Privathimmel

Hi,
wie würde euer persönlicher Himmel aussehen, wenn ihr euch auf dem Sterbebett etwas aussuchen könntet? Auf einer Wolke sitzen und Harfe spielen würde ich eher als Strafe ansehen (also Richtung Hölle).
Meine Katzen würden es sicher für himmlisch ansehen, wenn Mäuse von ganz allein ins Maul wandern.
Meine Pferde denken vermutlich an einen Himmel, der nur aus Möhrenfeldern besteht.
Macht es Sinn, sich seinen ganz privaten Himmel mit Dingen zu füllen, die nicht mehr existieren, z. B. weil ich diesen Dingen hinterher trauer? Oder rette ich in meinem Himmel Soldaten aus dem 2. Weltkrieg, die ich ja nicht mehr retten muss / kann?
Welchen Privathimmel stellt ihr euch vor?
Ich suche Anregungen für meinen 82-jährigen Protagonisten, der fernab der Realität anderen Heimbewohnern mit seinem Privathimmel auf die Nerven geht. Inspiriert mich bitte!

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Hallo Suse,
vielleicht war dein 82-jähriger Protagonist Musiker in einer Tanzkapelle in den 50er Jahren und schwärmt den Heimbewohnern von den eleganten Tanzpaaren vor?

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:slight_smile: Werde ich erst mal in meine Notizen packen.

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Vielleicht war der Mann zeit seines Lebens ein Marktfahrer. In der Schweiz gab/gibt es den ‘Billigen Jakob’. Das waren Händler, die mindere Ware zu billigen Preisen anboten. Dies laut schreiend.
Ich weiss nicht ob es was ähnliches in Deutschland gibt.
Vielleicht ‘Marktschreier’
Dein Senior erzählt, nervt mit seinen mittlerweile etwas glorifizierten Vorstellungen von Märkten. Eben laut schreiend und gestikulierend.

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Vielleicht erzählt er aber auch nur dauernd in weinerlichem Tonfall, dass er doch endlich seine Maria wiedersehen will, die vor so langen Jahren von ihm gegangen ist, und wie liebreizend und liebenswürdig sie war … bis es alle nicht mehr hören können. Und vielleicht war Maria eher eine Schreckschraube;)

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Als ehemalig starker Raucher fehlt heute ein Bein und die COPD lässt ihn beim atmen pfeifen, die Sauerstoffflasche rollt auf schlecht geöltem Räderkonstrukt neben ihm her - sieht aus wie ein Beiwagen zum eigenen Rollstuhl. Er nervt sein Umfeld vor Allem durch seine fehlende Einsicht, dass seine Zigaretten Schuld hatten und er freut sich auf den Himmel, in dem er endlich wieder rauchen darf - ganz ohne Bevormundung durch den Pfleger. Wie viel besser man Luft bekommt, wenn man raucht - das haben Viele nie erkannt.

Aber da er dein Protagonist werden soll ist er wohl doch nicht dieser Ex-Raucher.

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Ihr seid super. Ich werde eure Ideen nun doch nicht als “Notizen” aufnehmen, sondern ein eigenes Denkbrett dafür aufmachen, mischen, überlegen, hin und her schieben! Danke! Wem noch mehr einfällt: nur zu. Ulli sagt ja immer, das Denkbrett sei unbegrenzt. Oder war bei 9 x 9 m Schluss?

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Klar. Kenn ich. Auch unter dem Begriff. Bin aus Nordrhein-Westfalen.

Wieso nicht?

Hm. Hast Recht - kann ich gar nicht begründen. Mangelnde Mobilität hätte ihn nur für meine aktuelle Geschichte ausgeschlossen. Hat nichts mit deiner Geschichte zu tun. Mein Hirn hat mich überrumpelt - doofes Teil und sein Eigenleben.

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Egal. Ich weiß ja eh noch nicht, wie sich der Mann entwickelt. Vielleicht rückt auch ein anderer in den Vordergrund. Den Privathimmel “brauche” ich trotzdem :).

Ich vermute jetzt einfach, das Deine Figur gegenwärtig das 82. Lebensjahr erreicht hat.
Nehmen wir an, er wurde 1938 geboren. In den Kriegsjahren war er noch ein Kind.
Bei einem Fliegeralarm hatte ihn seine Mutter auf dem Weg zum Schutzraum verloren, er ist ihr im Gedränge aus dem Arm gefallen und im Schnee gelandet. Sie hat ihn natürlich schnell wieder gefunden. Doch es ist Zeit seines Lebens sein heiteres Gesprächsthema.
Sein Vater und der ältere Bruder sind im Krieg gefallen. Er ist ohne Vater, gemeinsam mit drei Schwestern groß geworden.
Schulzeit: Autoritäre und strenge Lehrer.
Jugend: begeistert von der musikalischen Ära Bill Haley & his Comets, Rock Around the Clock, Little Richard, Tutti Frutti (1955) usw.
Seine Ausbildung / Studium. Seine erste große Liebe. Seine Familie, Frau, Kinder.

