thomas L Vielen Dank für Deine konkreten Tipps und Deinen überarbeiteten Text. Das sieht so „verdammt“ einfach aus! :slight_smile: Ich bleibe am Ball!

Ich weiß das Feedback von Euch wirklich zu schätzen!

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Lass dich nicht entmutigen. Gerade als Schreibanfänger neigt man dazu, Beschreibungen überdetailliert anzulegen. Ich weiß, wovon ich Rede :wink:

Wenn es um rasante Handlungen geht, würde ich mich einer radikalen Schreibökonomie unterwerfen. Oft genügen ein oder zwei Sätze, um beim Leser die farbigsten Bilder hervorzurufen. Gerade in der Genreliteratur (Western, Krimi, Fantasy usw.) verfügt ja jeder Leser über unzählige Erinnerungen an bereits gelesene Bücher und gesehene Filme. Ich muss meine Texte in der Hinsicht auch immer gnadenlos zusammenstreichen.

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Für mich als Freizeit-Kyniker (-Zyniker im alten Sinn) wirkte insgesamt die Bemühtheit manchmal unfreiwillig komisch, nicht so sehr die eine oder andere isolierte Aussage.

Es ist ein mir geläufiges Mittel der Komik dort an Detailgenauigkeit zu pfriemeln, wo eigentlich Rasanz erwartet wird…

Hallo Chris666, ich kann da @Thomas L und @Abifiz nur zustimmen, etwas viel, aber nicht schlecht, das wird noch. Aber warum muss ich an Terminator denken? Und @Abifiz hat es mal wieder geschafft das ich über seinen Kommentar mehr grübele und Probleme habe ihn zu verstehen als mit deinem Text. Wenn man Google nach Kynikes Hündilein fragt kommt genau ein Eintrag, der von ihm in diesem Forum. Und mit zynischem Hund-Hundchen kommt mein Gehirn auch nicht klar. Aber lasst jetzt bitte nicht hier darauf groß eingehen, da kann mir @Abifiz ja mal eine PM schreiben wenn er mag :smirk:. Man ahnt nichts böses und schon möchte man Terminator sehen und mit einem Hund spazieren gehen, und ich habe nicht mal einen.

So long

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Das kann er aber auch durchaus öffentlich tun, so er denn mag. Denn was immer Abifiz zu sagen hat findet auch mein Interesse.
mfg os|<ar

Also gut, hier der schon abgeschickte PN-Text:

Hi Lusmore.

Die Kynische Philosophie im Sinne von Anthistenes führte ironisch ihren Namen vom Namen der Hunde her („kyon“). So nennen die Franzosen „cynophile“ den Freund von Hunden. Einigen Aspekten der frühen kynischen Philosophie neige ich zu. Das heutige „Zynismus“, „Zyniker“ stammt zwar historisch von daher, hat aber eine andere Bedeutung.

Herzlich
Abifiz

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Danke Euch für all das Feedback! Hilft enorm! :slight_smile:

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