All diese Erfahrungen, Prägungen, Erlebnisse nimmt er mit in seinen privaten Himmel. Vielleicht gibt es ganz besondere Ereignisse, dramatische Wendungen, Erfolge, Niederlagen.

Vielleicht nervt er zu Beginn seine Mitbewohner. Doch vielleicht verfügt er über die besondere Gabe, die alten Zeiten lebendig zurück zu holen. Er verfügt über die Gabe, seine Mitbewohner aus der Eintönigkeit des Alltags, dem Warten auf das Sterben heraus zu holen.
Er macht das wieder lebendig, was all diese Menschen im Heim vermisst haben: „Die gute alte Zeit“.

Er holt die Vergangenheit wieder zurück.
Erst gibt es Widerstände bei den Heimleitern und Pflegern, doch vielleicht lasen sich bald alle von diesem neuen alten Zeitgeist beflügeln.
Und dann, steht das Heim Kopf. Die Zimmer werden so eingerichtet, wie vor 50 Jahren. Sie gehen auf Flohmärkte und ergattern die ihnen so lieb gewonnenen Gegenstände aus der Vergangenheit. Sie hören alte Platten, tanzen Rock´n Roll, lassen sich in VW Käfern durch die Stadt fahren.
Das war die Zeit, worin sie gelebt haben, woran sie sich erinnern, die sie auch ein wenig schmerzlich vermissen.

Vielleicht hat er das Geschick, den Menschen ihr Lebensgefühl wieder zurück zu bringen.
Die neue moderne Welt da draußen ist ihnen fremd und unverständlich.

Dann wird allen bewusst: den Himmel findet man nicht nach dem Tod. Den Himmel findet man im Leben. Im Hier und Jetzt.

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Die Frage, was sich der Protagonist vorstellt, ist vor allem abhängig davon, welcher Religion er angehört. Dieser Ort /Zustand ist nicht abhängig von irgendwelchen wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern von seiner Zugehörigkeit zu einer Religion bzw. Vom religiösen Umfeld, in dem er aufgewachsen ist (er muss jetzt ja nicht mehr einer Religion angehören).
Ein Muslim sieht das wohl anders, als ein Buddhist usw. Der Germane sieht sich wohl eher mit einem Humpen Met an Odins Tisch mit den anderen um die Wette trinken - da ist für seine ehemalige:thumbsdown: Frau(en) wohl kein Platz in seinen Gedanken.

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Mein Herr gehört der christlichen Welt an. Ob er tatsächlich gläubig ist, weiß ich noch nicht. Zumindest denkt er in den Kategorien “Himmel” und “Hölle”.

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Sehr geile Idee @mathies ich musste spontan an [cocoon[/URL] und kick the can denken. Toller Ansatz](‚https://en.wikipedia.org/wiki/Kick_the_Can‘)

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Altersmäßig täte ich mich mich strammen Schrittes dem Heimbewohner nähern. Was manche als Altersstarrsinn zuerkennen glauben, sehen andere Menschen auch als Weisheit. Aber Altern ist nix für Feiglinge. Wie träume ich mir meinen Himmel? Ganz gewiss nicht harmonisch. Das lässt sich über Äonen nicht aushalten. Ich denke jeder ahnt, dass damit mehr Hölle gemeint sein kann. Die banalen Dinge des bisherigen Lebens haben an Glanz verloren. Auch damit würde ich mich nicht im Paradies beschäftigen wollen, schon gar nicht bis in alle Ewigkeiten. Mit wäre es recht, im Paradies die unendliche Schöpfung betrachten zu können. Ich bin so weit, dass ich Gottes gewaltiges Werk zu schätzen weiß.

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Wie wär`s mit einem Ex-Hippie, der auf dem Woodstock-Festival einer der Roadies von Jimi Hendrix war. Jetzt zieht er Cannabis auf seiner Fensterbank, behauptet, das sei Vogelfutter, und bietet seinen Mitbewohnern selbstgebackene Brownies an, um mal in dem Laden die Stimmung zu heben. Viele alte Menschen bleiben in der Zeit hängen, die für sie am Schönsten war. Oder am Schlimmsten. Ich kannte einen Altrocker, der immer noch seine Kutte trug. Es sah etwas albern aus, aber wenn es ihm gefiel, ist es doch wurst, oder?

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Na ja. Könnte er glaubhaft backen? In einem Altenheim? Ich weiß nicht …

In seinem Privathimmel dürfte es sicher warm sein und gutes, reichliches Essen geben, denn wenn er heute 82 Jahre alt ist, dann war er im Hungerwinter 1946/1947 ein sehr hungriger Junge von etwa 8 Jahren. Auch zuvor wurde er im Krieg sicher mehr als einmal hungrig ins Bett geschickt (daher hortet er wie viele Altenheimbewohner, insbesondere solche, die an Demenz leiden, gerne Essen in seinem Spind oder Schrank).

Sein Himmel ist immer taghell, denn er hat Angst vor der Dunkelheit, da kamen die feindlichen Bomber.

Sein Himmel ist leise … nur sanfte Töne, denn jeder Donnerhall und jeder Überschallknall hört sich für ihn wie ein Bombeneinschlag an und das macht ihm solche Angst, dass er in den Keller (oder zumindest hinter ein Sofa) flieht.

Sein Himmel ist bescheiden ausstaffiert: er hatte nicht viel in seiner Kindheit, sie war von Entbehrungen geprägt.

Und: natürlich kann er glaubhaft auch im Altenheim backen. Da gibt es sogar sehr regelmäßig die Möglichkeit zu kochen oder zu backen, insbesondere gibt es auf Böhm-Stationen (nach dem Pflegemodell des Pflegewissenschaftlers Erwin Böhm) Gegenstände aus der Vergangenheit von an Demenz erkrankten Heimbewohnern. Dazu gehören auch Backöfen wie früher. By the way: mein Urgroßonkel war gelernter Bäcker: er buk sich bis ins hohe Alter von weit in die 80 noch jede Woche einen wunderbaren, runden Streuselkuchen (und wehe, er ertappte meine Mutter und mich beim Streusel runter puhlen !! :laughing: slight_smile: Ok, vielleicht backt dein Protagonist nicht gerade Brownies, aber Marmor- oder Streuselkuchen?

Wenn dein Protagonist fernab der Realität ist, dann ist er vielleicht selbst auch dement?

Vielleicht war er Briefträger? Dann läuft er den ganzen Tag durchs Heim und vielleicht beschäftigt man ihn, in dem er zu Briefen zusammengefaltete Briefbogen bekommt, die er „zustellen“ darf. Vielleicht steht in seinem Himmel dann ein Schaukelstuhl, wo er die Füße hochlegen darf? Oder er betreut die Poststelle vom Weihnachtsmann am Nordpol? Natürlich könnte er sich auch selbst für den Weihnachtsmann halten?

Fernab der Realität kann er aber auch seiner erste große Liebe wiedertreffen und im Himmel mit ihr das nachholen, was ihm früher verwehrt blieb, weil sie einen anderen heiratete? Oder mit ihren Eltern wegzog? … ein gemeinsames Leben

Vielleicht war er in seiner Freizeit begeisterter Gärtner: dann ähnelt sein Himmel einer Obstbaumplantage. (Mit Schaukelstuhl unter Bäumen und Marmorkuchen ;))

Oder war er leidenschaftlicher Fußballer?
1966: Das 3:2 des Engländers Geoff Hurst im WM-Endspiel gegen Deutschland. Dieses Endspiel geht für deinen Protagonisten sicher anders aus.

Vielleicht war er auch ein kleiner, unbekannter Schauspieler: sein Himmel ist ein großes, bis auf den letzten Platz gefülltes Theater, in dem sich die Bühnenscheinwerfer in der sonstigen Dunkelheit auf ihn fokussieren und er in einem prächtigen Kostüm seine Traumrolle spielen darf: den Prospero in Shakespeares „Der Sturm“ (oder etwas ähnlich beeindruckendes)

Ach ja: in meinem Himmel, der eine große altmodische Bibliothek umfasst, leben viele Tiere (alle außer achtbeinige, die bekommen einen eigenen Himmel). Es gibt immer genügend Aquarellpapier, Farben, Schreibblöcke, Spiralbücher, Kugelschreiber, Stoffe, eine Quilt-Nähmaschine, Faden, Papyrus 10, jede Menge Sprudelwasser, Fruchtcocktails (90 % alkoholfrei), Parmesancräcker, After Eight und Chips. Plus einen Koch, der die asiatische Küche (in allen Variationen), nebst der mediterranen Küche perfekt beherrscht und der außerdem wunderbare Puddingbrezel backen kann. Wenn er auch noch was fürs Auge wäre, spräche nichts dagegen. (Meine Familie darf mich bitte überleben, daher habe ich sie im Himmel nicht erwähnt.)

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Da habe ich ja mehr als ausreichend Stoff. Meine Mutter war übrigens 2 Jahre lang in einem Heim. Da wurde nie gebacken. Und Cannabis auf der Fensterbank wäre umgehend in den Müll gewandert.

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